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Offshore-Windräder im Größenwahn

Beeindruckend, was für eine Entwicklung Offshore-Windräder gerade durchmachen. Dieser Tage hat Siemens den Testbetrieb für eine Sechs-Megawatt-Anlage aufgenommen. Ein Rotorblatt misst 75 Meter, das entspricht nach Angaben von Siemens der Spannweite eines Airbus 380. Kurze Zeitreise: Vor ein paar Jahrzehnten, als die ersten 30-Kilowattanlagen ans Netz gingen, war ein Flügel gerade einmal fünf Meter lang, so lang wie ein Kleinbus.

Die längsten Windrad-Rotorblätter der Welt – und rechts zwei Männer © Siemens
Die längsten Windrad-Rotorblätter der Welt – und rechts zwei Männer © Siemens

Noch scheint bei Offshore-Windrädern das technische Potenzial nicht ausgeschöpft. State-of-the-art ist zurzeit die fünf-Megawatt-Anlage. Sie stehen auch im Testfeld Alpha Ventus in der Nordsee. Nach Informationen des Fraunhofer IWES-Instituts sind aber auch schon Zehn-Megawatt-Anlagen im Gespräch.

Allerdings macht den Ingenieuren die simple Physik das Leben schwer. Denn wer eine Anlage größer baut, um den Output zu steigern, der erhöht zwangsläufig das Gewicht. Eine simple mathematische Faustregel sagt: Wird die Anlagengröße verdoppelt, dann vervierfacht sich die Fläche – und Achtung: das Gewicht verachtfacht sich.

Größer geht es also nur, wenn die Anlage zugleich leichter wird. Denn hinter „Gewicht“ verbirgt sich natürlich nichts anderes als „Material“ – also Stahl – und damit höhere Kosten.

Und natürlich kollidiert der Größenwahn mit dem Anspruch, durch Serienproduktion die Kosten zu senken. Windräder größer als der Kölner Dom sind Einzelanfertigungen, die lassen sich (noch?) nicht schnell am Band produzieren. Handarbeit allerdings bedeutet wiederum höhere Kosten. Ein klassischer Trade-off.

 

 

Kandeh Yumkella, ein grandioser Energie-Botschafter

Kandeh Yumkella wirbt für die Vereinten Nationen für saubere Energien. Foto: Reuters

Kandeh Yumkella wird Chef der neuen UN-Initiative gegen Energiearmut (Energy for all) – und ist dafür genau die richtige Wahl. Wäre UN-Generalsekretär Ban Ki Moon auch nur ansatzweise so überzeugend wie Yumkella, dann wären die Zweifel an der Weltorganisation bestimmt kleiner.

Aktuell ist Yumkella noch Chef der UN-Organisation für industrielle Entwicklung (Unido) und Chef von UN Energie. Letzteres ist ein Netzwerk, das sich bemüht, die energierelevanten Beiträge des unüberschaubaren Kosmos der Vereinten Nationen zu erfassen und zu sammeln.

Zukünftig soll Yumkella für erneuerbare Energien werben. Die neue UN-Initiative Sustainable Energy for all ist der erste globale Masterplan, der nicht nur Entwicklungsländer zu etwas verpflichtet, sondern auch Industriestaaten zu Veränderungen antreiben will. Bis 2030 sollen die aktuell 1,3 Milliarden Menschen, die keinen Strom haben und die 2,7 Milliarden Menschen, die mit Brennholz, Viehdung oder Holzkohle heizen, mit nachhaltiger Energie versorgt werden.

Gleichzeitig sollen aber auch die entwickelten Länder, die sich der Initiative angeschlossen haben, einschließlich der Europäischen Union, etwas tun. Sie sollen ihre Energieeffizienz jedes Jahr um 2,5 Prozent verbessern. Deutschland schafft knapp ein Prozent im Jahr – und liegt damit trotzdem noch im oberen Mittelfeld. Zudem soll der Anteil erneuerbarer Energien an der Versorgung der reichen Länder bis 2030 bei 30 Prozent liegen. Zumindest da wird Deutschland wohl weit voraus sein.

Kandeh Yumkella ist genau der richtige Moderator für die ambitionierten Pläne. Er ist in Sierra Leone geboren, einem westafrikanischen Kleinstaat, der nach einem der verheerendsten Bürgerkriege des Kontinents noch immer zu den ärmsten Ländern der Welt gehört. Dabei ist Sierra Leone reich an Ressourcen. Neben den berühmt gewordenen „Blut-Diamanten“, die dank des Registrierungsverfahrens mit dem Namen Kimberly-Prozess inzwischen legal gehandelt werden, verfügt das Land über Kupfer und neuerdings Erdöl vor der Küste. Nur Energie gibt es in Sierra Leone, wie in den meisten afrikanischen Ländern, immer zu wenig.

Wenn Yumkella über seine neueste Aufgabe spricht, gerät er sofort ins Erzählen. Er hat das Elend selbst erlebt. Er spricht von „Krankenhäusern, in denen es kein Licht gibt, wenn nachts einem Kind auf die Welt geholfen werden soll“. Oder von dem drei Kilometer langen Weg, den er gehen musste, um sich zu waschen. Die Hausaufgaben, die er nicht machen konnte, weil es kein Licht gab und Kerzen zu teuer waren.

Vor allem aber spricht er über die rund zwei Millionen Menschen, die wegen der verpesteten Innenluft in den Hütten jährlich sterben, weil mit Feuerholz oder Holzkohle gekocht werden muss – in einer Hütte ohne Kamin. Sie sind Yumkellas Motivation, an der Energiearmut etwas zu verändern. „Das ist schlimmer als Malaria“, sagt er.

Die Chancen, dass Yumkella Erfolg hat, stehen gar nicht schlecht. Und das, obwohl nach alter UN-Unsitte nun schon wieder eine neue Organisation aus dem Boden gestampft werden soll, die vor allem die unzähligen bereits existierenden UN-Organisationen koordinieren soll.

Aber seit September 2011 haben unzählige Staaten beträchtliche Finanzmittel für die Initiative zugesagt. Alleine die EU hat versprochen, 500 Millionen Menschen mit nachhaltiger Energie zu versorgen. Daran ist vor allem Kandeh Yumkella mit seinen mitreißenden Vorträgen schuld.

Zudem bietet der UN-Plan einen Rahmen für unzählige kleinere Initiativen, die längst arbeiten. Die Stiftung des früheren amerikanischen Präsidenten Bill Clinton beispielsweise fördert den Kauf von effizienten Kochherden oder solchen, die mit Biogas betrieben werden können.

Zudem gibt es inzwischen mehrere ähnliche Projekte in ganz Afrika, die auf diese Weise Kohlendioxid-Emissionen einsparen, und die Zertifikate an Unternehmen in Europa verkaufen, die über den Emissionshandel zu einer Verminderung ihrer CO2-Emissionen verpflichtet sind. Der sogenannte Clean-Development Mechanism (CDM) hat etwa ein halbes Dutzend vergleichbarer Projekte zertifiziert.

Eines davon ist im Norden Nigerias. Dort bietet übrigens ein ehemaliger Redakteur des Deutschlandfunks, Yahaya Ahmed, mit seiner Initiative Dare Familien energieeffiziente Kochherde an, die nur noch 20 Prozent des zuvor benötigten Feuerholzes verbrauchen.

 

China wagt ein bisschen Emissionshandel

Seit Jahren führt China die Rangliste der weltweit größten Kohlendioxid-Emittenten an. Gleichzeitig will das Land den Ausstoß reduzieren: Bis 2020 sollen die CO2-Emissionen um 40 bis 45 Prozent im Vergleich zum Jahr 2005 sinken. Der 12. Fünfjahresplan, den der Volkskongress im vergangenen Jahr verabschiedet hat, sieht die Einführung eines Emissionshandels vor. Die Idee dahinter ist simpel: Wer CO2 emittiert, muss dafür ein Verschmutzungsrecht vorweisen. Hat er keines, muss er eines kaufen. Hat er zu viele, kann er sie verkaufen. So entsteht ein Markt für Kohlendioxid, der sich regulieren lässt.

Vorort von Peking (Archiv) © Frederic J. Brown/AFP/Getty Images
Vorort von Peking (Archiv) © Frederic J. Brown/AFP/Getty Images

Bleibt die Frage: Wie organisiert China das bloß? So langsam wird das konkreter. Inzwischen ist klar, dass China ein CO2-Handelssystem in sieben Piloregionen testen will. Dazu gehören Shanghai, Peking, Tianjin, Shenzhen, Chongqing, Guangdong und Hubei.

Mitte August startete etwa das Projekt in Shanghai. Wie das Portal China Law and Practice berichtet, sollen hier in einem ersten Schritt die Emissionen von rund 200 Firmen aus 16 verschiedenen Industrien erfasst werden. Unter anderem wird sich Baosteel, einer der weltweit größten Stahlkonzerne und damit ein großer Stromverbraucher  (und zwangläufig auch CO2-Emittent) künftig einem solchen Schema unterwerfen müssen und mit Co2-Zertifikaten handeln. Wie schon in Europa werden die Behörden die erste Runde von Verschmutzungsrechten kostenlos verteilen.

In China einen Emissionshandel aufzubauen, ist natürlich extrem kompliziert. Allein das Datensammeln wird zur Herausforderung: Welche Industrieanlage emittiert eigentlich genau wie viel CO2? Außerdem sind die Energiemärkte alles andere als liberalisiert. Das geht schwer mit dem Preissignal-Ansatz eines Emissionshandels zusammen.

Die Bepreisung von Kohlendioxidemissionen verteuert die Produktion einer Kilowattstunde in einem Kohlekraftwerk. In Europa würde ein Stromversorger diese Kosten einfach auf den Endkundenpreis umlegen.

Das ist aber in China mit seinen regulierten Großhandelsmärkten und subventionierten Strompreisen kaum möglich. Laut der chinesischen Presseagentur Xhinhua kostete im Sommer in Peking eine Kilowattstunde Strom 0,48 Yuan. Das macht umgerechnet gerade einmal fünf Cent. Daran wird die Politik wohl kaum etwas ändern wollen.

„Das System in China wird erst einmal wenig ehrgeizig sein“, sagt Felix Matthes, Energieexperte des Öko-Instituts, der zurzeit chinesische Firmen bei der Einführung des Systems berät. Matthes hält das allerdings für nicht überraschend: Es ginge schließlich darum, die Unternehmen erst einmal überhaupt von dem System zu überzeugen – und nicht mit zu strengen Anforderungen zu erschrecken und gar für Komplettwiderstand zu sorgen. Das sei ähnlich bei der Einführung des europäischen Emissionshandelssystems gewesen.

Das ist natürlich Realpolitik pur. Aber wahrscheinlich der Erfolg versprechendere Weg.

 

Die Energiewende gibt´s jetzt bei IKEA

Heute schon ein bisschen Energiewende geshoppt? Der chinesische Solarkonzern Hanergy will in Großbritannien künftig Solarmodule über Ikea verkaufen. Jetzt gibt es also neben Kommoden und Köttbullar auch Dünnschicht-Module bei dem Möbelgiganten.

© Peter Muhly/AFP/Getty Images Die Module sind Teil eines Komplettpakets. Der mögliche Standort wird bewertet, die Zellen werden installiert und natürlich gibt´s auch eine Garantie. Hanergy-Chef Jason Chow sagt, er glaube „an das Wachstumspotenzial des britischen Markts.“

Der Hanergy-Konzern macht seit einigen Monaten in Europa von sich Reden. Nach eigenen Angaben ist er der größte private Ökostromkonzern Chinas. Er betreibt dort vor allem Wasserkraftwerke und Solarparks. Vor Kurzem übernahm er in Deutschland die Solibro, eine Q-Cells-Tochter. Auch den Berliner Solarspezialisten Soltecture kauften die Chinesen auf.

In China kooperieren Ikea und Hanergy bereits. Erst kürzlich gab Hanergy bekannt, auf Dächern von Ikea-Filialen in China Solaranlagen mit einer Gesamtkapazität von 383 Megawatt installieren zu wollen. Damit will Ikea 10 bis 15 Prozent seines Strombedarfs decken. 383 Megawatt entsprechen, zumindest theoretisch, der Leistung eines kleinen Kohlekraftwerks.

Jetzt plant Hanergy also den Einstieg in den europäischen Massenmarkt. Ich bin gespannt, ob das klappen wird. Bislang galt eigentlich die Regel: Dünnschicht-Module sind zwar günstiger in die Herstellung, kommen aber auf niedrigere Wirkungsgrade im Vergleich zu kristallinen Modulen (die vor allem auf deutschen Dächern landen).

Ob sich die Module, die Ikea anbieten wird, durchsetzen werden, ist also vor allem eine Frage des Outputs und der Vergütung von Ökostrom im britischen Energiemarkt. Und es ist eine Frage der Installation. So trivial sind ja Solarmodule auch wieder nicht. Sie müssen gescheit installiert werden, man braucht Wechselrichter, um den Gleichstrom ins öffentliche Netz einzuspeisen und und und. Da erscheint es schon sinnvoll, dass Hanergy ein Rundumsorglos-Paket anbieten will.

In Deutschland hatte übrigens die Kaffeekette Tchibo auch eine Zeitlang Solarzellen im Angebot. Das war allerdings vor zwei Jahren.

 

 

Fischer wehren sich gegen Missbrauch bei Ökostrom-Vergütung

Fischtreppen sind ja eigentlich eine feine Sache. Sie ermöglichen Flussfischen einen Umweg um ein Wasserkraftwerk, damit sie am Ende nicht in der Turbine geschreddert werden oder ihnen der Weg versperrt ist.

Auch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) beschäftigt sich mit solchen Dingen. Wer nämlich ein Wasserkraftwerk betreibt, der kann eine höhere Vergütung für jede produzierte Kilowattstunde Ökostrom geltend machen, wenn er „Maßnahmen zur ökologischen Verbesserung“ einbaut. Und das können eben zum Beispiel Fischtreppen sein. Ein lukratives Grünes Geschäft für beide Seiten, möchte man meinen: für die Natur und den Wasserstromlieferanten, der einen Ökobonus kassiert.

In Bayern ist das Thema besonders relevant, schließlich hat kein anderes Bundesland mehr Wasserkraftwerke (rund 4.250 Anlagen). Der Landesfischereiverband in Bayern hat jetzt die ersten Missbrauchsfälle mit dem Ökobonus aufgedeckt. Denn offenbar gibt es Umweltgutachter, die allzu leichtfertig die „ökologische Verbesserung“ attestieren.

Ein wirklich dreister Fall ist etwa ein Plastikrohr von zehn (!) Zentimetern Durchmesser an einem kleinen Wasserkraftwerk am Senkelbach in Augsburg. Eigentlich soll es helfen, dass Fische an der Turbine vorbei vom Staubecken oben ins Unterwasser gelangen können. Doch das Rohr ist natürlich viel zu klein, schwer auffindbar und nichts für große Fische. Und es endet auch noch zwei Meter über dem Becken. „Nicht funktionsfähig“ attestiert Johannes Schnell vom Landesfischereiverband. Ein Umweltgutachter sah das anders und attestierte „ökologische Verbesserung“.

Für den Betreiber hat sich das Plastikrohr gelohnt. Dank des Gutachtens erhält er neben der Grundvergütung von 7,67 Cent nun auch vier Cent Ökobonus für jede Kilowattstunde. Geht man davon aus, dass die Anlage rund 1,8 Millionen Kilowattstunden  im Jahr produziert und die Vergütung 20 Jahre gewährt wird, dann, schätzt Schnell, erhält der Betreiber durch das Plastikrohr einen Mehrerlös von 826.000 Euro insgesamt.

Das sind Summen, die inzwischen dazu führen, dass sogar Netzbetreiber gegen die Gutachten klagen. So etwa die  Mitteldeutsche Netzgesellschaft Strom aus Halle/Saale. In fünf Fällen wehrte sie sich gegen leichtfertig ausgestellte Umweltgutachten, jedes Mal bekam sie vor Gericht beziehungsweise einer Clearingstelle Recht.

Glaubt man Fischfreund Schnell, dann ist die Anlage in Senkelbach zwar ein Negativrekord.

„Aber es gibt den begründeten Verdacht, dass es hier einen systematischen Missbrauch gibt.“

Eine Gesamtübersicht der Missbrauchsfälle gibt es bislang nicht. In einem Leitfaden listet der Verband aber einige weitere Fälle auf. Die auf 20 Jahre hochgerechneten Erlössteigerungen durch die Gutachten schwanken nach Kraftwerk zwischen rund 34.000 Euro und mehreren Millionen Euro. Und das sind wohlgemerkt Gelder, die am Ende alle Stromkunden per EEG-Umlage zahlen.

„Seitens der Wasserkraftbranche waren bisher keine Bestrebungen zu erkennen, fragwürdige Fälle oder offensichtlichen Missbrauch beim EEG branchenintern zu überprüfen oder zu korrigieren“, so Schnell.

Interessant sind vor allem die volkswirtschaftlichen Dimensionen des Problems. Denn der Ökobonus ist gerade für  Wasserkraftanlagen mit einer geringen Leistung attraktiv. Wer ein kleines Kraftwerk betreibt, der kann die Vergütung um fast 50 Prozent steigern. Dabei liefern diese kleinen Anlagen  nur acht Prozent der bayrischen Wasserstromproduktionen.

 

Und das Stromnetz kann doch noch mehr

Das Folgende läuft unter der Kategorie „Na, geht doch“. In Schleswig-Holstein hat E.on Netz Anfang August ein Pilotprojekt gestartet. Es erhöht die Übertragungskapazität der 110 kv-Leitungen um bis zu 50 Prozent. Das ist jetzt, wo allenorts über den Netzausbau gestritten wird und Bürger sich gegen neue Stromleitungen in ihrer direkten Umgebung aussprechen, ein wirklich spannendes Projekt. Und vor allem wichtig für Schleswig-Holstein, wo die Windenergie an Land ja noch radikal ausgebaut werden soll und der Netzausbau nicht hinterkommt.

Das so genannte Auslastungsmanagement auf zwei Pilotstrecken klingt zuerst einmal widersprüchlich: E.on Netz schaltet Windräder vom Netz ab. Aber, und das ist der Unterschied zur bisherigen Praxis, das passiert nur noch bei einem Störfall. Bislang war es so, dass Techniker in der Schaltzentrale von E.on einzelne Windräder manuell und in Stufen abgeschaltet haben, wenn das Netz komplett ausgelastet war (Einspeisemanagement). Der Windparkbetreiber findet das natürlich nicht prickelnd, weil er seinen Ökostrom nicht mehr vergütet bekommt. Aber die Netzbetreiber müssen ihm eine Ausgleichsvergütung zahlen.

Jetzt probiert E.on auf den Pilottrassen (ingesamt betrifft das rund 200 Windräder mit einer Kapazität von 400 Megawatt) ein automatisiertes Verfahren. Die Windräder werden per Computer sofort komplett abgeschaltet. Das passiert aber nur noch im wirklichen Ernst-, sprich im Störfall. Und das ist dann weitaus seltener als sonst. So nutzt E.on Reservekapazitäten im Netz aus. Die Folge: Es kann zwar sein, dass Windräder abgeschaltet werden, trotzdem landet aber mehr Ökostrom im Netz. Drei Millionen Euro hat E.on in die Technik investiert.

Im Netz geht also noch was. Erst recht, wenn man sich anschaut, dass E.on in Schleswig-Holstein auch noch Freileitungsmonitoring betreibt. Die Idee ist simpel: Der Wind kühlt Stromleitungen. Und wenn´s dann draußen auch noch schön knackig kalt ist,  erhöht das die Übertragungskapazitäten des Stromnetzes auch noch einmal um bis zu 5o Prozent.

Dass so viel Musik noch im Netz drin ist, hätte E.on wohl selbst vor ein paar Jahren nicht gedacht.

 

Altmaier und die wunderbare „Privilegierungsmasse“

Altmaier-Bashing seitens der Umweltverbände ist ja gerade in. Die Grünen glauben, dass  sich der Bundesumweltminister über den Ausbau der Erneuerbaren grämen würde. Die Windmüller haben Angst, dass er den Ausbau der Windkraft an Land blockieren will.

Hier einmal eine Nachricht, die vielleicht die Truppe beruhigen mag. Auf einer Erneuerbaren-Energien-Tagung hat Peter Altmaier gerade betont, dass es mit ihm keine weiteren Ausnahmen für die Industrie bei der Ökostrom-Umlage geben werde.

„Für weitere Reduzierungen sehe ich keinen Bewegungsspielraum. Wenn, dann muss man das aus der bisherigen Privilegierungsmasse finanzieren.“

Einmal davon abgesehen, dass „Privilegierungsmasse“ ein ganz wunderbares, mir vorher unbekanntes Wort war: Übersetzt bedeutet das: Wenn irgendjemand eine Ausnahme von der EEG-Umlage haben möchte, dann muss jemand anders eine bitteschön aufgeben.

Altmaier berührt damit natürlich ein aktuelles Thema. Stromintensive Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, können sich von der EEG-Umlage befreien lassen. Das Bundesumweltministerium schätzt, dass allein in diesem Jahr rund 730 Unternehmen so mehr als 2,5 Milliarden Euro einsparen werden.

Seit Kurzem klagen auch mittelständische Textilunternehmen gegen die EEG-Umlage, weil sie sich im Vergleich zur stromintensiven Industrie benachteiligt fühlen, da sie nicht in Genuss der Ausnahme kommen.

Natürlich geht es am Ende darum, wer eigentlich die Kosten der Energiewende finanziert. Zur Veranschaulichung will ich den Lesern nicht einen „echten Altmaier“ aus meinem Notizblock vorenthalten:

Skizze von Bundesumweltminister Peter Altmaier, Copyright: M.Uken
Skizze von Bundesumweltminister Peter Altmaier, Copyright: M.Uken

Auf der x-Achse sieht man einen Zeitstrahl. Auf der y-Achse hat der Umweltminister leider vergessen, „Kosten“ dranzuschreiben. Die Erklärung geht so: Ursprünglich verteilten sich die Kosten der Energiewende relativ gleichmäßig auf den Zeitraum vom Jahr 2000 bis 2050 (untere Kurve).

Jetzt aber, durch den rasanten Ökostromausbau, fallen die Kosten viel früher an (siehe obere Kurve): Die Ausgaben für die Ökostromvergütung steigen früher als gedacht an, dazu kommen auch noch die Kosten für den Netzausbau. Der große Finanzierungsbedarf wird also auf einen kürzeren Zeitraum verteilt als ursprünglich bedacht, er wird gestaucht.

Diese Stauchung hat natürlich vielfältige Folgen. Das beginnt bei Tennet, denen jetzt das Eigenkapital für den Netzausbau Offshore fehlt und endet bei Sozialtarifen, die mancher fordert, weil einkommensschwache Haushalte unter den schnell steigenden Strompreisen leiden.

Altmaier will deswegen einen „gesellschaftlichen und nationalen Konsens“ über die Energiewende. Das mag erstmal nach Blabla klingen, aber er hat Recht: Ohne das „Go“ der Bevölkerung und der Bundesländer, die Kosten gemeinsam zu stemmen, wird die Energiewende kaum gelingen.

 

Neue Offshore-Perspektiven – mit Altmaier im Watt

SH-Landesumweltminister Robert Habeck (Grüne) und Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU), Copyright: M.Uken
SH-Landesumweltminister Robert Habeck (Grüne) und Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU), Copyright: M.Uken

So ganz geheuer ist es ihm nicht. Vorsichtig tastet sich Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) gerade bei Friedrichskoog über das rutschige Watt. Es hat ein bisschen gedauert, bis er sich durchgerungen hat, tatsächlich die Gummistiefel im Strandkorb zu lassen, ein wenig eitel ist der Mann ja schon.

Aber nun glitscht er mehr oder weniger sicher über den feuchten Meeresboden. Aufmerksam hört er der jungen Frau zu, die mit ihrer Forke im Watt herumfuhrwerkt, Wattwürmer zeigt und Krebse präsentiert. Nein, Danke, den Wattwurm will er lieber doch nicht auf der Hand herumkriechen lassen – Matsche an den Waden, das reicht ihm. Das darf dann lieber der grüne Landesumweltminister Robert Habeck machen, der neben ihm durchs Watt stakst.

Es ist eine seltsame Begegnung, Altmaier und das Wattenmeer. Ein Koloss, der seinen Weg auf rutschigem Boden sucht. Der Minister ist auf Sommerreise. Er startet oben im Norden, in Schleswig-Holstein. Kein anderes Thema drängt hier so wie die Energiewende mit ihrem rasanten Ausbau der Offshore-Windenergie. Altmaier will den Ausbau („klares Bekenntnis zur Offshore-Windenergie“), weiß aber auch genau um die Schwierigkeiten. Das Interesse der Investoren an maritimen Windrädern ist enorm: Zurzeit liegen der Genehmigungsbehörde Anträge für Windparks mit einer Kapazität von 44 Gigawatt vor. Gut für die Energiewende – aber es könnte sich als Problem für das empfindliche Natursystem vor der Nordseeküste entpuppen.

Nun muss man, in bester Altmaier-Manier, sagen: gemach, gemach. Wer weiß, wie viele Projekte tatsächlich am Ende gebaut werden. Aber das enorme Interesse bringt den Bundesumweltminister ganz schön in Bredouille, denn er ist für beides zuständig, den Naturschutz und die Energiewende.

Und da tauchen jede Menge Konflikte auf. Eines ist der Lärmschutz für Schweinswale und Kegelrobben während der Bauarbeiten. „Es gibt immer wieder kleine Nagelproben, an denen sich entscheidet, welche Rolle der Naturschutz tatsächlich in der Energiewende spielt“, sagt Altmaier. Da unterscheidet er sich radikal von seinem Vorgänger Norbert Röttgen, den das Themengebiet kaum interessierte.

Bundesumweltmininister Peter Altmaier (CDU) und SH-Landesumweltminister Robert Habeck (Grüne); Copyright: M.Uken
Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) und SH-Landesumweltminister Robert Habeck (Grüne); Copyright: M.Uken

Altmaier dagegen lässt sich bei 35 Grad durch die Seehundaufzuchtstation in Friedrichskoog führen, füttert Seehunde und lässt sich erklären, wie Kegelrobben auf den Lärm bei den Rammarbeiten reagieren. Eine Karte der Nordsee zeigt, wo überall Offshore-Windparks geplant sind und wie sich die Schallwellen während der Rammarbeiten ausbreiten. Da bleiben kaum noch Ruhezonen für die rund 45.000 Schweinswale, die durch den Baulärm ihr Gehör und damit ihren Orientierungssinn verlieren können.

Altmaier reagiert darauf. Mitten im Watt muss er Interviews geben, der Schlick schmatzt unter seinen Füßen. Er fordert ein umfassendes Schallkonzept für die Offshore-Windenergie. Die Windparkbetreiber wird das kaum freuen, denn es wird verdammt teuer für sie, Blasenschleier während der Rammarbeiten zu installieren und neue Verfahren zu entwickeln. Altmaier aber ist überzeugt:

„Wir wollen die Energiewende, um unseren Planeten zu schützen, aber wir müssen es so machen, dass auch die Tiere nicht zu sehr beeinträchtigt werden.“

 

 

 

Offshorewindenergie: Neuer Wirbel um Stromnetzbetreiber Tennet

Die armen Niederländer, möchte man fast sagen. Tennet, der Stromkonzern aus Arnheim, der unter anderem in Deutschland für den Anschluss der Offshorewindparks in der Nordsee sorgen muss, steht erneut im Fokus. Jetzt wurde bekannt, dass der Offshorewindpark-Betreiber Windreich den Stromnetzbetreiber erstmals vor der Bundesnetzagentur verklagt hat, weil Tennet die Steckdose auf See nicht pünktlich liefern kann. Im Raum stehen Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe.

Die Klage ist brisant, denn gerade eben hat die Bundesregierung den Referentenentwurf vorlegt, der genau solche  Haftungsfragen für Offshorewindparks klären soll. Weil bislang unklar ist, wer eigentlich zahlt, wenn ein Offshorewindpark seinen Strom nicht ins Netz einspeisen kann, verzögert sich der Ausbau der Windenergie gerade immens, halten Windparkbetreiber ihre Investitionen zurück.

Der aktuelle Vorschlag der Regierung sieht vor, dass der Stromnetzbetreiber (also in diesem Fall Tennet) an den Windparkbetreiber 90 Prozent der entgangenen Vergütung aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz zahlen muss. „Aber wir wollen natürlich Erlöse aus produziertem Strom un

 

Ökofonds können der Finanzkrise kaum trotzen

Zurzeit Besitzer einer Solarworld-Aktie zu sein, macht gerade keinen Spaß: Der Kurswert dümpelt aktuell bei 1,15 Euro. Dabei kratzte sie zu Hochzeiten vor einigen Jahren schon einmal an der 50-Euro-Marke. Auch Solarworld hat mit den Überkapazitäten der Branche und dem Preisverfall zu kämpfen.

Erst vorgestern gaben die Bonner einen Verlust von 143 Millionen Euro vor Zinsen und Steuern für das erste Halbjahr 2012 bekannt. Auch der Ausblick ist alles andere als sonnig, man werde „im Geschäftsjahr 2012 aus heutiger Sicht kein positives EBIT erzielen“. (EBIT ist der Gewinn vor Zinsen und Steuern)

Oh je, kann man da nur sagen. Kein Trost ist es da, dass es anderen „Solaris“ nicht besser geht. Im Vergleich zum Vorjahr hat Deutschlands wichtigster Solaraktien-Index PPVX, der die 30 weltweit größten Solarfirmen abbildet, rund zwei Drittel an Wert eingebüßt.

Nun könnte man argumentieren: Ist doch kein Problem. Wer eine Solaraktie kauft, der tut doch sowieso nichts für die Energiewende. Schließlich sind die Aktien bereits im Handel, eine Solarworld bekommt durch den Aktienkauf nicht einen Cent mehr, um damit in die Energiewende zu investieren. Ähnlich bei Vestas, dem weltgrößten Windradhersteller. Wer eine Vestas-Aktie ersteht, der verschafft dem Unternehmen nicht höhere Mittel für den Ausbau der Windanlagenproduktion.

Das Problem ist, dass die mauen Kurse der Erneuerbare-Energien-Branche sich auch auf die Performance der nachhaltigen Anlagefonds insgesamt auswirken. Rund 115 Milliarden Euro haben Anleger im deutschsprachigen Raum hier im vergangenen Jahr investiert. Nach Angaben des Forums Nachhaltige Geldanlage machen Firmen aus dem Bereich erneuerbare Energien rund ein Viertel aus.

Früher galten nachhaltige Geldanlagen (und darunter verstehen viele Anleger ja vor allem auch Firmen aus dem Alternative-Energien-Bereich) als attraktiv, das Segment verzeichnete zweistellige Wachstumsraten. Nun eiert vor allem die deutsche Politik bei der Förderung und verunsichert Anleger. Entsprechend hat sich das Wachstum abgeschwächt, es lag 2011 bei rund fünf Prozent. In anderen Jahren waren es noch mehr als 15 Prozent. „Grüne Investmentfonds sind keine Selbstläufer“, so das Fachmagazin Ecoreporter und schreibt in der jüngsten Ausgabe:

„72 der nachhaltigen Aktienfonds, die länger als fünf Jahre am Markt sind, haben zweistellig an
Wert verloren. Sie bewegen sich damit übrigens auf einem ähnlich schwachen Niveau wie herkömmliche Aktienfonds.“

Fragt sich nur, wie sich die Ökofonds in Zukunft entwickeln werden. Manche Fondsmanager sind da ganz optimistisch und sagen: Wenn es schnell abwärts geht, kann es auch schnell wieder aufwärts gehen.

Na, mal sehen.