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Schokolade und Kinderarbeit

Ja, ich gestehe: Auch ich kann Schokolade nicht widerstehen, Favoriten sind sämliche Kombinationen mit Espressosplittern. Als ich allerdings die aktuelle Studie des Südwind-Instituts zur Wertschöpfungskette Schokolade durchgelesen habe, wurde mir doch ein bisschen anders. Detailliert hat die NGO einmal die Lieferantenkette im weltweiten Kakaohandel analysiert und aufgeschrieben, wer eigentlich die wichtigsten Player sind und wer wo profitiert. Es ist ein kleiner Krimi.

Mehr als 5,5 Millionen Kakaobauern leben weltweit zurzeit vom Anbau der Kakaopflanzen. Das größte Problem ist die Armut, denn die Erlöse aus dem Verkauf reichen in der Regel kaum aus, die Familien dauerhaft zu ernähren. Ein ausführliches Kapitel widmet der Bericht daher dem Thema Kinderarbeit.

Südwind zitiert eine Studie aus dem Jahr 2009, nach der allein in der Elfenbeinküste mehr als 260.000 Kinder in der Kakaobranche arbeiten – und zwar unter Umständen, die internationalen Konventionen gegen Kinderarbeit widersprechen. Südwind schreibt:

„Immer wieder gibt es Berichte, dass aus den Nachbarländern Mali und Burkina Faso Kinder an Kakaobauern in der Elfenbeinküste verkauft werden. Genaue Zahlen liegen nicht vor, doch vermutlich arbeiten viele Tausend Kinder unter sklavenähnlichen Bedingungen auf den Kakaoplantagen.“

Südwind zieht aus der Studie die Forderung nach höheren Preisen für die Kakaobauern. Weil der Kostenanteil des Kakaos an der Schokolade so gering ist, seien höhere Preise für die Kakaobauern leicht umzusetzen und würden kaum Preissteigerungen für die Kunden (also für mich) nach sich ziehen:

„Die Analyse belegt, dass eine Verbesserung der Situation in den Kakaogebieten nur zu sehr geringen Preiserhöhungen in der Produktionskette führen würde. Eine durchschnittliche Tafel Vollmilchschokolade enthält lediglich Kakao im Wert von rund sechs Cent, und bei den derzeitigen Zertifizierungsansätzen liegt der Aufpreis für Schokolade aus nachhaltiger Produktion derzeit bei rund einem Cent pro Tafel.“

Nun könnte man sagen: Ja, wie schön, ist aber alles weit weg. Doch es gibt dazu ganz aktuelle Entwicklungen in Deutschland. Mitte Juni wird sich in Deutschland das Forum nachhaltiger Kakao gründen, mit dem Ziel, den Anteil nachhaltig produzierten Kakaos in Schokolade zu steigern. Selbst Unternehmen wie Rewe, Mars und der Bundesverband der Süßwarenindustrie sowie die zuständigen Fachministerien machen mit.

Es könnte der erste Schritt zu fair gehandelter Schokolade für die Masse sein.

 

Zwist um Ökosiegel für Zuchtfisch

Der WWF hat ein neues Siegel für Fische aus Unterwasserfarmen entwickelt, das Aquaculture Stewardship Council (ASC). Es soll nachhaltige Fischzucht auszeichnen. Bereits jetzt gibt es das Marine Stewardship Council (MSC), das auf vielen Fischverpackungen im Supermarkt klebt. Es gilt jedoch nur für Meeresfisch. Die Supermärkte drängen auf das zweite Zeichen, denn die einst als blaue Revolution gepriesene Aquakultur ist in Verruf geraten.

Umweltschützer monieren allerdings, das Zeichen des WWF tauge wenig. Statt eherner Vorgaben gebe es wachsweiche Empfehlungen, damit möglichst viel Zuchtfisch als nachhaltig geadelt werden könne.

Zugleich steht fest, dass sich der Verbraucher sich klare und einfache Siegel an Produkten wünscht, um eine gute Entscheidung fällen zu können. Und Fisch steht inzwischen häufig auf dem Speiseplan. Das geben die Meere aber nicht her. Egal wie viel Kabeljau, Lachs oder Shrimps gefangen wird, es ist zu wenig, um den wachsenden Appetit zu stillen. Der Verzehr ist mit rund 17 Kilogramm pro Kopf so hoch wie nie zuvor, wie aus dem aktuellen Weltfischereibericht hervorgeht. Fast die Hälfte davon kommt bereits aus Fischzucht. Aquakulturen müssen zunehmend den Bedarf decken, da die Fischbestände nach Jahrzehnten der Überfischung in einem beklagenswerten Zustand sind.

Zuletzt nahm die Produktionsmenge jährlich um rund sieben Prozent zu. Die Versprechung der Aquakultur ist verlockend: Statt Fische zu fangen, könne man sie züchten und ihre Artgenossen im Meer in Ruhe lassen. Das zweifeln Naturschützer aber bereits seit langem an. Aquakultur sei keine Lösung, sondern eher ein Grund für die Überfischung. Für die Mast der Fische braucht man Futter. Und das werde aus Wildfisch hergestellt. Für ein Kilo Lachs werden bis zu fünf Kilo wild gefangener Fisch verfüttert. Weitere Kritik: Typisch sei die Zerstörung küstennaher Lebensräume wie Mangrovenwälder etwa für Shrimpszuchten, das Fangen von wildem Jungfisch, um die Farmen aufzufüllen oder der Eintrag von Chemikalien und Antibiotika aus den Käfigen, Bassins und Netzen ins Meer.

„Aquakultur ist nur dann eine Alternative zu Wildfisch, wenn sie umweltfreundlich betrieben wird“, bestätigt WWF-Fischereiexpertin Heike Vesper. Deshalb habe der WWF das neue Zeichen speziell für Zuchtfisch angeschoben. Unterstützt wird der ASC von Handelskonzernen wie Metro oder Edeka. ASC-Fische sollen demnächst in jedem namhaften Supermarkt zu finden sein.

Inzwischen liegen die ersten Standards für Pangasius und Tilapia vor, zwei der mengenmäßig bedeutsamsten Zuchtfische. In Deutschland zählt der billige, weiße Pangasius zu den Top Fünf der beliebtesten Speisefische. Die Regeln für Lachs, Shrimps und Forelle folgen Mitte des Jahres. Parallel wird ein Logo entwickelt.

Aber wie hoch ist die Messlatte, die der ASC an sein Zeichen anlegt? Vom WWF als starker Stimme im Naturschutz erwarten die Verbraucher zu Recht viel. An der Güte der WWF-Wimpels entzündet sich aber momentan Streit.

Naturland, die ein eigenes Bio-Siegel für Aquakultur verwenden, bemängeln, dass die Umweltstandards zu niedrig seien und wichtige Fragen wie die Besatzdichte, also die Intensität des Farmens, nicht geregelt seien. „Wenn zu viele Fische auf zu dichtem Raum gehalten und gemästet werden, ähnelt das der Käfighaltung von Hühnern“, sagt Naturland-Fischexperte Stefan Bergleiter. Dafür sollte es kein Prädikat geben. Allzu lax geregelt sei auch, was gefüttert werde und mit welchen Medikamenten die Fische behandelt werden dürften. All das wird bei den Ökozuchten von Naturland definitiv schärfer gehandhabt.

Auch Greenpeace lässt kein gutes Haar an der WWF-Plakette. Das Siegel werde analog zum MSC schon im Planungsprozess vergeben, obwohl die Fischerei noch gar nicht nachhaltig sei. „Das ist so, als würde jemand schon als schlank bezeichnet, obwohl er noch 25 Kilo Übergewicht hat“, kritisiert Thilo Maack von Greenpeace. Vorschusslorbeeren seien in einem derart veritablen Wirtschaftszweig, wo es um sehr viel Geld gehe, keine gute Idee.

WWF-Fischexpertin Heike Vesper bestreitet, dass das Siegel vergeben wird, bevor alle Umweltauflagen umgesetzt seien. Und auch Besatzdichten seien festgelegt. Sie gesteht allerdings zu, dass für den ASC Kompromisse gemacht worden seien. Und natürlich sei Bio immer besser. Aber davon sei einfach zu wenig da.

Der Handel diskutiert zur Zeit, ob man nicht selber nachlegen solle und Nachbesserungen fordern als sich für einen wachsweichen Standard prügeln zu lassen. Auf die Händler, die Umweltstandards für Fisch nach oben nachjustieren wollten, wartet der WWF nach eigenen Angaben gerne.

 

Eine Portion Risiko, bitte!

Trotz aller Qualitätssiegel, Reinheitsgarantien und Nährwert-Angaben gehen die Verbraucher davon aus, dass ihr Essen Risiken bergen kann. Das belegt das aktuell veröffentlichte Eurobarometer 2010. Die Studie listet akribisch auf, worüber Verbraucher in 27 Ländern sich beim Essen sorgen. Befragt wurden knapp 27.000 Personen, die die Sichtweise von 500 Millionen europäischen Konsumenten repräsentieren.

Jeder dritte Europäer ist„sehr beunruhigt“ über Pestizide in Obst und Gemüse, Rückstände von Tierarzneien wie Antibiotika in Fleisch oder Schadstoffe wie Quecksilber in Fisch. Addiert man diejenigen dazu, die immerhin  noch „ziemlich beunruhigt“ sind, misstrauen schon sieben von zehn Europäer dem Angebot im Supermarkt.

Im Bewusstsein der Verbraucher sehr präsent sind vor allem Pestizide, die eher ein langfristiges Gesundheitsrisiko darstellen. Weitaus weniger sorgen sich die Europäer um akute Risiken wie Allergien oder bakterielle
Infektionen wie Salmonellen in Eiern. Die BSE-Angst – beim letzten Eurobarometer 2005 noch ein Spitzenreiter – ist völlig abgeflaut.

Zugelegt haben die Bedenken über krude Aromenmixturen, Farbstoffe, Konservierungsmittel und andere Zusätze in moderner Industriekost (25 Prozent, plus drei Prozent). Noch nicht angekommen in den Köpfen scheinen dagegen die neuen Risiken wie der Einsatz der Nanotechnik in Lebensmitteln oder scheinbar Unspektakuläres wie Gifte, die in Verpackungen stecken. Man mag also darüber streiten, wie versiert die Verbraucher die Risiken ihres Speisezettels einschätzen.

Wer erwartet hat, dass die Esser sich um ihr Gewicht sorgen, irrt. Kaum etwas beunruhigte die Befragten weniger als mögliche Dickmacher.

Europaweit am entspanntesten sehen die Menschen in Finnland ihre Nahrung (3 Prozent), dicht gefolgt von den Dänen (5 Prozent). Sympathisch ist, dass die Befragten sich nicht nur um ihr eigenes Wohlergehen sorgen, sondern auch um das der Tiere, die sie essen. Artgerechte Tierhaltung ist vor allem den Frauen wichtig.

Ein reduziertes Verbraucherbild, was davon ausgeht, dass die Esser sich nur für Fett, Salz und Zucker interessieren, ist offenbar überholt. Das ist eine Botschaft, die auch den Nahrungsmittelkonzernen zu denken geben sollte.