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Co2-Handel: Österreich kauft sich günstig frei

Die Preise für Emissionszertifkate dümpeln ja schon seit Monaten auf einem extrem niedrigen Niveau, gerade einmal etwa sechs Euro kostet zurzeit die Tonne CO2, erst vergangene Woche ist der Preis wieder in den Keller gerauscht. Mit weitreichenden Folgen: Mit so niedrigen Preisen sinkt der Anreiz, in Klimaschutzaktivitäten zu investieren. Die EU will den Emissionshandel wieder beleben, eine Idee wäre es, die Zahl der Verschmutzungszertifikate zu verknappen und so den Preis hochzutreiben.

Den österreichischen Umweltschutzminister ficht das Problem dagegen offenbar nicht an. Im Gegenteil, geradezu bauernschlau klingt seine Einschätzung: Ist doch super, so ein niedriger CO2-Preis, da kann Österreich schön günstig Zertifikate zukaufen:

„Vor einem Jahr wurden die Kosten der Zertifikate für Österreich auf 600 Millionen Euro, sogar bis zu einer Milliarde Euro geschätzt. Wenn wir heute Geld in die Hand nehmen, sparen wir gut 440 Millionen Euro. Das nutzt dem Budget und dem Klima“, erläutert Berlakovich.

Österreich hat tatsächlich ein Problem: Das Land hat sein CO2-Budget überfordert. 6,2 Millionen Tonnen CO2 muss es zukaufen, um die Klimaschutzziele zu erfüllen und um Strafzahlungen zu entgehen. Das ist natürlich jetzt gerade billiger als vor einem Jahr, als der CO2-Preis noch etwas höher war.

Allerdings ist Berlakovichs Rechnung wohl eher eine Milchmädchen-Rechnung. Zwar sparen die österreichischen Steuerzahler vielleicht Millionen ein. Aber smarter wäre es wohl, das Geld in Klimaschutzmaßnahmen zu Hause zu investieren und so die heimische Wirtschaft anzukurbeln.

Natürlich, dem Klima ist egal, ob die Tonne CO2 nun in Österreich oder auf einer indonesischen Müllkippe durch ein Klimaschutzprojekt eingespart wurde. Aber so vergibt sich Österreich die Chance, selbst von Klimaschutzmaßnahmen zu profitieren. Einmal davon abgesehen, dass der niedrige CO2-Preis niemandem hilft: Nur wenn es ein klares und eindeutiges CO2-Preissignal gibt, rechnen sich Investitionen in erneuerbare Energien und  CO2-ärmere, effiziente Gaskraftwerke. Erst kürzlich sprach sich daher auch Eon-Chef Teyssen für eine Stärkung des europäischen Zertifikatshandels aus. Das sollte Herrn Berlakovich zu denken geben.

 

Rohstoffhunger: Land Grabbing nimmt weltweit zu

Kohlemine in Jharia/Indien, Februar 2012. Copyright: Daniel Berehulak /Getty Images
Kohlemine in Jharia/Indien, Februar 2012. Mehr als 2300 Familien wurde für die Mine umgesiedelt. Ihnen seien Schulen und Krankenhäusern zugesagt worden, bislang sei aber nichts passiert, sagen die Anwohner. Copyright: Daniel Berehulak /Getty Images

Wenn ich das Thema Land Grabbing höre (was sich wohl am besten mit unerlaubter Landnahme übersetzen lässt), denke ich ja erst einmal an südamerikanische Bauern, die für riesige Sojaplantagen weichen mussten. Oder an Afrika, wo Menschen für neue Kohleminen vertrieben werden. Im kolumbianischen Amazonasgebiet wird nach Gold geschürft, in Indien nach Kohle und Bauxit. Alles weit weg. Heute morgen kam mir nun ein Report von Umwelt- und Menschenrechtsgruppen unter: Opening Pandoras Box – The New Wave of Land Grabbing by the Extractive Industries and the Devasting Impact on Earth.

Die Gaia Foundation, eine NGO aus London, die unter anderem von der indischen Menschenrechtlerin Vandana Shiva unterstützt wird, macht darin deutlich, dass Land Grabbing schon lange nicht mehr ein Phänomen nur in ärmeren Staaten ist. Ob Mountain Top Removal in den USA, die riesigen Mondlandschaften des Teersand-Abbaus in Kanada, das Fracking in Europa: Die Suche nach Rohstoffen findet inzwischen direkt vor unserer Haustür statt – mit dramatischen Folgen für die betroffenen Menschen, für Umwelt, Wasser und Klima.

„We are no longer talking about isolated pockets of destruction and pollution. Nowadays, chances are that, no matter where you live on Earth, land acquisitions for mining, oil and gas might soon be at your door. This trend is now a major driver of land grabbing globally, and poses a significant threat to the world’s indigenous communities, farmers and local food production systems, as well as to precious water, forests, biodiversity, critical ecosystems and climate change.“

Es sind vor allem die steigenden Rohstoffpreise, die diese Entwicklung befeuern. Dahinter steckt einfach die steigende Nachfrage nach entsprechenden Produkten. Das zeigen vor allem auch die zahlreichen, auch deutschen Initiativen zur Sicherung von Rohstoffen, die Regierungen weltweit auflegen. Erst gestern stellte die Bundesregierung ja auch ein Ressourceneffizienzprogramm vor, um effizienter mit Rohstoffen umzugehen.

Der weltweite Trend allerdings geht zurzeit noch in eine andere Richtung. Die weltweite Eisenerz-Produktion wurde, so die Studie, in den vergangenen zehn Jahren um 180 Prozent gesteigert. Gerade die Nachfrage nach den Seltenen Erden –  die ja auch für die grünen Technologien wie Solarzellen und Windräder so wichtig sind – hat zugenommen (spannend das Kapitel Green Energy dazu in der Studie ab Seite 45).

Ganz einmal abgesehen von den Menschenrechtsverletzungen, die durch den Rohstoffabbau stattfinden: Die weltweite Branche hat ein riesiges Abfallproblem. Jährlich würden, so das Mining Journal, rund 50 Milliarden Tonnen Erde beim Abbau von Eisenerz, Kohle, Industriemetallen und anderen Rohstoffen bewegt (Seite 34). 21 Milliarden Tonnen, also knapp die Hälfte, fallen einfach als Abraum an – ungenutzt.

Was also tun? Die Studienmacher fordern ein Globales Moratorium für neue Abbauprojekte. Minen, die bereits in Betrieb sind, sollten auf ihre Umweltauswirkungen untersucht werden. Es sollte No-Go-Areas geben, wo der Rohstoffabbau tabu ist, darunter etwa alle UNESCO-Schutzgebiete. Und es sollte ein Veto-Recht für die lokale Bevölkerung bei Abbauplänen geben.

 

Werbekampagne zu Kohlekraftwerken kostet mehr als eine Million Euro

Das Bundeswirtschaftsministerium gibt für die aktuelle Werbekampagne „Kraftwerke? Ja bitte“ und „Stromnetze? Ja bitte“ mehr als eine Million Euro aus. Das hat das Ministerium auf Nachfrage des Grünen-Abgeordneten Oliver Krischer mitgeteilt. In fast allen wichtigen, überregionalen Print-Medien wurden Anzeigen geschaltet, dazu kommen Plakate für Außenwerbung und Online-Werbebanner. Nur die ZEIT und ZEIT ONLINE blieben von der Kampagne „verschont“  (warum eigentlich?).

Über das Kraftwerksförderprogramm hatte ich ja bereits berichtet. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler will neue Kohlekraftwerke finanziell fördern. Doch die EU-Kommission funkt ihm dazwischen und verlangt, dass nur CCS-Kraftwerke (Abscheidung und Verpressung von CO2) unterstützt werden dürfen. Bleibt die EU-Kommission bei ihrer CCS-Klausel, dann steht das Förderprogramm wohl vor dem Aus. Und entsprechend war dann auch wohl die schicke Kraftwerks-Werbekampagne umsonst.

Ärgerlich! Eine Million Euro, die man sicherlich besser in den Ausbau der erneuerbaren Energien stecken könnte. Oder meinetwegen in die Speicherforschung. Oder in den Abbau der Atomkraftwerke. Und und und…

 

 

Oettinger will kein Atompapst sein – lieber schon ein Ökopapst

Ein Bericht der Süddeutschen Zeitung sorgt heute für Aufregung in der deutschen Ökobranche. Demnach ignoriere Brüssel – konkret: EU-Energiekommissar Günther Oettinger – den deutschen Atomausstieg und befürworte den Bau neuer Atomkraftwerke. Gleich von 40 neuen Meilern  bis 2030 ist die Rede. Und selbst ein „Atom-EEG“, also eine Umlagefinanzierung zum Ausbau der Atomkraft, werde diskutiert.

Diesem Eindruck widerspricht nun Oettinger vehement. Wie er heute morgen Financial Times Deutschland Online erklärte, sei die Kommission technologieneutral und setze sich nicht für den Ausbau der Atomkraft ein. „Wir halten weder an der Atomkraft fest, noch befürworten wir den Neubau von Atomkraftwerken“, sagte er  FTD.de. Die Erneuerbaren müssten die wichtigste Säule im Energiemix 2050 sein.

Die EU-Kommission will kommende Woche ihre Roadmap 2050 für den Bereich Energiepolitik vorstellen. Darin präsentiert sie Szenarien, wie der Energiemix im Jahr 2050 aussehen könnte. Von einem ambitionierten Ökostrom-Szenario über CCS und Atomkraft wird alles einmal durchgerechnet. 40 Atomkraftwerke tauchen aber laut Kennern nicht in dem Bericht auf.

Und selbst wenn: Es würde keine große Rolle spielen. Denn Brüssel kann natürlich die Nationalstaaten nicht zum Ausbau der Atomkraft zwingen (genauso wenig wie Brüssel sie zum Atomausstieg auffordern kann). Energiepolitik liegt immer noch in der Hand der Nationalstaaten. Sicher, diese müssen die EU-Ziele erreichen (eine Reduzierung der CO2-Emissionen bis 2050 um mehr als 80 Prozent). Wie sie dies aber machen, das entscheiden die Mitgliedsstaaten selbst.

 

Vattenfall zögert bei CCS-Prestigeprojekt

An diesem Freitag wird der Bundesrat über das umstrittene CCS-Gesetz abstimmen. CCS steht für Carbon Capture and Storage – also die Abscheidung des Klimagases in Kraftwerken und anschließende Speicherung. CCS ist schwer umstritten, für die einen ist es eine pragmatische Lösung, um den Klimawandel in Griff zu bekommen, für die anderen nur ein Instrument, um Kohlekraftwerke weiterhin am Laufen zu halten.

Anfang Juli hatten Union und FDP das CCS-Gesetz, das den Einsatz der Technologie regelt, im Bundestag verabschiedet. Nach jahrelangem Gezerre mit den Bundesländern enthält es nun eine Länderklausel, die extrem umstritten ist. Die Bundesländer haben das Recht, auf ihrem Terrain CCS abzulehnen. Wegen heftiger Bürgerproteste haben Niedersachsen und Schleswig-Holstein dies bereits angekündigt.

Es ist eine argumentative Falle für CCS-Befürworter wie etwa Brandenburg. Denn was soll die dortige rot-rote Regierung unter Matthias Platzeck (SPD) ihren Wählern sagen: Schleswig-Holstein und Niedersachen sorgen sich mehr um das Wohl ihrer Bürger als Brandenburg? Aller Vorraussicht nach wird das Gesetz morgen im Bundesrat wohl abgelehnt und der Vermittlungsausschuss angerufen.

Für Vattenfall geht es am morgen Freitag um viel Geld – um mehr als 1,5 Milliarden Euro. Diese Summe will der Stromkonzern in ein Pilotprojekt am Braunkohlekraftwerk Jänschwalde investieren. Zwar dementierte Vattenfall heute auf Nachfrage von ZEIT ONLINE einen Bericht, nach dem man das CCS-Projekt absage. Allerdings hatte das Unternehmen bereits im Juli gewarnt, dass es unter den aktuellen Bedingungen des Gesetzes die Technologie nicht weiterverfolgen könne. Als einzige Unternehmen in Deutschland plant Vattenfall eine CCS-Pilotanlage im großen Stil. RWE hatte seine Pläne bereits vor Jahren aufgegeben.

Der Streit um CCS ist ein Streit um Fördermittel, Bürgerproteste und die Möglichkeiten der Landespolitik. Der Streit um CCS ist aber auch ein Ausblick, was uns in Zeiten des Klimawandels und der Energiewende noch alles erwarten wird.  Stromnetzausbau, Speicherbau, Energieeffizienz: Das alles sind Themen, die ebenfalls nicht konflikfrei über die Bühne gehen werden. Es wird Zeit, dass wir uns eine gescheite politische Streitkultur zulegen.

 

US-Windmarkt bricht ein

Na, das sind enttäuschende Zahlen aus den USA. Wie das amerikanische Energieministerium meldet, wuchs die neu installierte Windkraft-Kapazität im vergangenen Jahr um nur 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Im Jahr 2009 konnte die Windbranche noch ein jährliches Plus von 42 Prozent verzeichnen. Die American Wind Energy Association reagiert entsprechend verknirscht:

„The U.S. Department of Energy (DOE) recently released the numbers for wind energy in 2010, and to be honest, they’re a little disappointing.

US-Windkraftmarkt. Copyright: DoE, 2010 Wind Technologies Market Report
US-Windkraftmarkt. Copyright: DoE, 2010 Wind Technologies Market Report

Die Gründe für das Schwächeln liegen auf der Hand: Die weltweite Wirtschaftskrise machte auch vor der amerikanischen Windbranche nicht Halt. Zudem droht ein Investitionsanreiz für die Produktion von Windstrom Ende kommenden Jahres auszulaufen, das lässt die Windmacher zögern. Die Preiskonkurrenz von konventionellen Energien ist enorm, gerade Strom aus Gaskraftwerken ist spottbillig.

Allerdings muss man die Zahlen ein wenig relativieren. Denn noch immer wächst der Markt, wenn auch nicht mehr so stark wie in den Jahren zuvor. Weltweit sind die USA nach China der zweitgrößte Windenergiemarkt.

Was Sorgen macht: In früheren Jahren schaffte Windenergie es auf Platz 2 (nach Gas), vergleicht man die Stromquellen, die jährlich neu ans Netz gingen. Im vergangenen Jahr musste sich Windkraft mit Platz 3 zufrieden geben. Der Grund: Kohle ist wieder im Kommen. Rund 6.000 Megawatt Kohlekraftwerks-Kapazität gingen 2010 ans Netz. Windenergie kam dagegen auf 5.113 Megawatt.

Update 14:56 Uhr: Herzlichen Dank an „Quartzel“ für die Ergänzungen. Wie die AWEA hier berichtet, verlief das erste Quartal 2011 wieder positiver. In diesem Zeitraum gingen 1100 Megawatt neu ans Netz, etwa doppelt so viel wie noch im Quartal des Vorjahres.

 

EU: viel Cash für Atom, wenig für Erneuerbare

Vor kurzem hat die Arbeitsgruppe Umwelt des EU-Parlaments eine interessante Studie zum Thema „Umweltschädigende Subventionen“ veröffentlicht: „EU subsidies for polluting and unsustainable practices„. Eine deutsche Zusammenfassung gibt es auf den Seiten des Ecologic Institutes aus Berlin. Untersucht wurden die EU-Ausgaben in den Bereichen Landwirtschaft, Strukturpolitik, Verkehr und Energie sowie Fischerei.

Auch wenn der Tonfall zurückhaltend ist, inhaltlich ist die Bilanz verheerend (das hat man auch geahnt). Damit die EU ihre selbst gesteckten Ziele der 2020-Strategie erreicht und einen nachhaltigen, sprich: klima-und umweltfreundlichen, Haushalt vorlegt, muss sie noch „viel tun.“

Spannend sind etwa die Haushaltsposten im Bereich Verkehr und Energie. Was Umweltschützer immer wieder kritisieren, wird in der Studie mit Zahlen unterlegt: Europa hat viel übrig für Atomenergie, wenig für Erneuerbare Energien. Der Haushaltsplan der EU sieht für das Jahr 2011 im Bereich Energie Ausgaben von insgesamt 2,9 Milliarden Euro vor (u.a. für Forschungsprojekte oder lokale Initiativen). Diese teilen sich wie folgt auf:

„Fusionsenergie hat einen Anteil von 14 Prozent, Forschung im Bereich Energie unter verschiedenen Titeln einen Anteil von 12 Prozent Kernenergie unter verschiedenen Titeln einen Anteil von 12 Prozent und konventionelle und erneuerbare Energien kommen auf 4 Prozent.“

Die Ausgaben für eindeutig nachhaltige Energieformen (u.a. für Solar und Wind) machen also nur einen geringen Anteil des Haushaltsposten aus. Gerade die Milliarden für den Fusionsreaktor sind absurd, da klar ist, dass er vor 2050  kaum realisiert werden kann – für den Klimaschutz ist er also erst einmal keine große Hilfe. Die Empfehlungen der Autoren sind eindeutig:

„Investments on environmentally friendly-agriculture, energy and resource efficiency, renewable energies, sustainable mobility, eco-friendly technologies, etc. could improve competitiveness and increase employment in sectors that are considered to be crucial in the short, mid and long term.“

Leider konkretisieren die Autoren nicht, wie viele Arbeitsplätze sich durch eine „grünere“ EU-Haushaltspolitik schaffen ließen (nun gut, das war auch nicht ihre Aufgabe). Aber klar ist: Die EU wird ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht.

 

Energiewende konkret: Die Pläne der Bundesregierung

Gleich sechs Gesetzesvorhaben will die Regierung noch vor der Sommerpause auf den Weg bringen – na, dann mal ran! Hier ein guter Überblick von dpa:

Norbert Röttgen muss sich erst einmal von seinem Staatssekretär einen Zettel reichen lassen. Aus dem Stegreif kann auch der sonst so informationssichere Umweltminister nicht aufzählen, was da alles im Rahmen des Energiepakets am 6. Juni an Gesetzen vom Bundeskabinett auf den Weg gebracht werden soll.

«Die größte Überraschung», setzt er schmunzelnd an, sei sicher, dass ein neues Atomgesetz kommt. Dann folgt in seiner Aufzählung ein Netzausbaubeschleunigungsgesetz, eine Reform des erst kürzlich angepassten Energiewirtschaftsgesetzes, ein neues Baugesetzbuch, eine Reform des Ökoenergiefonds, Neuerungen zur Kraft-Wärme-Koppelung und Eckpunkte für eine Überarbeitung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes.

Und wäre das nicht genug, könnte auch die Mietrechtsreform von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) in das Energiepaket aufgenommen werden. Das ist aber eher unrealistisch. Denn es ist umstritten, dass Mieter in der Zeit energetischer Gebäudesanierung für drei Monate keine Mietminderungen mehr geltend machen können, der Mieterbund geht dagegen auf die Barrikaden.

«Fast alles, was mit dem beschleunigten Ausbau regenerativer Energien zu tun hat, hat räumliche Auswirkungen. Das betrifft also das Planungs- und Baurecht», sagt Bauminister Peter Ramsauer (CSU). «Deswegen ziehen wir die Aspekte, die diesem Ziel dienen, aus der derzeit laufenden Novelle des Bauplanungsrechts vor.»

Der Grünen-Abgeordnete Oliver Krischer warnt vor unausgegorenen Reformen und verweist auf das Gesetz zur unterirdischen Speicherung des Klimakillers Kohlendioxid. Dieses war zur Begleitung der Energiewende von der Regierung verabschiedet worden und beinhaltet wegen des Widerstands im Norden nun eine Länderausstiegsklausel. So können CO2-Speicherstätten torpediert werden. Zu diesem Gesetz sind wegen offener Fragen und strittiger Punkte über 50 Änderungsanträge im Bundesrat eingegangen, berichtet Krischer.

«Ich kann mich nicht erinnern, dass in einem solchen Tempo schon mal so ein Gesetzespaket auf den Weg gebracht worden ist», sagt Krischer. Doch ob die Länder überall mitspielen? Beim Netzausbau sollen sie einer Bundesfachplanung zustimmen. «Damit entmachten sich die Länder ja selbst», sagt Verbraucherschützer Holger Krawinkel. Und Bayerns Umweltminister Markus Söder (CSU) betont, es könne nicht nur um Offshore-Windkraft gehen. Bayern will nicht abhängig werden von Energielieferungen von der norddeutschen Küste und setzt daher auf heimische Energie aus Biogasanlagen seiner Landwirte, sowie auf Sonnenstrom und Windräder in heimischen Gefilden.

Was ist nun geplant? Ramsauer und Röttgen wollen einheitliche Kriterien für die Ausweisung von geeigneten Flächen für Windkraftanlagen in allen Bundesländern. Das Planungsrecht soll dafür angepasst und ein Leitfaden für die Kommunen vorlegt werden. Geplant ist der Austausch älterer Windräder durch neuere, leistungsstärkere. Zudem wird es um die künftigen Vergütungen gehen. Zum Ausbau der Anlagen auf See wurde beschlossen, Genehmigungsverfahren beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie zu bündeln. Bisher mussten bei unterschiedlichen Behörden in zeitraubenden Verfahren Genehmigungen besorgt werden.

Hermann Albers, Präsident des Bundesverbandes Windenergie, betont, dass bei den Gesetzen das Prinzip Qualität vor Zeit gelten sollte. «Am Ende muss ein Gesetz stehen, das den Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreibt und so einen schnellen Ausstieg aus der Atomenergieenergie Dass der Bundesumweltminister jetzt eine Kürzung der Vergütung für Windenergie an Land vornehmen will, steht diesem Ziel entgegen», sagt Albers.

Auch beim Thema Biomasse will die Regierung neue Pflöcke einschlagen, etwa durch eine Begrenzung der Maismenge, die verwendet werden darf, um eine «Vermaisung» der Landwirtschaft und steigende Lebensmittelpreise zu verhindern. Und dann ist da noch ein Problem, das auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Sorgen macht. Da wohl mehrere der 17 Meiler sofort stillgelegt und die Laufzeiten verkürzt werden, könnten Milliarden der AKW-Betreiber im Ökoenergiefonds und bei der Brennelementesteuer fehlen.

Daher muss auch hier ein neues Gesetz her, die Neuverhandlung der Zahlungen dürfte für die Regierung zu einer besonders komplizierten Operation werden. In Koalitionskreisen wird es für wahrscheinlich gehalten, dass die Atomsteuer wegen des Atomausstiegs gekippt wird, was Schäubles Sparziele über den Haufen werfen könnte. «Bei der Energiewende hängt alles mit allem zusammen», seufzt ein Koalitionär ermöglicht. Dass der Bundesumweltminister jetzt eine Kürzung der Vergütung für Wind an Land vornehmen will, steht diesem Ziel entgegen», sagt Albers.

 

Neue Zahlen zum Solarboom

Ich gestehe:  Auch ich verirre mich eher selten auf den Internetseiten der Bundesnetzagentur. Dabei hat die Bonner Behörde durchaus Spannendes aus der Grünen Geschäfte-Welt zu berichten. Heute veröffentlichte sie jüngste Zahlen zum Solarboom in Deutschland. Im vergangenen Jahr gingen demnach doppelt so viele neue Solaranlagen ins Netz wie noch 2009. Insgesamt wurden 7400 Megawatt Nennleistung neu installiert – das entspricht theoretisch (!) der Leistung von – grob gesagt – drei Atomkraftwerken.

Gerade die angekündigte Kürzung der EEG-Umlage sorgte für einen Run auf Solaranlagen – viele Solarfirmen verzeichneten ein kräftiges Umsatzplus.

Von dem Atomunglück in Japan profitieren sie übrigens auch. Egal, ob Solarworld, Q-Cells oder Solon: Sie alle legten vergangene Woche kräftige Kurssprünge hin, teilweise um mehr als 60 Prozent. Schließlich spekulieren Anleger darauf, dass Ökostrom-Unternehmen von einer politischen Energiewende weltweit profitieren werden.

Ob das allerdings tatsächlich so kommt, ist Kaffeesatzleserei. Denn statt radikal in den Ausbau regenerativer Energien zu investieren, könnten viele Regierungen auch einfach versucht sein, auf Kohle zu setzen.

 

Maue Klimaschutz-Ziele von Rot-Grün in NRW

Lang hat´s gedauert, bis die neue Regierungskoalition in Nordrhein-Westfalen feststand. Nun ist es Rot-Grün geworden – und sie prescht gleich mit einem erst einmal lobenswerten Projekt voran. Der gestern vorgestellte Koalitionsvertrag sieht sogar auf Seite 13 ein Klimaschutzgesetz für den Westen vor.

„Als zentrales Element für die Neuausrichtung der Klimaschutz- und Energiepolitik in NRW werden wir ein Klimaschutzgesetz verabschieden, in dem verbindliche Klimaschutzziele für NRW festgelegt werden.“

Das ist doch mal eine Ansage. NRW wäre nach Hamburg das zweite Bundesland, das ein solches Gesetz initiert – auf Bundesebene gibt es noch keins. Dass gerade NRW sich verbindliche CO2-Ziele setzen will, macht Sinn. Schließlich ist es für etwa ein Drittel der CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich.

Doch schaut man sich die Reduktionsziele der neuen Landesregierung an, dann klingen sie äußerst unambitioniert. Bis zum Jahr 2020 will NRW seine CO2-Emissionen um 25 Prozent im Vergleich zu 1990 mindern. Das ist zwar fünf Prozentpunkte ehrgeiziger als Brüssel (EU-Ziel: 20 Prozent bis 2020), aber im Vergleich zur schwarz-gelben Bundesregierung ganz schön lax: Die hat sich auf Bundesebene nämlich eine Reduzierung um 40 Prozent bis zum Jahr 2020 vorgenommen.

Rot-Grün bedeutet außerdem auch kein Aufatmen für die Kohlekraftwerksgegner. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu:

„Die Landesregierung selbst baut keine neuen Kraftwerke und reißt auch keine begonnenen Projekte ab.“

Ganz schön smart formuliert, denn natürlich baut die Landesregierung selbst keine Kraftwerke – dafür aber private Investoren. Da das Energieministerium in fester Hand der SPD sein wird, gibt es also kein klares Nein zum Neubau von Kohlekraftwerken. Wie das Handelsblatt berichtet, setze sich die neue Ministerpräsidentin Hannelore Kraft „seit langem persönlich dafür ein, den Steinkohlebergbau über 2018 hinaus zu erhalten.“

Umwelt- und Klimaschützer sind trotzdem ganz angetan von der neuen Regierung. Ob Deutsche Umwelthilfe, Nabu oder Bund: Sie alle loben in einer aktuellen Pressemiteilung den Koalitionsvertrag.