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Öko-Institut: Import von Atomstrom ist nichts Neues

Gestern sorgte ja die Meldung für Furore, dass Deutschland seit dem Moratorium Atomstrom aus Frankreich importieren muss. Gerade auch hier im Blog wurde das ja kontrovers diskutiert.  Das Öko-Institut hat sich nun die Mühe gemacht und Deutschlands Import-Export-Bilanz aus den Jahren 2007 bis 2011 für die Monate März und April verglichen. Und siehe da, die Energieexperten kommen zu einem interessanten Fazit:

„Die Schlussfolgerung, dass ein Verzicht auf die Kernenergie notwendigerweise zu einer massiven Ausweitung der Stromimporte, und dazu aus Kernkraftwerken im Ausland führen muss, kann aus den Entwicklungen der letzten Tage und Wochen nicht belastbar gezogen werden.“

Gerade die Importe aus Frankreich und Tschechien sind ja umstritten, weil dort der Atomstromanteil besonders hoch ist. Deutsche Energieversorger haben allerdings auch in den vergangenen Jahren ähnliche Mengen französischen und tschechischen Strom eingekauft. Und inzwischen sinkt sogar bereits der Stromimport aus Tschechien.

„Das Niveau der Stromimporte aus Frankreich und Tschechien seit Verkündung des Kernenergie-Moratoriums ist jedoch im langjährigen Vergleich noch keineswegs exzeptionell, in Vorjahren wurden im März und April durchaus ähnliche oder höhere Niveaus für die Stromimporte aus den beiden genannten Ländern gemessen.“

Unter’m Strich bedeutet das: Deutschland importiert zurzeit vielleicht mehr Atomstrom – dass dies allerdings wegen des Atommoratoriums passiert, ist schwer zu belegen. Viel wichtiger ist: Es gibt keine Stromlücke (was ja die Atomstrom-Meldung intonierte). Selbst wenn Deutschland plötzlich keinen Strom mehr importieren könnte, würden die Lichter nicht ausgehen – dafür reichen unsere heimischen Kraftwerkskapazitäten aus. Ob wir Strom importieren, hängt einfach entscheidend ab von seinem Preis, von der Verfügbarkeit von Kraftwerken und natürlich von den Grenzkuppelstellen  (den Grenzübergängen im Stromnetz).

Wie sehr die Stromflüsse variieren, zeigt übrigens auch eine Analyse mit Hilfe der Internetseite der europäischen Übertragungsnetzbetreiber. Am heutigen Dienstag zwischen 10 und 11 Uhr war Deutschland unter´m Strich sogar ein Netto-Stromexporteur. Aus Frankreich wurde zwar Leistung in Höhe von 1517 Megawatt importiert – das entspricht etwa einem AKW. Zugleich hatten wir aber so viel Strom übrig, dass wir ihn an unsere Nachbarländer Schweiz, Österreich, Polen und Dänemark verkaufen konnten.

Zwei Stunden zuvor, um 8 Uhr, sah das Bild noch anders aus. Da versorgte uns Frankreich mit Leistung in 2156 Megawatt und wir mussten zudem noch Strom aus Dänemark und Österreich importieren.

 

Deutschland importiert jetzt mehr Atomstrom

Das Atommoratorium hat ungewünschte Nebenwirkungen. Seitdem sieben Atommeiler vom Netz gegangen sind, importiert Deutschland doppelt so viel Strom aus Frankreich wie bisher. Das hat der Bundesverband der Energie-und Wasserwirtschaft (BDEW) heute bekanntgegeben (pdf-Dokument in der rechten Spalte: „Analyse: Entwicklung von Stromerzeugung, Stromaustausch und Großhandelspreisen im März 2011“):

„Mit dem Herunterfahren der Kernkraftwerke kehrte sich dies um, seit dem 17. März ergibt sich ein Einfuhrüberschuss von rund 50 GWh/Tag. Die Stromflüsse aus Frankreich und Tschechien haben sich verdoppelt, die Stromflüsse in die Niederlande und in die Schweiz haben sich etwa halbiert.“

Das Problem: Frankreich setzt wie kaum ein anderes Land auf Atomstrom, zurzeit macht der Kernenergieanteil am Strommix fast 80 Prozent aus. Wenn Deutschland also – zumindest temporär – aus der Kernkraft aussteigt,  bedeutet das leider nicht, dass der zusätzliche Strombedarf bereits aus heimischer Wind-, Solar- oder Biomasseenergie gedeckt werden kann.

Und selbst wenn wir genügend Ökostrom produzieren würden – es fehlt an Stromleitungen. Gerade Süddeutschland, wo besonders viele Meiler zurzeit abgeschaltet sind, benötigt Strom. Windstrom mag es  jede Menge an der Nordsee geben. Aber es fehlt an Stromleitungen, um ihn gen Süden zu transportieren. Also wird Atomstrom aus Frankreich importiert.

Höchste Zeit also auch, dass die Bundesregierung endlich die Bürger darauf einstimmt, was die Energiewende für sie bedeuten wird: nämlich auf jeden Fall mehr Strommasten am Horizont.

Ergänzung 20:28 Uhr: Greenpeace kritisiert auf SPIEGEL ONLINE die Meldung des BDEW als „rein künstliche Debatte“:

„Andree Böhling, Energieexperte von Greenpeace, wirft dem Lobbyverband vor, eine „rein künstliche Debatte zu führen“. Es sei nämlich nicht so, dass in Deutschland die Kapazitäten ohne den Strom der abgeschalteten Alt-Meiler nicht mehr reichen würden. „Die gestiegenen Importe erklären sich vielmehr mit der Reaktion der Strommärkte, die sich immer mit dem günstigsten Strom versorgen – und der kann zeitweise auch verstärkt von Atomkraftwerken aus Frankreich kommen.“

 

Süddeutsche: Die Energie-Lüge

Patrick Illinger hat mir in seinem Leitartikel in der gestrigen Süddeutschen aus dem Herzen gesprochen. Überschrift: Die Energie-Lüge

„Wer seriös über Energie reden will, muss anerkennen, dass die wahren Kosten des globalen Energiehungers nie auf Stromrechnungen erscheinen, sondern von der Gemeinschaft getragen werden. Das ist nicht nur der Fall, wenn eine Ölplattform wie im Golf von Mexiko abbrennt oder ein Kernkraftwerk wie in Japan explodiert.

Energieverbrauch erzeugt ständig Kosten, die auf unterschiedlichste Weise beglichen werden müssen, oft auch mit Menschenleben. Hunderttausende Chinesen sterben jährlich an der Luftverschmutzung. Vor allem aber, und das ist die abscheulichste Art, die Kollateral-Kosten des heutigen Energiehungers zu verschleiern, werden Erblasten aufgehäuft: verbrauchte Ressourcen, verstrahlte Endlager, eine mehrere Grad wärmere Erdatmosphäre.

 

Atomlobby in der Defensive

Castor, Stuttgart 21, Datteln: Man möchte meinen, dass es zurzeit kaum aktuellere Themen gibt, welche die deutsche Energiepolitik bewegen. Wie passend, dass das Deutsche Atomforum dazu eine Podiumsdiskussion für Mitte April in Berlin plante. Mit dem viel sagenden Untertitel:

„Castor, Stuttgart 21, Datteln: Bleibt der Rechtsstaat auf der Strecke?“

Doch gestern flatterte mir Post von Deutschlands Atomlobby in den Briefkasten: Die Veranstaltung sei wegen der Situation in Japan abgesagt. Man wolle nicht zur Tagesordnung übergehen.

Wie schade – und wie peinlich! Denn gerade jetzt wäre es doch superspannend gewesen, mit  Ralf Güldner, Präsident des Deutschen Atomforums, und Politologen über den Rechtstaat und Energiepolitik zu streiten. Wann, wenn nicht jetzt? Schließlich wollte man doch darüber reden,

„(…) ob der deutsche Rechtsstaat noch über die geeigneten Mitteln verfügt, um Großprojekte zu realisieren (…).“

Und gerade rechtstaatliche Fragen sind doch jetzt brandaktuell, schließlich plant der Energiekonzern RWE ja auch auch eine Klage gegen das Moratorium. Mit der Absage wurde leider (mal wieder) eine Chance vergeben, sich öffentlich den Fragen zu stellen! Es zeigt, in welch defensiver Position die Energiekonzerne doch zurzeit sind.

 

Atomskandal in Brasilien – mit Folgen für Deutschland

Es ist eine ganz schön pikante Geschichte: Der Chef der brasilianischen Atomaufsicht musste dieser Tage zurücktreten, meldet die atomkritische Organisation urgewald. Brasilien lässt, wie ja auch Deutschland, wegen des Atomunglücks in Fukushima sein (einziges) AKW Angra auf Sicherheitsstandards überprüfen. Es steht in der Nähe von Rio de Janeiro und besteht aus zwei Reaktoren.

Dabei stellte sich heraus, dass das AKW Angra 2 seit mehr als zehn Jahren ohne eine dauerhafte Betriebsgenehmigung am Netz ist. Zwar bekommt es Genehmigungen ausgestellt, aber diese gelten nur für jeweils ein Jahr – weil der Katastrophenschutz am AKW unzureichend sei, wie urgewald vermutet. So liege das AKW in einem Erdrutschgebiet, Zufahrtsstraßen seien öfter schon unpassierbar gewesen.

Brisant ist: Auch Deutschland hängt in der Geschichte drin. Denn für den Neubau eines weiteren AKWs an gleichen Standort, für Angra 3, hat die schwarz-gelbe Bundesregierung vergangenes Jahr eine Hermes-Bürgschaft in Höhe von 1,3 Milliarden Euro gewährt. Zahlreiche Organisationen hatten gegen die Exportkreditbürgschaft für Areva/Siemens protestiert. Zumal die brasilianische Atomaufsicht alles andere als unabhängig sei, da sie sowohl für die Förderung als auch für die Kontrolle der Atomenergie zuständig sei.

Atomkraftkritiker wie Barbara Happe von urgewald fordern daher jetzt eine Rücknahme der Bürgschaft – unter anderem auch auf der Aktionsplattform campact:

„Wenn in Deutschland Atomkraftwerke wegen des Unglücks in Fukushima überprüft werden, dann muss das auch für das deutsche Außenengagement gelten. Die Bundesregierung muss die Bürgschaft für Angra 3 zurückziehen.“

Die Forderung könnte erfolgreich sein. Bürgschaften für Kernkraftwerke wolle die Bundesregierung zukünftig sorgfältiger prüfen, zitierte vergangene Woche der Spiegel ein Schreiben aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Das ist zwar noch kein Entzug der Bürgschaft, aber ein Anfang.

 

Deutsche Offshore-Windbranche in Finanzierungsnot

Ein Offshore-Windpark ist ein teures Vergnügen: Im Schnitt kalkuliert die Branche mit 1,5 Milliarden Euro je Park. Und die wollen erst einmal finanziert sein. Jetzt warnt die Branche, dass ohne staatliche Unterstützung der Bau von Windparks auf hoher See ins Stocken gerate. Nur eine Handvoll Banken traue sich die Finanzierung zu – und selbst die seien wegen technischer Risiken gerade sehr zurückhaltend bei der Gewährung von Krediten.

Das sollte der Politik zu denken geben. Denn gerade Offshore-Windenergie soll zukünftig eine große Rolle im neuen, grünen Strommix spielen. Geht es nach dem Bundesumweltministerium, sollen bis 2020 Windparks auf See mit einer Leistung von zehn Gigawatt stehen.

In ihrem Energiekonzept hatte die schwarz-gelbe Bundesregierung daher ein KfW-Sonderprogramm in Höhe von fünf Milliarden Euro angekündigt. Es wäre eines der  größten Kreditprogramme, welche die KfW bislang gestemmt hat.

Doch seit vergangenen September ist leider nicht viel passiert. „Wir warten sehnsüchtig auf die Finanzierung“, sagte mir Ronny Meyer von der Windenergieagentur Bremerhaven (WAB). Ungeduldig sind die Firmen zu recht: Wenn man die Energiewende politisch will, dann muss man leider auch in die Tasche greifen. Zehn Windparks könnten erst einmal mit den fünf Milliarden Euro finanziert werden, wenn man davon ausgeht, dass jeder einen durchschnittlichen Kreditbedarf von 500 Millionen Euro hat.

Bei der KfW gibt man sich zurückhaltend. Noch sei das Programm nicht in trockenen Tüchern, sagt ein KfW-Sprecher. Man verhandele noch mit der Bundesregierung, u.a. über das endgültige Volumen und Kreditbedingungen.

Man kann nur hoffen, dass sich solche Fragen schnell klären. Denn laut WAB sind die finanziellen Bedingungen für Offshore-Windparks in Großbritannien aktuell weitaus attraktiver. Dann könnten sich die geplanten Offshore-Windräder schneller als gedacht bald vor der schottischen statt vor der deutschen Küste drehen.

 

Gebäudesanierung immer noch ein Minusgeschäft

Bessere Wände, isolierte Fenster, eine neue Heizung: Eigentlich ist klar, was mit den meisten Altbauten in Deutschland passieren sollte. Nicht nur aus Klimaschutzgründen ist eine Sanierung sinnvoll, auch der Geldbeutel freut sich. Schließlich sind in 2010 die Heizkosten teilweise um bis zu 40 Prozent gestiegen.

Die Crux ist nur: In den wenigsten Fällen lohnt sich eine Wärmedämmung. Vierzig Prozent der Hausbesitzer, die sich zu einer Sanierung durchringen, können anschließend keine höhere Miete verlangen, so das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in einer aktuellen Studie:

„Selbst in den Fällen, in denen Mieterhöhungen erfolgten, ist der Gewinn für Vermieter in der Regel überschaubar: Bei 86 Prozent der sanierten Objekte betrug die dadurch erzielte Rendite weniger als 5  Prozent. Das liegt zum einen daran, dass jede Wohnung und jedes Haus aufgrund des Baujahrs, der Bauart und Nutzung unterschiedlichen Modernisierungsbedarf aufweist. (…) Zum anderen gelingt es vielen Vermietern schlicht nicht, die Sanierungskosten in ausreichendem Maße auf die Mieter umzulegen.“

Die Studienmacher, die 1300 Sanierungsobjekte zusammen mit der KfW untersuchten, kommen zu dem Schluss, dass die Investitionen  in einigen Fällen sogar so hoch gewesen seien, dass Vermieter trotz einer starken (prozentualen) Mieterhöhung keine hohe Rendite erzielen konnten.

Das IW fordert daher bessere Förderprogramme auf Bundesebene, um Hausbesitzer überhaupt zum Sanieren zu bewegen. Wie passend, dass die KfW seit März ihre Fördertöpfe wieder aufgefüllt hat. Für´s Dämmen und den Austausch von Fenstern und Heizungen stehen nun wieder neue Gelder bereit.

 

Nach der Wahl: BaWü könnte bei Windenergie aufholen

Gerade einmal acht Windräder gingen vergangenes Jahr in Baden-Württemberg ans Netz, schreibt das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) in seiner jüngsten Studie. „Erbärmlich“ nennt das der Bundesverband Windenergie. Denn es fehlt nicht an geeigneten Standorten, bis 2020 ließe sich die Windkraftleistung von aktuell 467 Megawatt auf 2400 Megawatt erhöhen, schätzt Greenpeace. Bislang aber haben offensichtlich vor allem die regionalen Planungsbehörden nur sehr zögerlich Flächen für Windparks ausgewiesen.

Das könnte sich nun ändern. Die gestrige Landtagswahl war ja vor allem auch eine Abstimmung über die Energiepolitik und den atomfreundlichen Kurs von Union und FDP. Jetzt wird Windfried Kretschmann voraussichtlich als erster grüner Ministerpräsident Deutschlands in Baden-Württemberg das Sagen haben – und für die Erneuerbaren könnten bessere Zeiten beginnen. Der Bundesverband Windenergie hofft auf eine Energiewende im Ländle. „Gerade EnBW muss jetzt ganz schnell auf erneuerbare Energien umsteigen“, sagt ein Sprecher. Und Investitionen in erneuerbare Energien würden sich rechnen, so die IÖW-Studie:

„Land und Kommunen würden durch eine Zunahme der Wertschöpfung um fast das Dreifache auf 388 Millionen Euro profitieren. Das bedeutet dreimal mehr Steuereinnahmen, Einkommen und Unternehmensgewinne im Land.“

 

Größter Anti-Atom-Protest in Deutschland

… nur flott eine Zahl: Mindestens 200.000 Menschen (die Veranstalter sprechen von 250.000) haben gestern deutschlandweit für die sofortige Abschaltung der Atomkraftwerke protestiert. Da bin ich wirklich gespannt, welche Ergebnisse die Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz heute abend ergeben.

Nicht nur der Politik, auch den Energiekonzernen sind die aktuellen Entwicklungen nicht geheuer. Laut SPIEGEL wollen RWE und Eon gegen das Moratorium klagen. Siemens erwägt zudem offenbar einen Ausstieg aus dem geplanten Joint Venture mit dem russischen Atomkonzern Rosatom.