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Kritisches zum Mufti Ceric

 

Dies hier schreibt eine Leserin aus Wien zu meinem Porträt des Grossmuftis Ceric, die sich „ein differenzierteres Porträt“ wünscht und auf Äusserungen hinweist, die nicht mit den von mir zitierten reformerischen Erklärungen des Muftis zusammenpassen:

Am 25.11.06 veröffentlichte der Islamwissenschaftler Prof. Rešid Hafizović in der Tageszeitung „Oslobodjenje“ einen offenen Brief, in dem er die Haltung des Großmuftis und seines „Riaset“, des vierzehnköpfigen Gelehrtenrats, dem er vorsitzt, anprangert. Es handelt sich um deren Verhalten gegenüber den fundamentalistischen Wahabiten und den Saudis, die diese Wahabiten in Bosnien eingeschleust haben und sie unterstützen….

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In dem Brief des Professors „Sie kommen, um unsere Kinder zu holen“ zählt er u.a. die Untaten der Wahabiten in der Geschichte auf und beschreibt ihre Einflüsse so: „Sie kommen mit der Ausrede, dass sie den Muslimen helfen wollen, hinterlassen… aber eine Spur des Blutvergießens, des Todes und unerhörten Schreckens. Sie bereiten das auch in diesem Land und seinen Muslimen, aber nicht nur ihnen, vor….Sie sind unter uns und verbreiten die Praxis von sog. Inzestehen in unseren Dörfern. Sie sind…schon überall. Und der Riaset der Islamischen Gemeinschaft in BiH … tut unerträglich wenig dagegen und tut dies beängstigend spät !“ (Kursiv von mir)

Dr. Hafizovic räumt ein, dass der Riaset vor Kurzem eine Resolution zum Thema verabschiedet hat, doch prangert er weiter an: „Der Gipfel der Ironie ist es, dass in dem Resolutionstext keinerlei Instrumente an die Hand gegeben werden, um dieses Übel zu bekämpfen, sondern ihnen [den Wahabiten] wird noch gut zugeredet… Solange die Verantwortlichen in diesem Land schweigen und so tun, als geschehe in unserer Mitte nichts Ungewöhnliches, wandert die Karawane der Wahabiten weiter…“

Der Gelehrtenrat, mit dem Großmufti an der Spitze, ging in seiner Erklärung Tags darauf, am 26.11., überhaupt nicht inhaltlich auf die Kritik ein, und distanzierte sich nicht von den Wahabiten, sondern relativierte die Gefahr, die von ihnen ausgeht. Er wies rhetorisch darauf hin, dass „sie [die Wahabiten] nicht den Völkermord in Srebrenica … verübt haben.“ Das muss sich Prof. Hafizovic, der selbst aus Srebrenica stammt und dort zwei Brüder und viele weitere Familienangehörige verloren hat, nun wahrlich nicht sagen lassen.

Weiterhin versucht der Gelehrtenrat Prof. Hafizović nachträglich zu erziehen, indem er im Zusammenhang mit der Kritik an Saudi Arabien sagt,es sei weder im Geist der „akademischen Würde noch des bosnischen Erziehung, die man zu Hause genossen hat, pauschale Urteile über jemanden, geschweige denn den saudischen König, den Hüter der heiligen Stätten von Mekka und Medina, zu fällen. …Jede Ausschließlichkeit ist für uns höchst gefährlich.“

Ist das die Toleranz gegenüber Andersdenkenden, von der Großmufti Ceric spricht ?

Wie erklären Sie sich, dass sich der „islamische Reformator“ nicht von den fundamentalistischen Ansichten und Praktiken der, von den Saudis untersützten, Wahabiten, sondern stattdessen von deren Kritikern distanziert ?

In ihrem Artikel über den „Jihad nach Art des Großmufti“ weist die in Sarajevo erscheinende Zeitschrift `Dani´ darauf hin, dass ein Kritiker es gewagt hat, die Wahabiten anzuprangern und prompt sei dessen Rhetorik als unangemessen verurteilt worden, verbreite er Fehlinformationen, ignoriere er eine Fatwa von 1993 zum allgemeinen Verhalten von Professoren und sei auch noch extremistisch !

Sie zitiert einen anderen Akademiker, Prof. Adnan Silajdžić, der darauf hinweist, dass die Ideen der extremistischen Wahabiten auch in den Islamfakultäten anzutreffen sind. Seiner Einschätzung nach wird diese Bewegung noch agressiver in BiH werden. Es würden Scharia-Kurse für Jugendliche eingeführt, die dann einen „neuen Islam“ predigen. Diese neuen Predigten führten manchmal sogar zu Todesopfern in der engsten Familie, die nichts von dieser neuen Lehre wissen wollen.

Was sagt der Großmufti, der in der „multireligösen Metropole“ Sarajevo residiert, dazu ?

Waren Sie, Herr Lau, während Ihres Besuchs in Sarajevo bei der von den Saudis errichteten riesigen König Fahd-Moschee, die sich so gar nicht in das Landschaftsbild und die einheimische Sakralbauten fügt, was selbst von einigen ortsansässigen Muslimen und Muftis kritisiert wird ?

Wissen Sie, wer dort predigt und was ?

Haben Sie die Massen von Jugendlichen gesehen, die dort herausströmen ?

Zur „Reislamisierung der Muslime“: Ob dabei die „Kräfte der Segregation oder Kooperation“ gewinnen, hängt maßgeblich auch von Großmufti Cerić ab, der sich beispielsweise nicht scheute, den bekannten eingebürgerten Bosnier, Abu Hamza, ein Sprachrohr der Wahabiten, zu empfangen. (Abu Hamza betrachtet die bosnischen Muslime nicht als wahre Muslime und bezeichnet sie u.a. als kommunistisch.)

Es ist überflüssig zu erwähnen, dass sich Großmuft Ceric weder davon distanzierte noch Prof. Hafizovic zu einem Gespräch einlud. Kein Wunder, dass sich die Extremistren einer guten Zusammenarbeit mit dem Großmufti rühmen.

Es wäre zu wünschen, dass Sie demnächst ein Porträt des angesehenen Prof. Hafizović, Professor für islamischen Doktrin an der Sarajever Fakultät für Islamwissenschaften und engagierter moslemischenr Intellektueller veröffentlichen, um ein ausgewogenes und differenzierteres Bild des bosnischen Islam zu präsentieren, statt als Werbeplattform für einen ambitionierten und wendehalsigen Großmufti zu dienen.

Mit freundlichen Grüßen,

Mirjana Plazonic

Wien