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Das Hinrichtungsvideo wird Saddam Hussein verewigen – und viele Opfer kosten

 

Soll man dafür nun dankbar sein?

Ein Handy-Video hat die Wahrheit über die Hinrichtung Saddam Husseins an den Tag gebracht. Die regierungsamtliche Propaganda der irakischen Administration, es habe sich um einen korrekten Urteilsvollzug gehandelt, wurde durch das auf zahllosen Webseiten verbreitete Video durchkreuzt.

So hat die Weltöffentlichkeit nun das zweifelhafte Vergnügen, die ganze Schäbigkeit des Vorgangs mitverfolgen zu können… – das Schimpfen der Wachen bis zum Ende, das Zurückschimpfen des Diktators, die Appelle ans Schiitentum auf der einen Seite („Moqtada! Moqtada! Moqtada!“), den national-rassistischen Wahn Saddams auf der anderen Seite (der sich bis zum Schluss als Widerstandsheld gegen „Perser“ – i.e. Schiiten – ausgibt).

Und auch die Tatsache, dass man den Tyrannen mitten im Gebet erhängt hat, darf nun jedermann immer wieder und wieder geniessen. Überall im Netz steht das Video zum Download. DVDs finden im Nahen Osten rasenden Absatz.
Nein, dafür kann man nicht dankbar sein. Das Ganze hat eine Schäbigkeit bis zum Schluss, die Böses für die Zukunft des Irak ahnen lässt.

Wenn sich bewahrheiten sollte, was jetzt vermutet wird – dass die Handy-Aufnahme von dem Sicherheitsberater des irakischen Präsidenten stammt – kann man endgültig alle Hoffnung fahren lassen, dass sich im Irak in ansehbarer Zeit irgendeine nationale Einheitsregierung zusammenraufen wird.
Es wäre schlimm genug, wenn die Sache bloss durch einen anwesenden Wachmann ins Rollen gebracht worden wäre.

Aber ein Regierungsmitglied? Saddams Regime der Angst und des Hasses vergiftet offenbar bis über seinen Tod hinaus auch noch seine Gegner und diejenigen, die auf den Trümmern seiner Herrschaft etwas Neues aufbauen wollen.

Der Beschuldigte hat die Verdächtigung unterdessen von sich gewiesen. Die neue Version der irakischen Regierung lautet: Schiitische Milizen hätten die Vollstreckung unterwandert und die Kräfte des Innenministeriums an die Seite gedrängt.

Wie kann denn so etwas passieren? Auch diese Version wäre, wenn sie sich bewahrheitet, eine Katastrophe. Denn die Gegner der Regierung könnten dann mit dem Hinrichtungsvideo beweisen, dass diese Regierung absolut keine Legitimität hat.
Wir haben erst angefangen, die moralische Zerstörung dieses Landes zu begreifen, für die jener Mann verantwortlich ist, der als erster Tyrann der Menschheitsgeschichte im Sterben zum Phänomen der internetgestützten Popkultur der Gewalt wird – zum Herunterladen eingereiht zwischen Pornos, gestohlener Musik und mitgeschnittenen Hollywood-Filmen.
Saddam Hussein wird im Tod zum Teil der medialen Gewaltkultur des Nahen Ostens. Das Hinrichtungsvideo ist ein Konterpart zu den Märtyrervideos, mit denen sich die Mudschahedin verewigen wollen, bevor sie sich in die Luft sprengen.

Beides gehört zur Gegenöffentlichkeit der arabischen Welt, die hoffnungslos einem Todeskult verfallen scheint.
Im letzteren Fall sprechen diejenigen, die sich selbst dem Tod weihen, in der Absicht, noch die Lebenden in Angst und Schrecken zu versetzen – und natürlich um andere junge Männer für den Todeskult zu rekrutieren, dem sie sich selbst verschrieben haben.

Durch Saddams Hinrichtungsvideo soll wahrscheinlich seinen überlebenden Opfern und ihren Angehörigen Genugtuung geschehen, indem sie den Tod des Möders und Folterers bezeugen (und geniessen) können.

Das Hinrichtungsvideo zeigt die Bestrafung eines Massenmörders, der seine eigenen Söhne zu schulen pflegte, indem er sie zu Hinrichtungen und Folterungen mitnahm. Indem es den Diktator in der Stunde seiner Ohnmacht verewigt, zerstört es seinen Mythos.

Das war womöglich die Absicht derjenigen, die es veröffentlicht haben. Sie wird, wie man jetzt schon sieht, nicht aufgehen. Ein neuer Mythos wird geschaffen, und Saddam wird auf diese Weise auch nach seinem Tod weiterwirken.
Indem die irakische Regierung aus dem Vollzug eines Urteils, das einen Neubeginn der Rechtsstaatlichkeit im Irak hätte begründen sollen, einen Rache-Akt gemacht hat, dessen Schäbigkeit die Menschheit nun für alle Zeiten in ihrem Bildgedächtnis tragen wird, hat sie den Feinden der Freiheit in die Hand gearbeitet. Vor allem die Menschen des Irak werden dafür bezahlen – aber womöglich nicht nur sie.

p.s. Die Amerikaner haben übrigens versucht, alles dies zu verhindern. Doch ihre Macht im Irak reicht dafür nicht mehr. Wer möchte sich darüber freuen?

(Der beste Beitrag zur Sache hier: Michael Young (vom Beiruter Daily Star) zur Hinrichtung als verpasster Chance.)
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