Lesezeichen
‹ Alle Einträge

SPD: Wolf Biermann ist (ein Stück weit, vielleicht, womöglich, ja doch, na gut!) ein grosser Sohn Berlins

 

Die Berliner SPD will Wolf Biermann jetzt doch zum Ehrenbürger machen. Wochenlang hatten die Genossen sich gegen die Initiative der Opposition gesträubt.
Doch die Wahrheit ist: Die Berliner SPD gönnt Wolf Biermann die Ehrenbürgerwürde der Hauptstadt nicht, die sie ihm nun – widerwillig – verleihen möchte. Sie beugt sich bloß dem öffentlichen Druck, wenn sie jetzt den Antrag der Opposition aus CDU, Grünen und FDP unterstützt.

Der Liedermacher, Dichter und Freiheitsheld könnte also Nummer 115 im ewigen Gedächtnis Berlins werden. Kann er die schmallippig angediente Ehre annehmen?
Verkehrte Welt: Aus der PDS waren einzelne Stimmen zu vernehmen…, die Biermann aller Ehren wert fanden, und zwar wegen seines »mutigen Eintretens gegen die SED«. Doch die Sozialdemokraten fügten sich Klaus Wowereit, der Biermann nachtrug, dass dieser die rot-rote Koalition als Bündnis von »bankrotten sozialdemokratischen Apparatschiks« mit »MfS-Kadern« geißelte.

Wowereit hatte darum beschlossen, Biermann dürfe nicht Ehrenbürger werden. Der Schaden für die Stadt war ihm wurscht.
Dies wäre nur eine weitere Farce aus der Hauptstadtprovinz geblieben, hätte die rot-rote Regierungskoalition nicht begonnen, ihre Piefigkeit mit allerlei vorgeschobenen guten Gründen zu untermauern. Biermanns Verdienste seien »nicht hervorragend« genug, wusste der SPD-Fraktionschef Müller.

Die PDS gab bekannt, man nehme Biermann sein Eintreten für den Irakkrieg übel.

Die Heuchelei der Biermann-Gegner ist schwer erträglich. Die PDS, die sich jetzt so pazifistisch gibt, verwaltet das Erbe einer Partei, die zu Zeiten der DDR Pazifisten kurzerhand ins Gefängnis warf. Sie möchte daran nicht erinnert werden.

Ebenso wenig wie die SPD an die ehrenwerte Tradition des linken Antikommunismus der Schumacher, Reuter und Brandt gemahnt werden möchte, die sie hinter sich lassen musste, um mit der Linkspartei ungestört regieren zu können.

Ehrenbürger Biermann würde es sich wahrscheinlich nicht nehmen lassen, in den alten Truhen zu wühlen, in denen diese unbrauchbaren Erinnerungen lagern. Darum will man ihn nicht.
Mit seinen politisch-ideologischen Bocksprüngen – vom Kommunisten zum Antikommunisten, Amerika- und Israelfreund und Anti-Saddam-Bellizisten (jüngst auch schon wieder mit Bedenken) – ist Biermann ein Beispiel für Eigensinn und permanente Selbstrevision.

Und mit solchen Leuten tun wir uns offenbar zunehmend schwer, wie schon zuvor die unwürdige Posse um Peter Handke und den Heine-Preis zeigte. Die Politik möchte sich zwar gerne mit den Dichtern schmücken. Aber mit deren Eigensinn kommt sie nicht mehr klar. Pflegeleicht und konsensfähig sollen sie sein.
Wer Biermanns Preiswürdigkeit infrage stellt, ist selbst nicht wert, über solche Ehren zu entscheiden. Dem Betroffenen muss man in dieser Lage mit dem verstorbenen Kollegen Robert Gernhardt raten: »Lass nicht zu, dass sie dich loben. / Wer dich lobt, darf dich auch tadeln. / Und du musst dann sein Geseires / auch noch mit Verständnis adeln.«