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Filmemacher Karmakar: Die Rationalität der Hassprediger

 

In einem Interview mit dem Filmemacher Romuald Karmakar in der heutigen taz geht dieser auch auf die Parallelen und Unterschiede zwischen radikalem Islamismus und NS-Ideologie ein:

taz: Ein roter Faden des Textes ist die Definition des Feindes. Er geht so weit zu sagen, dass Muslime auch Frauen und Kinder töten dürfen, wenn diese dem Islam schaden. Das ist totalitär, aber auch ein vertrauter Text: Die Freund-Feind-Bestimmung gehört zum Kernbestand modernen politischen Denkens.

Fazazi beschwört ein binäres System: Es gibt die Wir-Gruppe und die Sie-Gruppe. Fazazi definiert, was man tun muss, um zur Wir-Gruppe zu gehören – nämlich seiner höchst strikten, wortwörtlichen, salafistischen Form des Islam zu folgen. Solche Tugendkataloge, die Wir und Sie unterscheiden, sind typisch für extremistische Gruppen. Die gibt es auch bei der SS. Fazazi vermittelt dem Publikum die Idee, Träger der Offenbarung zu sein. Die Einzelnen handeln nicht als Individuen, sondern als Agenten einer Vision. Auch das erinnert an Himmlers Rhetorik, der die Zukunft des Tausendjährigen Reiches beschwor. Und dass die SS die Elite ist, die sich für diesen Auftrag über alle Regeln hinwegsetzen darf.

taz: Manfred Zapatka liest, in ähnlicher Diktion und Inszenierung, die Texte von Himmler und Fazazi. Liegt darin nicht die Gefahr, ein Gleichheitszeichen zwischen Himmler und Fazazi zu setzen – und damit zwischen Nationalsozialismus und radikalem Islamismus?

Ach nein, der Unterschied ist doch deutlich. Der Nationalsozialismus 1943 war staatlich legitimierter Terror von völlig anderer Größenordnung. Insofern kann man, was die Ausmaße des Terrors angeht, nichts gleichsetzen. Doch Himmler und Fazazi haben ein ähnliches Thema. Sie versuchen etwas zu legitimieren, was allgemein als Verbrechen gilt, etwa den Massenmord. Und sie wollen ihrem Publikum die Angst nehmen, dies zu tun. Ähnlich sind auch der Absolutheitsanspruch, vollständig im Recht zu sein, und die Selbstermächtigung. Da gibt es auch Parallelen zu Gruppen wie der RAF.

taz: Welche Rolle spielt „Hamburger Lektionen“ in Bezug auf den Diskurs über Islamismus in Deutschland?

Der Film ist klassische Aufklärung. Er vermittelt Wissen über etwas, von dem oft geredet wird, von dem aber die Wenigsten wissen, woraus es sich zusammensetzt – zum Beispiel die Hasspredigt. Das Wort wird oft verwendet. Alle tun so, als wüssten sie, was eine Hasspredigt ist – aber konkret wissen es eben die wenigsten. Es gibt das Klischeebild des Nazis, der schreit. Ein Nazi muss schreien. Wenn er nicht schreit, ist er kein richtiger Nazi. Es hat gedauert, ehe man begriffen hat, dass es auch freundliche, ruhige Nazis gab, die keineswegs weniger extremistisch waren. Ich will zeigen, dass sogenannte Hassprediger auch rational argumentieren.