In den letzten Wochen haben die ägyptischen Muslimbrüder den Entwurf eines Parteiprogramms zirkulieren lassen. Bei den letzten Wahlen 2005 haben sie (als Parteilose) ein Fünftel der Sitze im ägyptischen Parlament errungen. Das Mubarak-Regime hat verlauten lassen, eine Zulassung als Partei werde es nie geben.
Trotzdem geht die Vorbereitung für die volle Partizipation am politischen System weiter – während das Regime gleichzeitig eine Unterdrückungskampagne gegen die MB fährt.
Das Papier hat bei den ägyptischen Kommentatoren Entsetzen ausgelöst: Es sieht unter anderem die Einrichtung eines religiösen Gremiums vor, das Parlament und Präsident „beraten“ soll.
Ausserdem heisst es in der Plattform, weder eine Frau noch ein Christ könne jemals Präsident Ägyptens werden.
Es finden sich zwar Bekenntnisse zur „gleichen Würde“ von Mann und Frau, aber Frauen dürften eben nicht in Tätigkeiten gedrängt werden, die ihrer „Natur“ widersprechen.
Das religiöse Gremium wird von den ägyptischen Kommentatoren (und auch von entsetzten reformerischen Kräften in der MB) als Anlehnung an das iranische System gesehen, in dem die islamischen Rechtsgelehrten über Wächterrat und Expertenrat Einfluss ausüben.
Der Regierung hat die MB damit beste Gründe an die Hand gegeben, sie auf absehbare Zeit weiter von Wahlen auszuschließen.
Offenbar ist die Strategie der MB nicht mehr, sich ein demokratisches, liberales, dialogbereites Gesicht zu geben, sondern auf islamischen Widerstand zu setzen und den Islam als Alternative zur Tyrannei und zur westlichen Demokratie zugleich zu profilieren.
Eine erste Einschätzung des MB-Experten Marc Lynch, der weiter berichten wird.