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Das Fatwa-Chaos geht weiter

 

Der ägyptische Großmufti Ali Gomaa, der manchmal lobenswerte Meinungen zu Themen wie etwa Jungfräulichkeit als Ehebedingung oder zur weiblichen Genitalverstümmelung veröffentlicht, bringt sich immer mehr durch schräge Fatwas in Verruf.
Neuerdings hat das unter seiner Aufsicht stehende ägyptische Fatwa-Amt Dar-al-Ifta (hier seine deutsche Website) verkündet, ein Fahrer, der jemanden tötet, der sich ihm in den Weg stellt, könne nicht als schuldig gelten. Die Fatwa wurde merkwürdiger Weise veröffentlicht, als eine Frau von einem Polizeiauto überfahren worden war, die sich Polizisten in den Weg gestellt hatte, um ihre verhaftete Schwester freizubekommen.
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Dann trat der Mufti mit der Meinung an die Öffentlichkeit, 26 Ertrunkene, die als illegale Immigranten nach Europa hatten gehen wollen, seien keine „Märtyrer“ (wie ansonsten alle Unfallopfer, denen somit der Himmel zusteht), „weil sie von Gier getrieben waren“. Die Auswanderer sind aber wohl nicht so sehr von „Gier getrieben“ als von dem ökonomischen Versagen des ägyptischen Regimes, in dessen Gnaden der Mufti steht. Die Fatwa wurde als Schlag ins Gesicht der Angehörigen gewertet, die noch auf die Leichen ihrer Verwandten warteten, die aus Italien in die Heimat gebracht werden sollten.
Der Mufti allerdings, dem in Ägypten eine Welle der Ablehnung entgegenschlägt, verwahrt sich gegen die Unterstellung, es gebe politische Einflußnahme auf seine Lehrmeinungen.
Kürzlich war Ali Gomaa durch eine bizarre Meinung zur heilenden Kraft des Urins des Propheten aufgefallen.
Die Erosion der Legitimität der höchsten Autoritäten des sunnitischen Islams geht weiter. Eine gute Meldung ist das nicht – denn mit wem soll eigentlich ein religiöser Dialog stattfinden?
Ein ägyptischer Bericht zu den Vorfällen hier (englisch).