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Ein ungehaltener Vortrag: Islamwissenschaftlerin auf Druck von Verbandsvertreter ausgeladen

 

An diesem Fall kann man sehen, was ich meine, wenn ich den Begriff der Islamophobie kritisiere: In der vorletzten Woche hatte die Islamwissenschaftlerin Christine Schirrmacher einen Vortrag im österreichischen Traun halten sollen.

Nach der Intervention des SPÖ-Manns und Integrationsbeauftragten der Islamischen Glaubensgemeinschaft Omar Al-Rawi, der Schirrmacher als „Islamphobikerin“ bezeichnet haben soll, wurde die Referentin wieder ausgeladen.

Die Ausladung ist ein ziemlich anrüchiger Vorgang: Entweder wußten die Veranstalter nicht, wen sie da eingeladen hatten. Es ist schon recht dämlich, eine Referentin wieder auszuladen, die nun wahrlich bei dem Thema keine Unbekannte ist. Oder man hat sich, wa swahrscheinlicher ist, von dem Schlagwort, ausgesprochen von einem Politiker und Lobbyisten – einschüchtern lasse: das wäre erbärmlich feige.

Wie bizarr das Ganze ist, zeigt die Passage des verhinderten Vortrags, die ich unten dokumentiere (ganzer Text hier). Was, bitte schön, ist an einem Text mit diesem Fazit auszusetzen? Warum muß man eine Frau, die solches ausspricht, mundtot machen und in eine Ecke stellen?

Vielleicht zeugt der ganze Vorgang von beidem: Dämlichkeit und erbärmlicher Feigheit.

Allerdings auch schrecklich: Omar Al-Rawi wurde nach Bekanntwerden dieses Geschehens zur Zielscheibe zahlreicher Schmähbriefe aus Deutschland, in denen sich offenbar unsere lieben Freunde, die Islam-Paranoiker austobten.

Eine Schande.

Eine doppelte Schande.

Und so schließt Christine Schirrmachers ungehaltener Vortrag:

Erkennbar ist auch, dass der Islam als Religion eher an Anziehungskraft gewonnen denn verloren hat. Von einem vielbeschworenen „Abschleifen“ der Religion in der zweiten und dritten Generation kann heute keine Rede mehr sein. Sicher gibt es den Bereich des „säkularisierten“ Islam; Muslime, die den gleichen Freizeitvergnügungen nachgehen wie europäische oder deutsche Jugendliche, aber aufs Ganze betrachtet, ist der Islam unter Immigranten eine lebendige Religion geblieben. Nicht indem vielleicht jede einzelne islamische Glaubensvorschrift in jeder Familie detailgenau beachtet wird, aber doch so, dass der Islam Rückhalt und Identität bietet. Z. T. wenden sich gerade junge Leute – nachdem ihre Eltern einen verhältnismäßig aufgeklärten Islam gelebt haben – ihrerseits wieder einer strikteren Befolgung der islamischen Vorschriften zu. Bedenklich stimmt, dass manche islamischen Organisationen schon heute in Europa darauf drängen, dass nichts „Negatives“ mehr über den Islam veröffentlicht werden dürfe, da dies Diskriminierung bedeute – mit anderen Worten, alles, was nicht aus muslimischer Sicht geschrieben wurde, ist zu unterbinden (eine Entwicklung, die z. B. in Großbritannien durch islamische Lobbyarbeit weitaus mehr fortgeschritten ist). Hier wird es ganz wesentlich daran liegen, wie „wach“ die westliche Gesellschaft diese Entwicklung verfolgt und in welchem Maß sie bereit ist, ihre mühsam erkämpfte Presse- und Meinungsfreiheit zu verteidigen.


Fazit


Die gegenwärtige Debatte über die Fundamente dieser Gesellschaft und die Auseinandersetzung mit einer ganz anders gearteten Werteordnung und Religion hat sich uns mit aller Macht geradezu aufgedrängt. Das erschreckt nachhaltig und eröffnet doch gleichzeitig Wege zu einer fundierten Diskussion, sofern denn die westliche Gesellschaft in der Lage sein wird, nicht in Panik und Abwehr zu verfallen, sondern nüchtern über die Verhältnisse im eigenen Land und bei den Zuwanderern Bilanz zu ziehen und nach konstruktiven Lösungsansätzen zu suchen. Vielleicht verläuft die Debatte um die „Integration“ auch deshalb so aufgeregt, weil die kulturell-gesellschaftlichen oder religiösen Besonderheiten Europas, die hierzulande verteidigt werden sollen, bisher selten klar definiert wurden. Führt der Islam der westlichen Gesellschaft vielleicht besonders deutlich ihre Ziel- und Wertelosigkeit vor Augen?

Die Mehrzahl der Muslime, die in Europa unpoltisch denkt und lebt und sich große Sorgen macht um die Rechte, die islamistische Gruppen Stück für Stück mit Erfolg einfordern, erwarten eine Antwort vom Staat, dessen Aufgabe es ist – aus einer vertieften Kenntnis des Islam – zu einer vernünftigen Grenzziehung gegenüber politischen Kräften zu kommen. Es darf keinen doppelten Rechtsstandard geben – bei der Stellung der Frau oder der Ankerkennung der Vielehe etwa – denn nur eine Verständigung auf eine gemeinsame Rechts- und Werteordnung wird den Erhalt unseres Staates auf Dauer garantieren können. Es lohnt sich, für ein echtes Miteinander einzustehen, das uns in Europa aber bei teilweise divergierenden Werteordnungen nicht in den Schoß fallen wird.

Gleichzeitig muss alles dafür getan werden, dass die Migranten in Europa dauerhaft Heimat finden. Viel zu viele fühlen sich entwurzelt, weder in dem Herkunftsland ihrer Eltern und Großeltern noch in ihrer neuen „Heimat“ zu Hause – die zu oft eben noch keine Heimat geworden ist. Migranten fühlen sich ausgegrenzt und benachteiligt, diskriminiert und verachtet – teilweise beruht dieses Empfinden auf eigenen Erfahrungen mit Benachteiligungen, teilweise auf einer stellvertretend für die weltweite muslimische Gemeinschaft empfundenen Zurücksetzung, teilweise liegt die berufliche Perspektivlosigkeit aufgrund von geringer Schulbildung sehr nahe. Politische und wirtschaftliche Programme sind wichtig, damit mehr Migranten in Europa auch wirtschaftlich Fuß fassen können – aber auch abgesehen von dieser gesellschaftspolitischen Ebene müssen Muslime und Nichtmuslime stärker aufeinander zugehen, um im Europa des 21. Jahrhunderts nicht mehr nur nebeneinander, sondern miteinander zu leben.“

p.s. Hier eine exzellente Analyse des (Ex)-Kollegen Florian Klenk (heute beim Wiener Magazin Falter) über die Vorgänge.