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Zur Verfolgung der Baha’i im Iran

 

Aus der ZEIT vom 26. Juni 2008, S. 8:

Am Morgen des 14. Mai werden in Iran fünf Männer und eine Frau in einer konzertierten Aktion verhaftet und bald danach in das berüchtigte Evin-Gefängnis verbracht. Hier, im Norden Teherans, schließt das iranische Regime seine Gegner weg.Den sechs Verhafteten – Fariba Kamalabadi, Jamaloddin Khanjani, Afif Naeimi, Saeid Rezaie, Behrouz Tavakkoli und Wahied Tizfahm – wird vorgeworfen, »gegen die Sicherheitsinteressen des Landes« verstoßen zu haben. Sie hätten »Kontakt zu ausländischen Mächten, insbesondere Zionisten«, so ein Regierungssprecher am 20. Mai.

Der Sprecher verschweigt, dass alle Verhafteten führende Mitglieder der zweitgrößten Religionsgemeinschaft Irans nach dem schiitischen Islam sind – des Bahai-Glaubens. In Wahrheit ist die Verhaftung der sechs der Höhepunkt einer brutalen Unterdrückungskampagne gegen Andersgläubige.

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Diese sieben Bahá’í wurden inhaftiert: (von links sitzend): Behrouz Tavakkoli, Saeid Rezaie, (stehend): Fariba Kamalabadi, Wahied Tizfahm, Jamaloddin Khanjani, Afif Naeimi, Mahvash Sabet (schon am 5. März gesondert verhaftet)

Die sechs Verhafteten waren – mit Kenntnis der iranischen Behörden – für die provisorische geistliche Leitung der 300 000 Bahai in Iran zuständig. Eigentlich kommt diese Aufgabe einem gewählten Nationalen Rat zu. Doch nach der Islamischen Revolution waren dessen Mitglieder verschleppt und vermutlich ermordet worden. Seither leben die Anhänger des Religionsstifters Baha’ullah in einem Zustand der Rechtlosigkeit. Mit der Machtübernahme Mahmud Ahmadineschads hat sich die Lage abermals verschärft. In den vergangenen drei Jahren wurden Bahai-Friedhöfe mit Bulldozern planiert, Hunderte aus ihren Dörfern vertrieben und zahlreiche Studenten ihres Glaubens wegen von den Universitäten verwiesen. Die Repression wird durch eine Hetzkampagne in Schulen und Medien unterlegt.

Warum ziehen die Bahai die besondere Aggression des Regimes auf sich? Anders als Christen und Juden gelten die Bahai als Abtrünnige. Der Bahaismus, der heute weltweit etwa sieben Millionen Anhänger zählt, ist in Iran entstanden. Seine beiden Stifter, genannt Báb (»das Tor«) und Baha’ullah (»Herrlichkeit Gottes«), waren Männer aus Schiras und Teheran. Mitte des 19. Jahrhunderts begründeten sie eine theosophische Lehre, die alle Weltreligionen beerben und aufheben wollte. Die Menschheit sei ins »Zeitalter der Reife« eingetreten. Keine Religion sei »falsch«, doch alle müssten aus ihrer Zeit verstanden werden. An die Stelle des Dschihad rückte Baha’ullah die Mahnung zur Gewaltlosigkeit. Frauen wurden weitgehende Rechte zugestanden. Die Bahai begriffen Mohammed nicht als »Siegel der Propheten«, sondern als eine Stimme der göttlichen Offenbarung unter vielen. 1848 folgte die offizielle Ablösung vom Islam.

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Verfolgung schon im 19. Jhdt.: Ein Baha’i-Vater mit seinem Sohn (beide links im Bild), die 1896 verhaftet und später hingerichtet wurden.  Quelle: Bahai.org

Der schiitische Klerus hat den Bahaismus mit allen Mitteln bekämpft. Zehntausende fielen Massakern zum Opfer. Aus einer innerislamischen Reformsekte wurde so nicht zuletzt durch die Verfolgung und die Diaspora eine Offenbarungsreligion mit universalistischem Anspruch. Heute leben Bahai überall auf der Welt, besonders in Asien, Schwarzafrika und Lateinamerika. Ihr Weltzen­trum liegt im heutigen Haifa, was die iranische Propaganda gerne für ihre »Zionisten«-Verschwörungstheorie benutzt. Der schlichte Grund dafür ist, dass der Prophet ins Exil gedrängt wurde und im palästinensischen Akkon – nahe Haifa – starb.

Die Verfolgung der Bahai in ihrem Ursprungsland ist Teil des Kampfes der orthodoxen schiitischen Geistlichkeit gegen alle religiösen Reformbewegungen. Die Islamische Republik Iran hat den Hass gegen sie institutionalisiert. In einem Geheimdekret von 1992, unterzeichnet vom Revolutionsführer Chamenei, wurde festgelegt, dass Bahai durch allerlei Schikanen am gesellschaftlichen Fortkommen gehindert werden sollten. Präsident Ahmadineschad scheint nun den kulturrevolutionären Elan der iranischen Revolution durch eine schärfere Verfolgung der Bahai wiederaufleben lassen zu wollen. Die Geheimdienste erfassen seit einiger Zeit systematisch alle Anhänger. Und nun droht auch noch eine Verschärfung des Gesetzes gegen den Abfall vom Glauben, die Apostasie. Nach dem Gesetzesentwurf, der noch im iranischen Parlament beraten wird, sollen »Apostasie, Ketzerei und Zauberei« zwingend mit dem Tode bestraft werden.

So scheint es nicht übertrieben, wenn Menschenrechtsorganisationen vor einer drohenden Vernichtung der iranischen Bahai warnen. Wie der Gottesstaat mit seiner größten religiösen Minderheit umgeht, verrät viel über den inneren Zustand des Teheraner Regimes. Es ist in eine Phase ideologischer Mobilmachung eingetreten und hält den Westen für überfordert durch den Atomstreit. Bei den Menschenrechten, so das Kalkül der jetzigen Repressionswelle, wird man es nicht so genau wissen wollen, wenn wichtigere Konflikte zu lösen sind.

(Eine Dokumentation der Verfolgungen findet sich hier bei der „Gesellschaft für bedrohte Völker“.)