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Amerikanisches Krisentagebuch VI

 

Plötzlich und unerwartet ist der SUV verschieden, das Sports Utility Vehicle. Nach kurzer, heftiger Krankheit (Stoffwechselprobleme, sagt man) wurden im letzten Sommer die lebenserhaltenden Massnahmen ausgesetzt. Das Management von General Motors hat sich im letzten Mai still und leise entschieden, die rollenden Monster namens Tahoe, Yukon, Escalade, Explorer, Blazer und Suburban nicht mehr zu bauen. Die New York Times berichtete kürzlich in einer spannenden Wirtschaftsreportage über diesen einmaligen Vorgang in der Firmengeschichte. Die SUV’s waren die Haupteinnahmequelle von GM, und so hat der größte Autohersteller der Welt dummerweise ganz auf diese Produktlinie gesetzt – selbst als schon die Hybridfahrzeuge von Toyota eine neue Ära ankündigten. Jetzt steht GM vor dem Ende und muss beim Staat um Hilfe anklingeln. In anderen Worten: Die Steuerzahler müssen das umweltvernichtende Missmanagement bezahlen. Aber der Abschied vom SUV ist nicht nur ein wirtschaftliches Faktum: Ein Bruch im amerikanischen Lebensstil zeigt sich an.

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New Yorks Bürgermeister Bloomberg will eine Gebühr von 6 Cent auf jede verkaufte Plastiktüte einführen. So will er erreichen, dass die Zahl der Hunderte von Millionen Tüten reduziert wird, die in New York jährlich kostenlos über die Theke gehen und meist nach einem Gebrauch auf den Deponien landen. Plastiktüten, so wird das Publikum jetzt belehrt, brauchen über 1000 Jahre zum Verrotten und können Ökosysteme gravierend belasten. In meinem Supermarkt bekommt man, wenn man nicht dagegen einschreitet, einen kleinen Einkauf für eine Person in acht Tüten verpackt. Schwere Güter wie eine Gallone Milch werden vorsichtshalber in doppelte Tüten gegeben (obwohl auch eine einfache halten würde). Dieser Irrsinn gilt als Service, und es ist schwer dagegen anzukommen. Bürgermeister Bloombergs Massnahme wird von vielen Seiten bekämpft, vor allem von der Geschäftswelt. Aber vielleicht kommt er gerade durch die Krise durch.

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Die Werbung für ein Fitnesstudio in Cambridge setzt schon auf den neuen Zeitgeist: „Join up now. Stay fit in hard times.“ In Schnellrestaurants werden herzhafte und billige Mahlzeiten für wenig Geld angeboten: Recession Special. Das ist alles noch spielerisch und ironisch gemeint, aber viele finden die lage längst nicht mehr sehr lustig. Vorgestern sagte eine Kollegin: Habe gerade meine betriebliche Altersversorgung gecheckt. Wieder 20.000 Dollar futsch, und das in nur zwei Wochen.

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Der baldige Präsident hat ein sehr intimes Buch geschrieben (Dreams from my Father), das er so offen wohl heute auch nicht mehr veröffentlichen würde. Darin gibt es eine Stelle aus seiner ersten Zeit in Chicago, wo damals der schon zu Lebzeiten legendäre erste schwarze Bürgermeister der Stadt, Harold Washington, amtierte. Wie Barack Obama beschreibt (S.148f.), was die Schwarzen angesichts von dessen Wahlerfolg empfunden haben, ist im Lichte dieser letzten Woche fast prophetisch zu nennen: „They had turned out in record numbers on election night, ministers and gang-bangers, young and old. And their faith had been rewarded. Smitty said, „The night Harold won, let me tell you, people just ran the streets. It was like the day Joe Louis knocked out Schmeling. Same feeling. People weren’t just proud of Harold. They were proud of themselves. I stayed inside, but my wife and I, we couldn’t get to bed until three, we were so excited. When I woke up the next morning, it seemed like the most beautiful day of my life…“ Barack Obama hört den alten Männern in einem Friseursalon zu, die von der Wahl des ersten Schwarzen zum Bürgermeister wie erlöst wurden. Und dann beschreibt er seine Zweifel, ob er wirklich verstehen könne, was jene fühlen. Ob sie überhaupt so vertauensvoll mit ihm reden würden, wenn gleich sein weisser Großvater zur Tür hereinkäme? (Er ist ja gar nicht „richtig“ schwarz, das ist der Leitfaden seiner Bildungsromans.) Und nun ist dieser junge Mann, der in einem Chicagoer Friseursalon vielleicht zum ersten Mal begriffen hat, was ein Schwarzer an der Spitze für dieses Land bedeuten kann, zu einem viel größeren Symbol geworden als Bürgermeister Harold. Ein irre Geschichte.