Schmerzhafte Wahrheiten in einem Kommentar von Thomas Schmid in der Berliner Zeitung:
„Kaum ein Israeli kennt die Lebensumstände der Palästinenser in Gaza – kaum ein Palästinenser das Leben in Israel. Das war nicht immer so. Bis zum Ausbruch der ersten Intifada 1987 arbeiteten hunderttausende Palästinenser aus den besetzten Gebieten in Israel und viele Israeli gingen in Ramallah einkaufen. Heute gibt es keine Kontakte mehr und eine gespaltene Wahrnehmung: Auf beiden Seiten sieht man nur die eigenen Opfer. Und mit jedem Krieg wächst der mit Antisemitismus vermischte Hass auf der einen Seite ebenso wie die von Rassismus nicht freie Verachtung auf der anderen.
Ein Bonmot besagt: Im Nahostkonflikt wurde keine Gelegenheit verpasst, eine Gelegenheit zu verpassen. Das gilt für die Palästinenser, die 1948 den UN-Friedensplan abgelehnten, und für die PLO, die Jahrzehnte brauchte, bis sie das Existenzrecht Israels anerkannte. Und es gilt für Israel, das einst die Hamas gezielt förderte, um die PLO zu schwächen. Es hat systematisch verhindert, dass der palästinensische Präsident Mahmud Abbas politische Erfolge vorzeigen konnte. Israel hat damit zur Wahlniederlage der gemäßigten PLO beigetragen und sieht sich jetzt mit der Hamas konfrontiert, deren Popularität mehr in ihrer Hilfe bei der Bewältigung des schweren Alltags als in den Hassreden auf den jüdischen Staat gründet.
Wie eine Friedenslösung im Nahen Osten aussehen wird, ist längst klar: Israel wird die meisten Siedlungen im Westjordanland räumen müssen. Und es kann die völkerrechtswidrig annektierten Gebiete – die Golanhöhen und Ostjerusalem – nicht behalten. Zudem muss es den Palästinensern einen überlebensfähigen Staat zugestehen. Im Gegenzug wird es in anerkannten sicheren Grenzen leben. Die Hamas muss dementsprechend das Existenzrecht Israels anerkennen. Vor drei Jahren deutete eine Fraktion der Islamisten immerhin an, dass sie dazu bereit sei. Die Weigerung Israels, der USA und der EU, mit der Hamas, die die Wahlen gewonnen hatte, in Dialog zu treten, hat seitdem jedoch die Hardliner gestärkt.“
Und dahinter steckt eine riskante Alternative, vor die sich Israel durch die Intervention in Gaza gestellt hat: Entweder Hamas wird vernichtet (und ersetzt, aber mit wem?), oder man wird Hamas am Ende de facto legitimieren müssen (durch eine Vereinbarung).