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Berlin erprobt den Burkini

 

Ich wollte schon seit Tagen darüber schreiben. Doch zunehmend spüre ich Unlust, den neuesten Irrsinn von der (Des-)Integrationsfront zu kommentieren.
Nun gut, tun wir unsere Pflicht: Berlin erlaubt probeweise das Tragen der vermeintlich islamisch korrekten Bademode in Schwimmbädern. Der Burkini wird erlaubt. Wenn der bis zum Sommer terminierte Probelauf sich als erfolgreich erweisen sollte (aber was heißt hier „Erfolg“), dann wird man die Ganzkörperverhüllung im Wasser auch in den Freibädern erlauben.
Ich neige bekanntlich in Fragen des Dresscodes zu radikal liberalen Positionen (->Kopftuch).

Und so sehe ich es auch hier: Der Staat hat sich aus der Reglementierung von Bademoden herauszuhalten. Eine Gesellschaft, in der das Tragen von Thongs und Arschgeweihen erlaubt ist, wird auch damit leben können, dass es vollverhüllte Irre gibt, die im Freibad jeden Zentimeter Haut bedeckt halten wollen. (Warum man dann überhaupt ins Freibad will? I don’t get it!)
Aber bitte sehr, soll doch jeder nach seiner Fasson unglücklich werden.

Allerdings geht es hier ja nicht nur um die persönlichen Schamgrenzen Einzelner. Es geht ja vielmehr um die politisch-religiöse Durchsetzung eines Begriffs von „islamischer Korrektheit“. Und darin sehe ich das Problem: Indem der Staat nun nicht einfach jedes Outfit freigibt, sondern einen Großversuch anordnet, indem man es zum Ziel erklärt „Toleranz gegenüber Andersgläubigen“ (so der Bäderbetriebschef Lipinsky) auszudrücken, macht man eine Aussage über das, was dieser andere Glaube angeblich vorschreibt. Und da hat der Staat neutral zu sein. 

Denn was dieser Glaube angeblich vorschreibt, ist keineswegs unumstritten. Die Fundis und Ultras wollen bestimmte Begriffe des Erlaubten und Verbotenen durchsetzen und legitimieren dies mit Rückgriff auf ihre Auslegung der Scharia und mit bestimmten Koranstellen. Andere halten dagegen, zunehmend in der Defensive. Der Berliner Senat akzeptiert die Fundi-Deutung, indem er eine Toleranz gegenüber dem Schwimmen im Jogginganzug als „Toleranz gegenüber dem Islam“ versteht. 

Was ist mit der Mehrzahl der Muslime, die diesen Zusammenhang (noch) nicht so akzeptieren? Sie werden, wenn das Experiment „erfolgreich“ verläuft, noch mehr in die Defensive gedrängt. Es gibt dann ja eine vom Senat sanktionierte halal-Bademode. Absurd!

Also: Der Staat soll meinetwegen den Burkini akzeptieren, dann aber dazu das Maul halten und diesen prüden Irrsinn nicht auch noch adeln, indem man ihn für schariakonform erklärt. 

Oder er soll an der bisherigen Regelung festhalten und segregierte Bäder für Neomuslime in Kauf nehmen. Sollen sie doch ihre eigenen Bäder aufmachen.

Was nicht geht, ist das jetzige Vorgehen, mit dem der Senat die Islamisierung des Alltags klammheimlich – und bizarrer Weise unter der Flagge „Toleranz“ – mit betreibt.

Liberale Muslime, Kulturmuslime, Ex-Muslime kämpfen für die Entpolitisierung der Religion und die Enttheologisierung des Alltags. Und der deutsche Staat geht den anderen Weg, indem er die Islamisierung mit einem staatlichen Unbedenklichkeitssiegel versieht? Verkehrte Welt.

p.s. Und noch eine schöne Ironie dieses genialen Modellversuchs: Es muss nun aus hygienischen Gründen gecheckt werden, ob die Muslima Unterwäsche unter dem Burkini trägt. In anderen Worten: Die vermeintlich schariakonforme Kleidung führt zu hoch peinlichen Inspektionen.

Deutscher Bürokratenirrsinn in Perfektion.