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Unser Mann für AFPAK

 

Aus der ZEIT von morgen mein Text zur Benennung Bernd Mützelburgs als Sonderbeauftragter des Auswärtigen Amtes:

 

Dies Wort muss man sich merken: AFPAK. Das ist Diplomatenjargon für das schlimmste Sicherheitsproblem der Welt. AFPAK steht für die Problemzone -Afghanistan und Pakistan. Sie besteht aus einem Rumpfstaat um Kabul, dessen Aufbau nicht vorankommt, während bei seinem atomar bewaffneten Nachbarn ein beängstigender Staatszerfall stattfindet. Und weil beide Entwicklungen unauflöslich miteinander zusammenhängen, hat AFPAK jetzt auch einen Sonderbeauftragten in der Bundesregierung – den Karrierediplomaten Bernd Mützelburg, der bis zum Wochenende Botschafter in Indien war. 

Bernd Mützelburg    Foto: AA

Noch ein Sonderbeauftragter hätte kaum jemanden gekümmert. Doch der Krach in der Regierung, der sofort losbrach, als Außenminister Steinmeier seine Wahl Mützelburgs am Wochenende bekannt machte, bezeugt: Dies hier ist etwas anderes. Es geht nämlich um nicht weniger als die Personifizierung eines Politikwechsels. Und Steinmeier war diesmal schneller. Er hat das Kanzleramt nicht einbezogen und auch nicht die anderen mit Afghanistan befassten Ministerien – Verteidigungs-, Innen- und Entwicklungsministerium. Der Außenminister und Kanzlerkandidat tut dieser Tage viel, um dem Publikum einen Eindruck davon zu geben, wie es wäre, wenn er schon an Merkels Stelle regierte. Während das Kanzleramt sich noch über Steinmeiers eigenmächtige Kür des AFPAK-Gesandten ärgerte, war der Minister bereits am Dienstag in Bagdad und eröffnete vor den Kameras gleich noch ein weiteres Kapitel deutscher Diplomatie.

Der Ärger über Steinmeiers Tour de Force kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass weder die Kanzlerin noch die Ministerkollegen ernsthaft dem neuen Ansatz widersprechen möchten, für den mit Bernd Mützelburg jetzt auch endlich einer der besten Diplomaten des Landes steht. Es ist ein Gemeinplatz geworden, dass der Schlüssel zum afghanischen Problem in Pakistan liegt – wo Taliban und al-Qaida Rückzugsräume finden – und umgekehrt Pakistan nicht zur Ruhe kommen kann, solange es einen failed state zum Nachbarn hat.

Es besteht Hoffnung, dass nach dieser Erkenntnis nun auch gehandelt wird. Präsident Obama hat gleich nach Amtsantritt Richard Holbrooke als seinen Emissär für die Region benannt. Nicht zuletzt auf Holbrookes Drängen bei der Münchner Sicherheitskonferenz kürte Steinmeier Mützelburg. 

Bernd Mützelburg kennt Holbrooke lange. Er war im Auswärtigen Amt an der Vorbereitung der Petersberg-Konferenz für den afghanischen Wiederaufbau beteiligt, später als Ministerialdirektor im Kanzleramt in den deutschen Militäreinsatz am Hindukusch eingeweiht und hat nun drei Jahre in Indien die Region kennengelernt. Kompetenter geht es nicht, und darum wird der ehrpusselige Streit um die Benennung wohl bald vergessen sein.

Im Auswärtigen Amt hofft man, dass Holbrooke und Mützelburg aus der informellen »Freundesgruppe« Pakistans bei den Vereinten Nationen eine regionale Friedenskonferenz entwickeln können – mit möglichst starker Beteiligung islamischer Staaten. Auf dem Balkan ist es schon mal gelungen, eine »Kontaktgruppe« friedenswilliger Staaten zu bilden. Auch da war Holbrooke federführend. 

Doch AFPAK ist eine Problemzone unvergleichlicher Art, wie zwei Nachrichten zeigen, die am Tag von Mützelburgs Ernennung publik wurde: Im letzten Jahr sind in Afghanistan nach UN-Angaben über 2000 Zivilisten getötet worden – 40 Prozent mehr als im Vorjahr. Jeder zweite Tote starb durch das Feuer der afghanischen oder internationalen Truppen. Währenddessen verliert die pakistanische Regierung immer mehr den Zugriff auf die nordwestliche Grenzregion zu Pakistan. Islamabad verkündete am Montag, man werde ein System islamischer Gerichtsbarkeit im Gegenzug für einen Waffenstillstand mit den Taliban im Swat-Tal akzeptieren. Im Klartext: Der pakistanische Staat, der die Taliban militärisch nicht besiegen kann, überlässt die Kontrolle über die Stammesgebiete den -Islamisten und den ihnen genehmen Rechtsgelehrten – in der Hoffnung auf deren Entgegenkommen. Die pakistanische Regierung versucht, die Frommen von den militanten Taliban zu spalten, indem man ihnen die ersehnten Scharia-Gerichte zugesteht. Ein Sprecher der säkularen Anwälte nennt dies »Selbstaufgabe im Angesicht der Feinde unseres Staates«.

Die westlichen Regierungen sehen diese Entwicklung mit Schrecken und haben doch auffällig wenig Neigung, Pakistan für den Deal mit ebenjenen Kräften zu kritisieren, deren Brüder im Geiste man im Nachbarland Afghanistan immer brutaler bekämpft. Das kommt nicht nur daher, dass niemand ein Interesse daran hat, Islamabad in seiner ganzen Schwäche auf der Weltbühne vorzuführen. Die Wahrheit ist: Jeder neue Ansatz zur regionalen Lösung wird Teufelspakte mit jenen Taliban beinhalten, die »nur« die Scharia wollen und nicht die pakistanische Atombombe.

Bernd Mützelburg, der dieser Tage in Berlin sein Team aufbaut, sagt nicht ohne Grund, dass nun die »schwerste Aufgabe meines Lebens« vor ihm liege.