Heute morgen gab es ein interessantes Hintergrundgespräch mit pakistanischen Militärs, Geheimdienstlern und Politikern in Berlin. Es ging um die Sicherheitsinteressen des Landes, insbesondere im Bezug auf Afghanistan. Major General Ghayur Mahmood, der selber 2 Jahre lang eine Infanterie-Brigade in Nord Wasiristan kommandiert hat, führte das Wort. Für mich war es interessant zu hören, wie sehr sich die Pakistaner durch die zunehmende Kritik – vor allem aus Amerika – ins Unrecht gesetzt sehen.
Und die Zahlen des Generals waren in der Tat beeindruckend. 150.000 pakistanische Soldaten stehen an der Westgrenze zu Afghanistan. Aber auch sie können die über 2600 Kilometer gemeinsame Grenze mit Afghanistan nicht effektiv kontrollieren. Die Topographie sein ein „militärischer Alptraum“, sagte der General. Pakistan habe im Kampf gegen den Terrorismus 31.000 Tote zu beklagen, darunter 12.000 Soldaten. 290 Offiziere und 9 Generäle hätten bereits ihr Leben gelassen. Der ISI (Geheimdienst) hat 290 Tote zu verzeichnen, drei von 5 regionalen Hauptquartieren seien von den Terroristen angegriffen worden.
Der finanzielle Schaden des Kampfes gegen den Terrorismus für das Land wird mit 68 Milliarden US-Dollars beziffert. 1.7 Millionen Afghanen leben als Flüchtlinge in Pakistan, zeitweilig waren es bis zu 5 Millionen, und das in einem selbst bitterarmen Land. Der Krieg gegen die Terroristen bedeute eine besondere psychologische Belastung für die pakistanischen Soldaten, weil sie gegen die eigenen Landsleute (oder auch Stammesverwandten) kämpfen müssen.
Es sei sehr bedauerlich, dass die Rückeroberung des Swat-Tals durch die pakistanische Armee nicht gewürdigt worden sei: Die Region war bereits an die Taliban verloren, man habe diese entschlossen bekämpft und die Region von den Terroristen gesäubert. 2 Millionen innere Flüchtlinge hätten darum bereits zurückkehren können. Statt einer Anerkennung dieser Leistung unter großen Opfern gebe es nur Kritik und Verdächtigungen gegenüber Pakistans Armee, sie „spiele ein doppeltes Spiel“, während Pakistan in Wahrheit der Welt einen Dienst erweise.
Der General beklagte, dass die Drohnenangriffe zu viele Kollateralschäden hinterlassen und neuen Hass schüren, der sich auch gegen die Armee richte. Und man wundere sich schon sehr, dass zwar dauernd in Pakistan gebombt werde – wenn die Aufständischen sich aber über die unkontrollierbare Grenze zurückzögen, gebe es keine Drohnenangriffe auf sie. Die mangelnde Kontrolle auf afghanischer Seite sei ein großes Sicherheitsproblem für Pakistan. Bei einem Fall im April seien 500 bewaffnete Kämpfer nach Pakistan eingefallen, aus einem safe haven jenseits der Grenze.
Zur Frage des Abzugs aus Afghanistan bis 2014 war von verschiedenen Teilnehmern zu hören, man fürchte eine Wiederholung der Lage nach dem sowjetischen Abzug: Bitte geht nicht ohne einen Plan und ohne das Vakuum zu füllen. Die afghanische Armee sei keineswegs in der Lage dazu. Sie sei auch ethnisch nicht genügend ausbalanciert, es gebe viel zu wenige Paschtunen darin. Die ANA gelte darum als anti-paschtunisch.
Ein anderer Kommandant zeigte zur Unterstreichung des guten Willens im Antiterrorkampf Bilder von einer Operation in den FATA-Gebieten. Man konnte eine Werkstatt zur Herstellung von IED’s sehen, erbeutete Waffen und tote Taliban. Der Helikopter, der die Operation von der Luft aus unterstützen sollte, musste notlanden. Er stammt aus dem Jahr 1986, als man die Pakistaner aufgerüstet hatte, damit sie den Mudschahedin gegen die Russen helfen konnten. Jetzt kämpfen sie gegen die Erben der Mudschahedin, aber immer noch mit den Waffen aus dem Kalten Krieg.
Selbst wenn man Abstriche macht – das Militär überall in der Welt pflegt über schlechte Ausstattung zu klagen – es ist etwas dran, dass die Welt einen schiefen Blick auf Pakistan wirft. Die Militärs fühlen sich von ihren Alliierten betrogen, weil ihr Land immer nur noch als Pulverfass und „gefährlichstes Land der Welt“ beschrieben wird.
Wir stehen an der Front eures Kampfes, den ihr nur noch von Langley aus mit dem Joystick führt. 300 Al-Kaida Führer und Kämpfer konnten dank der Informationen des ISI getötet worden. Unsere Soldaten sterben in diesem Kampf, sagte der General.