Aus einem Gespräch, das ich gestern mit dem Kollegen Peter Dausend zusammen geführt habe:
DIE ZEIT: Herr Steinmeier, nach der Woche der drei Gipfel wird die Erde atomwaffenfreie Zone, der globale Finanzmarkt geregelt und die Türkei EU-Mitglied. Wie viel Traum steckt darin?
Frank-Walter Steinmeier: Wenn man nicht weiß, wo man hinwill, findet man nicht den Weg. Deshalb ist so unschätzbar wichtig, dass der amerikanische Präsident in Prag die atomwaffenfreie Welt als Ziel seiner Politik beschrieben hat. Das ist Vision und Realismus zugleich. Für mich ist dies das wichtigste Ergebnis der letzten Woche. Ich freue mich natürlich, dass die neue amerikanische Regierung den Weg geht, den ich auf der Münchner Sicherheitskonferenz Anfang Februar vorgeschlagen habe. Andere in Deutschland redeten da noch der nuklearen Abschreckungsstrategie das Wort.
ZEIT: Geht es Barack Obama darum, die Glaubwürdigkeit des Westens wiederzugewinnen?
Steinmeier: Obama weiß, dass wir uns von eigenen Widersprüchen befreien müssen, wenn wir überzeugender gegenüber anderen auftreten wollen. Die Glaubwürdigkeit von Appellen zur atomaren Enthaltsamkeit bleibt begrenzt, wenn man seine eigene Sicherheitspolitik auf atomare Abschreckung gründet. Niemand ist naiv, besonders Obama nicht – er weiß genau, wie schwierig es sein wird, Iran zum Einlenken beim Atomprogramm zu bringen. Das wird leichter zu erreichen sein, wenn die Atomwaffenstaaten selbst abrüsten.
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ZEIT: Die Europäer sind begeistert von Obama, wollen aber keine neuen Lasten übernehmen. In Amerika werfen ihm manche schon Schwäche vor.
Steinmeier: Der Vorwurf ist unberechtigt und zeigt lediglich, dass es auch in den USA noch eine Innenpolitik gibt. Und dass da so manchem konservativem Thinktank die Neuausrichtung der Außenpolitik nicht passt, wundert mich gar nicht. Auch in Deutschland spürt man ja ein gewisses Unbehagen in konservativen Kreisen. Ich halte es da mit anderen US-Kommentatoren: Auf seiner Europareise hat Obama für die USA das vielleicht kostbarste Gut in internationalen Beziehungen wieder neu aufgebaut: Glaubwürdigkeit.
ZEIT: Die USA haben eine Dialogoffensive gestartet. Was kann die deutsche Rolle dabei sein?
Steinmeier: Russland, China oder Syrien: Auch in Deutschland glaubten in den letzten Jahren viele, Gesprächsverweigerung sei eine besonders markige Form der Politik. Heute will man daran nicht gern erinnert werden. Die neue US-Regierung sieht genau, wer in den letzten Jahren, in der Phase der Abschottung und Abgrenzung, in der Außenpolitik die Dialogkanäle offengehalten hat. Deshalb sucht sie jetzt verstärkt das Gespräch mit uns.
Mehr morgen in der ZEIT.