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Das Christentum und die große Stadt – vom Sinn des Pfingstwunders

 

Eine kleine vorgezogene Predigt zu Pfingsten:

Das Pfingstwunder konnte nur in einer großen Stadt geschehen – wo viele Fremde sich begegnen und aneinander vorbei reden. Ohne die “gottesfürchtigen Männer aus allerlei Volk, das unter dem Himmel ist”, von denen die Apostelgeschichte berichtet, wäre ein solches Wunder ja gar nicht nötig geworden.
Pfingsten ist der Ursprung der Kirche. Man hat bei der Deutung der Pfingsüberlieferung immer großen Wert darauf gelegt, dass durch das Pfingstwunder die “babylonische Sprachverwirrung” aufgehoben werde. Zweifellos ist das eine Pointe der Geschichte.  Einer der Zeugen wird zitiert: ”Wir hören sie mit unsern Zungen die großen Taten Gottes reden.” Und dann heißt es weiter: “Sie entsetzten sich aber alle und wurden irre und sprachen einer zu dem andern: Was will das werden?”

Und darin liegt für mich eine wichtige, oft übersehene Seite der Pfingstgeschichte: Das Christentum ist von allem Anfang an Stadtmission – eine frohe Botschaft in einer und für eine multikulturelle Gesellschaft. Die Apostel sprechen zu den “Juden und Judengenossen, Kretern und Arabern”.
Und von Anfang an hat ihr Sprechen auch Widerstände – ja sogar Entsetzen ausgelöst. Denn in dem Universalismus der christlichen Botschaft liegt etwas Umstürzlerisches. Die Menschheit in ihrer Vielgestaltigkeit anzunehmen und doch ihre Zersplittertheit nicht einfach hinzunehmen, wie es die Apostel nach Pfingsten taten, das war etwas Revolutionäres.
Kein Wunder, dass die harthörigen Städter sich über die in Zungen redenden Prediger lustig machen und ihnen nicht abkaufen wollen, dass ihre Botschaft für jedermann gilt und von allen verstanden werden kann: “Die andern aber hatten’s ihren Spott und sprachen: Sie sind voll süßen Weins.”
Das Christentum ist eine städtische Religion. Seine Gemeinde entsteht an Pfingsten aus der Situation einer bedrängten und verlachten Minderheit, die nichts für sich aufzubieten hat als ihre Botschaft und den “Heiligen Geist”.
Viele Zeitgenossen heute sind zu höflich, um es so offen zu sagen: Aber Christen müssen sich auch heute wieder einer Welt erklären, die die christliche Botschaft für “verrückt” hält. Das “Entsetzen” und der Widerstand gegen diese Botschaft sind immer noch da. Man hat die Apostel für Spinner und für Betrunkene erklärt.

Das wird oft zur Seite gedrückt durch den anderen Aspekt des Pfingstwunders – den großartigen Moment, in dem alle plötzlich die Botschaft in ihrer eigenen Sprache verstehen. Ja wohl, in ihrer eigenen Sprache: An Pfingsten wird keine neue christliche Einheitskultur mit einer Einheitssprache begründet. Die Unterschiede bleiben bestehen, und doch ist Verständigung möglich. Eine schöne Utopie für unsere zersplitterte und doch mehr und mehr aufeinander angewiesene globalisierte Welt.

Eine Welt, in der “Juden, Kreter und Araber” sich verstehen lernen und miteinander auskommen müssen.