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Von Kairo nach Buchenwald und Dresden

 

Bei seiner großen Rede in Kairo hat Obama deutlich gemacht, warum er das KZ Buchenwald besuchen wird. Er wird in dem Lager bekräftigen, dass der Holocaust eine unleugbare Tatsache ist.
Es war atemberaubend, wie entschieden und deutlich der amerikanische Präsident sich dem Antisemitismus und der Leugnung der Shoah entgegenstellte – im Herzen der arabischen Welt, in der Judenhass – oft im Gewand der Israelkritik – leider längst Teil der offiziell geduldeten Populärkultur geworden ist.
Natürlich ist der Buchenwald-Besuch auch eine Geste gegenüber dem Iran, dessen Präsident nur einen Tag zuvor wieder einmal vom Holocaust als einem „Betrug“ gesprochen hatte.
Die fast 3000 Studenten und Würdenträger in der Kairoer Universität haben sich wohl noch nie in so klaren Worten anhören müssen, dass die Judenvernichtung durch das NS-Regime eine legitime Quelle des israelischen Wunsches nach einem jüdischen Staat darstellt. Mehr als 6 Millionen Juden wurden ermordet, führte Obama in Kairo aus – mehr Menschen als heute in Israel leben.

Obama sparte nicht mit Kritik an der israelischen Siedlungspolitik, die die Möglichkeit eines palästinensischen Staates – das Ziel des Roadmap-Prozesses – untergräbt. Und er nannte die Situation der palästinensischen Flüchtlinge „unterträglich“. Er bot sich durch die Klarheit seiner Worte zu beiden Seiten als ehrlicher Makler an, der die Parteien in ihren legitimen Ansprüchen akzeptiert.
Bei manchen Israelis löst die neue Balance der amerikanischen Nahostpolitik Ängste aus: Denn nun wird nicht nur mit den „moderaten“ Kräften in der Region verhandelt, sondern früher oder später auch mit denen, die Israels Existenzrecht bestreiten oder dem Staat seine Anerkennung verweigern wie  Hamas, Hisbollah und ihre Paten Syrien und Iran. Heißt das nicht jenen nachgeben, die Israel von der Landkarte tilgen wollen?
Nein. Obama macht in Kairo und Buchenwald klar, dass dem keineswegs so ist: Voraussetzung für solche Verhandlungen ist, dass jüdisches Leiden unter den Nazis und die Legtimität des israelischen Staates anerkannt werden. Erst dann kann man sinnvoller Weise Zugeständnisse erwarten. (Natürlich gilt die gleiche Logik auch für palästinensisches Leiden und den Wunsch nach einem palästinensischen Staat.)

In Deutschland waren im Vorfeld dieses Besuchs kleinliche Stimmen zu vernehmen, die sich darüber beklagten, dass Obama Deutschland durch diesen Besuch selektiv wahrnehme und auf die  Vergangenheit reduziere. Auch war zu hören, er komme hauptsächlich aus taktischen Überlegungen hierher. Obama besucht nämlich bei diesem Nahost-Trip Israel nicht. Und da kann es nicht schaden, so wurde insinuiert, in Buchenwald Zeugnis abzulegen, um die jüdische Öffentlichkeit zu beruhigen. Wenn schon nicht Israel, so wenigstens ein KZ – das war die zynische Logik dieser Unterstellung.
Das ist alles viel zu kurz gedacht: Denn der Präsident bezeugt in Buchenwald zwar zuerst den Opfern seinen Respekt – aber damit eben auch der deutschen Vergangenheitsbewältigung, der Basis für das wiedergewonnene Vertrauen der Welt nach dem Kriege. Dass Obama in Buchenwald – zusammen mit dem Überlebenden Elie Wiesel und der deutschen Kanzlerin – ein Zeichen gegen Antisemitismus setzen will, gereicht Deutschland zur Ehre.
Und zweitens ist es mehr als bloss PR-Taktik Obamas, das KZ aufzusuchen, an dessen Befreiung sein Großonkel Charlie Payne beteiligt war. Obama zieht in Buchenwald einen geschichstpolitischen Strich und stellt seine neue Nahostpolitik auf ein festes Podest. Er sendet die Botschaft in den Nahen Osten: Dass wir jetzt mit (fast allen) reden, bedeutet nicht, dass wir uns mit Relativierern und Leugnern gemein machen werden.
Dass er – nebenher – auch noch ein wenig von Dresden zu sehen bekommen wird, passt übrigens auch in die Logik seiner Argumente, die er in Kairo ausführte. Dort riet er den Palästinensern, sich vom „gewalttätigen Extremismus“ zu distanzieren. Gewalt führe immer in die Sackgasse.
Und dann kam ein sehr geschickter und kluger Schachzug: Obama empfahl den Palästinensern den Kampf der Schwarzen in Amerika als Vorbild, den friedlichen Aufstand gegen die Apartheid, die  friedliche Revolution in Osteuropa gegen den Kommunismus. Allesamt erfolgreiche Kämpfe aus aus mindestens ebenso schwieriger Lage wie heute im Westjordanland und in Gaza.
Guter Punkt. Daran wird Obama in Dresden anknüpfen können, wenn er der Ereignisse in Ostdeutschland vor 20 Jahren gedenkt.