Die Einbürgerungszahlen in Deutschland gehen zurück. Das ist keine gute Nachricht, weil sich erwiesen hat, dass Eingebürgerte weniger Integrationsprobleme haben als solche Einwanderer, die in ihrer Herkunftsnationalität verharren. Ob (und inwieweit) die Einbürgerung dabei wirklich ursächlich ist – oder ob sie vielmehr einen Integrationswillen abrundet, der ohnehin schon zur besseren Eingliederung geführt hat – , ist gar nicht so wichtig: Möglichst flächendeckende Einbürgerung der Menschen nichtdeutscher Herkunft hierzulande, die dauerhaft bleiben wollen, ist das richtige politische Ziel.
Die Bundesregierung hat das immer wieder unterstrichen, zuletzt erst durch eine Begrüßung exemplarischer Neubürger im Kanzleramt durch Angela Merkel.
Und auch dieser Tage, da die neuen Zahlen vorliegen, bekennt Maria Böhmer, die Staatsministerin für Integration: „Sagen Sie Ja zu Deutschland und nutzen sie die Vorteile einer Einbürgerung.“
Die Bundesregierung unterstützt einbürgerungswillige Ausländer, so Böhmer: „Wir haben die Möglichkeiten zur Einbürgerung erleichtert. Wer gut Deutsch spricht und integriert ist, kann jetzt bereits nach sechs statt nach acht Jahren Aufenthalt in Deutschland eingebürgert werden. Auch die Ergebnisse des Einbürgerungstest belegen: Wir bauen keine Hürden bei der Einbürgerung auf“, betonte Böhmer. So hätten im ersten Quartal dieses Jahres fast 99 Prozent der Teilnehmer den Einbürgerungstest bestanden. „Mehr als eine halbe Million Menschen haben sich seit 2005 entschieden, in den Kursen die deutsche Sprache zu erlernen. Das ist ein großer Erfolg“, betonte Böhmer. Um mehr Einbürgerungen zu erreichen, müssten sich beide Seiten – Zuwanderer und Einheimische – anstrengen und einbringen.
Die Migranten sollten Sprache als Voraussetzung und Bildung als Schlüssel für Integration ansehen. Die Einheimischen müssten die Vielfalt der Menschen in unserem Land verstärkt als Chance begreifen. „Besonders für die Einbürgerungsbehörden gilt: Sie müssen sich flächendeckend zu wirklichen Service-Stellen und Integrationsagenturen entwickeln. Denn die Potenziale der Migranten sind oft ein verborgener Schatz, den es zu heben gilt“, erklärte die Staatsministerin
Halten wir fest: Die Staatsministerin preist die „Vielfalt als Chance“ und preist die deutsche Staatsangehörigkeit an wie sauer Bier. Sie nennt die „Potenziale der Migranten“ einen „verborgenen Schatz“ – was angesichts der teils desaströsen Zahlen im Integrationsbericht ja wohl mehr als wohlwollend ist.
Und nun kommt die Antwort der türkischen Verbände.
„Rückgang der Zahl der Einbürgerungen ist alarmierend!“ schreibt die „Türkische Gemeinde in Deutschland“ in einer Pressemitteilung.
„Seit 1990 sind die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erwerb der Staatsangehörigkeit immer weiter erschwert worden. Wir haben bereits früh auf die Gefahr des Rückgangs der Einbürgerungsanträge hingewiesen und deutliche Kritik geübt“, erklärte der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat.
„Bis auf das im Jahr 2000 eingeführte halbherzige Geburtsortprinzip wurden immer größere Barrieren aufgebaut. Diese betreffen unter anderem Erschwernisse in Bezug auf den Deutsch-Test, die nachhaltige Überprüfung des Lebensunterhaltes und der Einführung des Einbürgerungstests“, sagte Kolat weiter.
99 Prozent der Teilnehmer bestehen den Einbürgerungstest – aber Kenan Kolat möchte ihn dennoch als eine abschreckende Hürde hinstellen! Das ist nichts als nationalistische Demagogie.
Weiter: „Die politischen Parteien können ihrem verfassungsmäßigen Auftrag, den Willensbildungsprozess zu fördern, bei der nichtdeutschen Bevölkerung nicht nachkommen, erklärte die Türkische Gemeinde in Deutschland, da sie diese Gruppe nicht als Wähler/innen ansehen.“
Das ist ganz offensichtlich nicht richtig. Frau Böhmer macht auf eine fast schon nicht mehr würdige Weise Werbung für die deutsche Staatsangehörigkeit.
Weiter: „Die Bundesregierung ist aufgerufen, dieser negativen Entwicklung Einhalt zu gebieten. Ein demokratischer Rechtsstaat kann sich nicht leisten, dass über 7 Millionen Menschen mit minderen Rechten dauerhaft hier leben.“
Unfasslich: Wie wäre es, wenn sich der Türkische Bund darum kümmern könnte, die Reserven der Türken gegen die deutsche Staatsangehörigkeit abzutragen, statt sich in Stimmungsmache gegen die Regierung zu ergehen?
Welch ein Bild von den eigenen Leute muss man eigentlich haben, wenn einem immer nur einfällt, dass die Schwellen gesenkt werden müssen?
Ins gleiche Horn stößt der Vorsitzende des Türkischen Bunds Berlin Brandenburg, Safter Cinar:
„Eine Politik, die die Menschen mit Migrationshintergrund immerfort als Problemverursacher darstellt und laufend rechtliche Verschärfungen umsetzt, darf sich nicht darüber wundern, dass die Betroffenen sich nicht anerkannt fühlen und ihr Interesse an der deutschen Staatsbürgerschaft zurückgeht.“
Hinzu komme noch die von der Rot-Grünen-Regierung abgeschaffte Möglichkeit der Mehrstaatigkeit als Hindernis, so Çınar.
Die Erklärung der Staatsministerin und Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Prof. Böhmer, sie wolle weiter für Einbürgerung „werben“, kommentierte Çınar: „Einbürgerung ist kein Vollwaschmittel, dessen Verkaufszahlen durch bessere Werbung gesteigert werden kann.“ Solange die Staatsbürgerschaft als ‚Krönung der Integration‘ definiert werde und nicht als ‚Motor bzw. Motivation der Integration‘ begriffen wird und die Integrationserfolge nicht anerkannt werden, werde durch Werbung alleine keine Steigerung zu erzielen sein, so Çınar weiter.
Also: Man übergießt die Bundesregierung, die in die deutsche Staatsbürgerschaft einlädt, mit Hohn. Statt die Zurückhaltung der eigenen Leute beim Erwerb des deutschen Passes als Problem anzuerkennen und selber Abhilfe zu schaffen.
p.s. Hier sind die Zahlen für die Türken (Quelle: Türkische Gemeinde, aufgrund der Daten des Statistischen Bundesants)
EINBÜRGERUNGEN IN DEUTSCHLAND
(Türken)
Jahre Zahl der Einbürgerungen
1972 – 182
1973 – 272
1974 – 374
1975 – 225
1976 – 280
1977 – 257
1978 – 317
1979 – 312
1980 – 399
1981 – 534
1982 – 580
1983 – 853
1984 – 1.053
1985 – 1.310
1986 – 1.492
1987 – 1.184
1988 – 1.243
1989 – 1.713
1990 – 2.034
1991 – 3.529
1992 – 7.377
1993 – 12.915
1994 – 19.590
1995 – 31.578
1996 – 46.294
1997 – 42.240
1998 – 59.664
1999 – 103.900
2000 – 82.861
2001 – 76.573
2002 – 64.631
2003 – 56.244
2004 – 44.465
2005 – 32.661
2006 – 33.478
2007 – 28.861
2008 – 24.449
Gesamtzahl der Einbürgerungen – 785.924