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Let my people go: Die Türkei muss aufhören, ihre Auswanderer zu vereinnahmen

 

Dem deutsch-türkischen Mediendienst EUROPRESS entnehme ich folgende Meldung:

«Wir werden die europäischen Imame in der Türkei ausbilden», heißt es in der national-islamischen TÜRKIYE. Damit zitiert die Zeitung den Präsidenten des Amtes für religiöse Angelegenheiten (Diyanet), Ali Bardakoglu. Bei einem Besuch in Holland habe Bardakoglu angekündigt, dass in Zukunft «Jugendliche aus Europa an theologischen Fakultäten in der Türkei zu Imamen ausgebildet werden und dann nach Europa entsendet werden sollen».

Soso, die Türkei schickt Europa in alle Ewigkeit Imame? Sie will aus Einwanderern, die die Türkei nur als Urlaubsland kennen, Botschafter eines türkischen Islams formen, wie er bei Dyanet gehütet wird? Das fügt sich leider nahtlos ein in den Anspruch des türkischen Staates – wie jüngst wieder von Ministerpräsident Erdogan im Interview mit der ZEIT geäußert, die türkeistämmigen Europäer bis zum Sankt-Nimmerleinstag zu betreuen, zu betüddeln und letztlich für eigene politische Zwecke zu instrumentalisieren.

Wie heißt es doch so schön in dem alten Gospel-Lied: „Tell ol‘ Pharao, Let my people go!“

Die Türken in Europa müssen sich dagegen verwehren. Ein europäischer Islam, wenn er denn etwas anderes als ein Schreckbild sein soll, muss sich in weitgehender Unabhängigkeit von der alten Heimat bilden.

Für den deutschen Staat heißt das: Imamausbildung, Theologie, Religionslehrerausbildung endlich unter hiesiger Aufsicht an hiesigen Universitäten. Bardakoglu macht ja deutlich, dass die Türkei sich da nicht so sehr als Partner, sondern als Konkurrent zu verhalten gedenkt. Also machen wir ihr endlich Konkurrenz!

Warum das nötig ist, liegt auf der Hand:

– wenn Imame nicht nur Vorbeter, sondern auch Gemeinde-Seelsorger sein sollen, was dringend nötig wäre, dann brauchen sie eine Ausbildung hier, wo man etwas von den Problemen der Menschen weiß, mit denen sie zu tun haben werden

– ein europäischer Islam muss das Religiöse und das Nationale trennen, das im Diyanet-Staatsislam – genauso wie auch im Konkurrenzprodukt der Milli Görüs („nationale Sicht“) – verschmolzen ist; die religiöse Identität als Muslim und die ethnische Herkunft (Türke, Bosnier, Syrer)  werden natürlich immer auf der Ebene des kulturellen Gedächtnisses verflochten bleiben – aber sie dürfen nicht mehr als quasi-identisch gehandhabt werden, wie das in der Dyanet-Ditib-Praxis der Fall ist; wie bizarr das sich auswirkt, zeigt der Fall der angeblich laizistischen „Türkischen Gemeinde in Deutschland“ (TGD), die nun in der Islamkonferenz mitredet; also: Entflechtung, Baby!

– auch für die Seite des deutschen Staates und der allgemeinen Öffentlichkeit ist es nicht zielführend, mit Imamen zusammenzuarbeiten, die in der Türkei ausgebildet wurden – als würde man erst dort zum wahren Muslim werden können

Der türkische Staat muss die Auslandstürken endlich in Ruhe lassen. Der deutsche Staat muss im Gegenzug mehr dafür tun, dass diejenigen, die das wollen, auf eine mit hiesigen Verhältnissen kompatible religiöse Infrastruktur zurückgreifen können.