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Lamya Kaddor über Islam im Schulalltag

 

Lamya Kaddor spricht im Tagesspiegel über ihre Erfahrungen als Lehrerin mit dem Islam ihrer Schüler:

Na ja, ich gehe eigentlich nie in eine Moschee.

Bitte?

Mir passt vieles nicht, was da gepredigt wird – etwa, wenn es um die Rollenverteilung zwischen Mann und Frau geht. Fast immer spielt die Politik hinein: In der einen Moschee wird gegen Israel gewettert, in der anderen kriegen Sie die türkische Staatspolitik serviert. Auch die Art des Predigens, dieses ständige Ermahnen, gefällt mir nicht.

Sie gelten als Vordenkerin der liberalen Muslime in Deutschland. Viele Menschen bezweifeln, dass es das überhaupt gibt: liberale Muslime.

Und ob es die gibt! Leute wie ich sind die Mehrheit. Wir sind hier aufgewachsen, haben eine Ausbildung gemacht oder studiert. Wir leben hier gut, und wir identifizieren uns mit diesem Staat. Nur glauben wir eben an den Islam.

(…)

Sie schreiben, einige Ihrer Schüler seien entsetzt gewesen, dass Sie kein Kopftuch tragen.

Ja, für viele der Mädchen gehört das Kopftuch einfach dazu, wie bei anderen die offenen, langen blonden Haare – es geht dabei nicht um religiösen Zwang oder ein politisches Symbol. Keine Einzige konnte mir bislang erklären, warum sie es trägt. Sie sagen: Das steht im Koran. Dann frage ich: Wo denn? Antwort: Das weiß doch jeder, dass das da drin steht! Ich selbst halte das Kopftuch hier im Deutschland des 21. Jahrhunderts einfach für unzeitgemäß. Im 7. Jahrhundert, als Mohammed den Koran empfangen hat, war man ohne das Tuch angreifbar, fast vogelfrei. Diese Schutzfunktion braucht es in der heutigen Gesellschaft nicht mehr, da mich Recht und Gesetz schützen. Ob ich meine Haare zeige oder nicht, ist völlig egal. Ich habe natürlich nichts dagegen, dass jemand Kopftuch trägt, aber ich finde, man sollte wissen, warum.

(…)

Warum begehren die Jugendlichen nicht gegen diese überkommenen Traditionen auf?

Weil sie gar nicht in der Lage sind, zu hinterfragen. Ihnen fehlt es an Bildung.

Oder trauen sie es sich nicht, weil es in den Familien sehr autoritär zugeht?

Bei den meisten gibt es gar keine Autorität. Die Mutter ist überfordert, der Vater schlägt zu oder ist abwesend, weil er arbeitet oder in einer Teestube rumsitzt. Bei unseren deutschstämmigen Schülern sieht es zu Hause nicht besser aus. Die Jugendlichen können sich dann auch nicht anders wehren als durch schreien und schlagen. Morgens sind viele schon so aggressiv aufgeladen, dass man ihnen am liebsten lauter Sechsen geben würde. Die Ehrgeizigen werden gemobbt oder leben in ihrer eigenen Welt. Kaum einer meiner Schüler hat jemals von seinem Vater gesagt bekommen: Ich habe dich lieb. Zuwendung bekommen sie höchstens von der Mutter. Ich habe sie mal gefragt: Findet ihr das nicht komisch? Das ist denen auch aufgefallen, dass das komisch ist.