Ein europäisches Kernland, das zu den Gründungsmitgliedern der Europäischen Union gehörte, als sie noch EGKS und dann EWG hieß; das Land, das in der europäischen Hauptstadt die wichtigsten Institutionen beherbergt – Europäische Komission, Rat und Nato – steht vor dem Zerfall. An einem Wahlkreis, der zwischen flämischen und wallonischen Belgiern gespalten ist, hat sich die Regierung zerlegt. Es macht sich immer stärkerer Hass zwischen niederländisch und französisch geprägten Volksgruppen breit.
Nur eines hält das Land noch zusammen, nur eine Maßnahme hat das Parlament noch in dieser Woche des Zerfalls mit nahezu völliger Übereinstimmung verabschieden können: ein Verbot der Vollverschleierung, vulgo „Burkaverbot“.
Das ist die letzte Frage, in der sich das im Bruderhass zerfallende Land noch einigen kann: Die geschätzten mehreren Dutzend Vollschleier (meist eher Nikab als Burka) sind des Übels und müssen mit Geldbußen uns Gefängnis verboten werden.
Was für ein trauriges Bild Europa in diesen Tagen abgibt! Flamen hassen Wallonen, Deutsche geben nichts für Griechen, Griechen halten Deutsche eh für Nazis, Franzosen schimpfen auf Deutsche. Der Euro wird zur Hölle gewünscht, die Erweiterung für falsch erklärt. Ein Bild der Verzagtheit und des Kleinmuts.
Ist Belgien ein treffendes Symbol dieser Verzaghheit? Nur für ein Burkaverbot reicht die Energie noch, bevor das Land zur Hölle fährt. Man ist zwar nicht in der Lage, einen Wahlkreis gerecht unter Flamen und Wallonen aufzuteilen – man kommt also schon mit der Herausforderung des innereuropäischen Multikulturalismus nicht klar. Aber wenn es gegen ein Symbol des unheimlichen Islam geht, ist plötzlich wieder ein Konsens da.
Hoffentlich ist, was sich im europäischen Kernland Belgien abspielt, kein Menetekel für ganz Europa.