Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Warum Islamische Theologie? Antwort auf Mina Ahadi

 

Mina Ahadi hat offenbar meinen Blogpost von letzter Woche gelesen und sich geärgert. Ihre Antwort bestätigt leider meine Befürchtungen: So undifferenziert, panisch und voller Unterstellungen argumentiert Frau Ahadi, dass der „Islamkritik“ hier ein Bärendienst erwiesen wird.
Zitat:

„Über eine für ihn irgendwie anregende Begegnung mit einer Referentin aus Israel, Sarah Stroumsa, wusste Lau wiederzugeben, dass es für die Professorin in Israel und Indonesien nicht und in Marokko sowie in der Türkei nicht mehr nicht möglich sei, völlig frei über den Islam zu diskutieren. Warum das so ist, sagte Lau zwar nicht, ob sie als israelische Staatsbürgerin nicht einreisen darf oder ob sie befürchtet, als Islamkritikerin bedroht zu werden. Nur in Europa jedenfalls könne man noch diskutieren. Dass der organisierte Islam einer jeden Kritik gegenüber intolerant ist und den Gegner der Scharia bedroht oder ermordet, hat die Wissenschaftlerin aus Jerusalem vielleicht nicht verstanden und scheint Herrn Lau gar nicht erst zu interessieren.

Sehr geehrter Herr Lau, ich frage Sie, was ist in Köln beschlossen worden, was plant die Deutsche Bundesregierung? Wer war dort aktiv, welche Rolle haben die durchweg gegenmodern orientierten islamischen Organisationen dort in Köln am 13. und 14. Juli gespielt? Was sagt die Bundesregierung zur „ewigen“ Scharia und zur islamischen „auf Zeit und Raum bezogenen“ Rechtssprechung der frauenfeindlichen Scharia?
In Köln lag ein Buch der Organisatoren vom WR aus, in dem festgestellt wird, dass die Menschen in unserer Zeit wieder mehr Sehnsucht nach Religiosität und religiöser Rechtleitung haben. Damit will man der Bevölkerung klar machen, dass Islamische Studien an die Universitäten gehören, um religiöse Autoritäten kompetent auszubilden. Als ob ein Molla oder ein Pastor ‚Religion‘ propagieren und ‚erfolgreich‘ verbreiten könnte. Was die christliche oder islamische Geistlichkeit im Angebot hat, ist ein System der Macht und der Abhängigkeit. Die Toleranz oder inzwischen die Begeisterung für das Religiöse, auch für den Islam, wird weitergehen, bis die brutale Scharia vollumfänglich kommt. Wenn CDU und CSU die Einmischung der Religion in Politik und Schulpolitik fordern, dann erstarken auch die Islamisten. Eine ungehemmt proreligiöse Deutsche Regierung wird kein Problem damit haben, die rechtsspaltende Scharia auch hierzulande zu akzeptieren und wird Mustafa Ceric gerne als Gast einladen. Wenn dann noch Jörg Lau die Moderation übernimmt, haben sich die richtigen Akteure gesucht und gefunden, passt alles sehr harmonisch zusammen, nur von der Demokratie bleibt dann nicht mehr viel übrig.“

Dazu sage ich erstens, dass ich, indem ich Frau Stroumsas Schwierigkeiten beim Dialog mit Muslimen erwähne, natürlich implizit die mangelnde  Debattenkultur in der muslimisch-arabischen Welt anprangere. Natürlich bekommt sie als Israeli kein Visum oder ist gefährdet, so dass sie eben nicht zu Konferenzen reisen kann. Ist doch wohl evident! Dass Frau Stroumsa in Bonn aber ins Gespräch kommen konnte und wollte – das ist doch bemerkenswert und widerspricht der Vorstellung, der Wissenschaftsrat wolle hinter verschlossenen Türen irgendein Schariabefürworter-Komplott inszenieren.

Wie gedankenlos (sorry, Frau Ahadi!) aber diese Bemerkung:

dass „der organisierte Islam einer jeden Kritik gegenüber intolerant ist und den Gegner der Scharia bedroht oder ermordet, hat die Wissenschaftlerin aus Jerusalem vielleicht nicht verstanden“.

Ich fürchte, Jerusalem ist ein ganz guter Ort, um zu verstehen, wie gefährlich der Islamismus ist. Ein bisschen billig, vom sicheren deutschen Hafen so daherzuschwätzen. Und was ist „der organisierte Islam“? Hamas? IGMG? Ditib? Der „Verein liberaler Muslime“? Alles eins?

Welche Rolle haben die islamischen Verbände in Köln gespielt? Nun, sie waren nicht allzu glücklich. Denn zwar sollen sie eine Rolle spielen bei der Einrichtung von Lehrstühlen für Islamische Theologie. Aber es ist eindeutig, dass man ihnen dabei keine den Kirchen analoge Rolle zumessen will. Sie sollen in Form von Beiräten an den Lehrstühlen beteiligt werden, weil das deutsche Religionsverfassungsrecht dies aus Gründen der Religionsfreiheit vorsieht: Der Staat darf bei uns nicht die Inhalte der Theologien vorgeben. Und das ist gut so! Weil die Verbände aber weder repräsentativ genug sind noch die theologische Kompetenz besitzen, hier allein als das Gegenüber des Staates bei der Einrichtung von Lehrstühlen für islamische Theologie aufzutreten, werden sie in den Beiräten von anderen Mitspielern ergänzt werden. Wie das passieren soll, das wird eine interessante Debatte. In Bonn waren die Stimmen überwältigend, die für eine kleine Rolle der Verbände plädierten.

Im übrigen: Die Beiratskonstruktion selber war ein kontroverses Thema, und sie wird es bleiben. Eindeutig ist jedoch: Ziel der Einrichtung von Lehrstühlen für Islamische Theologie ist Wissenschaftlichkeit nach Maßgaben der deutschen Universität. Also: eine historisch-kritische Selbstreflexion des Islams. Ob das möglich ist, ob das wirklich gelingen kann, ist die Frage. Frau Stroumsa, die ich zitiert habe, ist zum Beispiel der Meinung, das könne nicht gelingen, und sie will darum lieber an der nicht bekenntnisgebundenen Islamwissenschaft festhalten. (Die soll ja auch nicht ersetzt werden.)

Mehrere anwesende Islamwissenschaftler plädierten ebenso gegen ein Fach „Islamische Theologie“, zum Beispiel Rainer Brunner aus Paris. Viel diskutiert war auch ein kritisches Papier von Patrick Franke aus Bamberg, in dem die Bedenken dargelegt werden. Ich selber bin mir noch nicht abschließend sicher. Aber die Suggestion von Frau Ahadi, „eine ungehemmt proreligiöse Deutsche Regierung wird kein Problem damit haben, die rechtsspaltende Scharia auch hierzulande zu akzeptieren“, ist einfach bizarr.

Warum nun „Islamische Theologie“ an deutschen Universitäten? Mina Ahadi sollte mit ihren iranischen Erfahrungen ein Motiv verstehen können: Es geht um die Unabhängigkeit der islamischen Diaspora von den Autoriäten daheim (Ghom, Al-Azhar, Ankara). Zweitens, und dieses Argument wird sie als überzeugte Atheistin nicht verstehen können (aber gesellschaftspolitisch könnte es ihr doch einleuchten): Es geht darum, eine religiöse Sprache des Islam (auf Deutsch!) zu entwickeln, die zum Leben hier und jetzt in einer religiös pluralen und säkularen Gesellschaft passt. Religion solle eine rein private Angelegenheit sein, fordert Frau Ahadi. Was die möglichen Ansprüche religiös begründeter Normen an die Bürger hier angeht, ist das doch so. Es gibt eine uneingeschränkte negative Religionsfreiheit in diesem Land. Wer kein Kruzifix in der Schule will, kann darauf bestehen, dass es abgehängt wird, und darf dabei auf das Bundesverfassungsgericht verweisen.

Warum dann Islamische Theologie an staatliche Unis? Die Ansprüche und Grundsätze des deutschen Wissenschaftssystems sollen eben dafür garantieren, dass die Standards gewahrt werden, was Kritikfähigkeit, Wissenschaftsfreiheit und Methodentransparenz angeht. Es geht, wie in den Empfehlungen des Wissenschaftsrats ausgeführt, um die „reflexive Selbstvergewisserung der pluralen islamischen Tradition im Dialog mit den anderen Universitätsdiziplinen“ – in anderen Worten um eine kritische islamische Theologie.

Wie gesagt: Man mag Zweifel daran haben, ob das Ziel sinnvoll ist, ob es erreichbar ist mit den vorgeschlagenen Strukturen – und sogar, ob es überhaupt ein erreichbares Ziel für die islamische Theologie ist. Es als Komplott einer „Elite von Islamverharmlosern“ abzutun, ist einfach nur borniert. Ich bleibe dabei: Diese Oberflächlichkeit einer so genannten „Islamkritik“ macht den Begriff zur Lachnummer.