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Libyen: Der Untergang

 

Als gerade die große Rede aus dem Führerbunker in Tripolis begann, stand ich in der Podbielskiallee 42 in Berlin-Dahlem. Ich habe versucht, den libyschen Botschafter Jamal El-Baraq zu finden. Die Telefone in der Botschaft werden seit Stunden nicht mehr bedient.

Die Website der Botschaft ist von Oppositionellen gehackt worden. Sie enthält nur noch eine Botschaft an Gaddafi in Arabisch und die Nummer eines libyschen Oppositionellen namens el Ghati. Ich habe also Herrn el Ghati angerufen, der es offenbar sehr eilig hat. Er verwies mich weiter an einen Herrn Mohammed Ben Hmeda, der seit den Siebzigern in Deutschland lebt und 1984 vom Regime in absentia zum Tode verurteilt worden ist. Ben Hmeda macht sich große Sorgen um die Gleichgesinnten in Libyen und kritisiert die immer noch zu schwache Position der Europäer. Gaddafi sei „ein Unmensch“, man habe immer darauf hingewiesen. Er müsse gewaltsam gestürzt werden, darum sei es Blödsinn, wie es Frau Ashton im Namen der Europäer getan habe, beide Seiten zur Gewaltlosigkeit aufzufordern.

Es war falsch, sagt Ben Hmeda, Libyen nach Lockerbie zu rehabilitieren und Waffen an das Regime zu liefern. Es sei klar gewesen, dass diese eines Tages gegen die eigenen Leute eingesetzt werden würden.

Zu den europäischen Ängsten vor Chaos und Bürgerkrieg sagt er, diese würden gezielt vom Regime geschürt und seien genauso unsinnig wie die „Lüge, dass der islamistische Fundamentalismus droht“.

Die ganze Familie Gaddafi müsse entmachtet und vor Gericht gestellt werden. Europa müsse deutlich zu seinem Sturz aufrufen. Die Situation in den Straßen von Tripolis sei ein Alptraum: Söldner schössen auf Zivilisten, um Terror zu verbreiten.

Danach sprach ich noch mit Ali Zeidan, einem anderen Menschenrechtsaktivisten libyscher Herkunft, aber in Deutschland geboren. Er erzählte mir, dass die Mitarbeiter der Botschaft in Berlin – sechs Libyer – entlassen worden seien, weil sie sich geweigert haben, für das Regime zu demonstrieren. Er forderte den Botschafter auf, sich vom Regime zu distanzieren wie schon viele seiner Kollegen (bei den UN, in Indien, bei der Arabischen Liga). Morgen um 13 h will Ali Zeidan an einer Demo vor dem Auswärtigen Amt in Berlin teilnehmen.

Gaddafi, sagte Ali Zeidan, habe dem Volk den Krieg erklärt, und sein Sohn habe dies mit seiner Rede bestätigt. Es fehlen dringend Medikamente und in einzelnen Städten auch schon Nahrungsmittel. Die Bundesregierung müsse ein deutliches Statement abgeben, meint er.

Die Oppositionellen sind voller Hoffnung, dass auch in Libyen der Wandel zum Besseren gelingen kann und drängen den Westen, sich nicht von der Propaganda des Regimes einschüchtern zu lassen, dass nach Gaddafi die Sintflut kommt.

Unterdessen bleibt mein Versuch, den Botschafter zu stellen, erfolglos. Keine Reaktion auf meine Anrufe, keine Reaktion in der Botschaft auf mein Klingeln. Ein einsamer, verfrorener Wachtmann schaut mich von ferne  nervös an. In der Podbielskiallee 42 ist das Licht schon aus.

p.s. 5oo Meter weiter unten in der Allee, gleich auf der anderen Seite, ist die iranische Botschaft. Wie gerne würde ich die Gespräche hören, die dort dieser Tage geführt werden.