David Cameron, der britische Premier, hat letzte Woche eine Grundsatzrede zur Einwanderung gehalten. Genauer gesagt: Es war eine Rede über die Einschränkung der Einwanderung. Erwartungsgemäß wurde sie vor allem von links her kritisiert. Auch der liberaldemokratische Koalitionspartner nahm den Regierungschef hart ran. (Hier die Rede.)
Das halte ich für kurzsichtig. Der Nationalstaat ist einstweilen das einzige Gefäß der Demokratie, das wir haben (bis eventuell auch einmal eine supranationale Demokratie auf europäischer Ebene funktioniert, braucht es eine weitere Generation). Die Möglichkeit zur Kontrolle der Grenzen und (post-Schengen) der Staatsangehörigkeit ist ein Kernelement der Staatlichkeit. In anderen Worten: Wenn der Eindruck entsteht, ein Staat habe darüber keine Kontrolle mehr, unterhöhlt das die Legitimität dieses Staates. Die Linke in Deutschland hat dies in den Jahren zwischen dem Asylkompromiss von 1992 und den Schily’schen Sicherheitsgesetzen zehn Jahre später gelernt.
Cameron setzt sich in seiner Rede mit den Migrations-Defätisten auseinander, die von der Nichtsteuerbarkeit von Wanderungsprozessen ausgehen. Grossbritannien kann die Migration innerhalb der EU zwar nicht mehr steuern, aber die macht auch nur einen geringen Anteil aus. Der wesentliche Teil ist die außereuropäische Migration, und die ist mit fast 200.000 Zugängen im letzten Jahr in der Tat sehr hoch. Cameron kündigt an, Schlupflöcher zu stopfen, wie etwa bei der Vergabe von Studentenvisa, wo es offenbar einigen Mißbrauch gibt. Beim Familiennachzug soll es auch Beschränkungen geben. Die Kriterien zur Erteilung von Arbeitsvisa werden erhöht. Außerdem sollen die Anreize im Sozialsystem korrigiert werden, damit sich Arbeit wieder mehr lohnt als Stütze (also das, was in Deutschland erst durch Rotgrün angefasst wurde, Stichwort Hartz 4).
Ich finde einige der Beispiele, mit denen Cameron arbeitet zwar etwas tendenziös (der chinesische Koch, das indische Plakat). Aber insgesamt hat diese Rede für meinen Geschmack keinen falschen Ton. Es wird nicht ethnisiert, nicht religiös oder kulturalistisch argumentiert. Cameron argumentiert vom Gemeinwohl her, und es ist dumm, das als „rechts blinken“ abzutun.
Ich finde, er hebt sich mit seiner pragmatischen Rede wohltuend von den Schwesterparteien auf dem Kontinent ab. Sarkozy macht spektakuläre Symbolpolitik (Burka, Identitätsdebatte), die am Ende keine relevantes Problem löst. Die Christdemokraten fallen immer wieder zurück in Kulturalismus und religiöse Identitätsspiele (Kruzifix), und sie machen eine irrationale Zuwanderungspolitik, die an deutschen Interessen vorbeigeht. Die Einkommensgrenzen für begabte und hoch qualifizierte Einwanderer sind hierzulande zum Beispiel viel zu hoch.
Die britischen Konservativen hingegen stehen für ein Punktesystem, das Einwanderung nach rationalen Kriterien zu regeln versucht. Warum ist das bei uns nicht denkbar, obwohl doch das Volk eine recht pragmatische Einstellung hat?