„Achse des Guten“ war einmal ein radikal liberales Blog, stolz darauf, sich keine Denkverbote auferlegen zu lassen und den mittigen Mainstream herauszufordern. Seit Jahren beobachte ich ein Abdriften in eine Ressentiment-Rhetorik – wenn ich denn mal einen Link zurückverfolge, den ich irgendwo finde. Ich vermeide es, diese Seite regelmäßig zu lesen, ebenso wie PI – es bringt einfach nichts. Man regt sich uff und hat nischt von, wie es in Berlin heißt.
Als ich diesen Text las, war ich einigermassen geschockt. Dass Tsafrir Cohens Einsatz für die Menschenrechte der Palästinenser von Broder nicht goutiert werden würde – geschenkt. Man kann auch durchaus der Meinung sein, Gruppen wie medico international, für die Tsfarir arbeitet, seien zu einseitig in ihrem Focus auf die Leiden der Palästinenser unter der Besatzung. Ich teile diese Kritik zwar nicht, aber sie ist natürlich legitim.
Henryk M. Broder aber nimmt nun merkwürdiger Weise eine Meldung von medico über palästinensische Menschrechtsverletzungen zum Anlass, gegen medico und andere NGOs zu polemisieren.
Zitat aus der Mail von medico, die auch Broder aufgreift:
„Erst vor einigen Tagen wurde der Menschenrechtsaktivist Mahmoud Abu Rahma von der medico-Partnerorganisation Al Mezan in Gaza von drei vermummten Angreifern mit Messern verletzt. Die Täter begründeten den Überfall mit einem jüngst von Abu Rahma veröffentlichten Artikel. Darin warnt er vor einem System der Rechtlosigkeit und der Willkür, das entstehe wenn Regierung und Widerstandsgruppen das Recht auf Meinungsfreiheit oder auf physische Unversehrtheit weiter mit Füßen treten.
Die Berichte aus dem Arbeitsalltag der Gazaer Menschenrechtsorganisation sind erschreckend. Sowohl Fatah wie auch Hamas setzen willkürliche Verhaftungen und Folter zur Einschüchterung des politischen Gegners im innerpalästinensischen Machtkampf ein. Al Mezan liegen Hunderte Fälle von Folter sowohl in der Westbank als auch Gazastreifen vor, die in mehreren Fällen mit dem Tod endeten. Die palästinensischen Quasiregierungen verweigern dazu Auskünfte und seriöse Untersuchungen.“
Man kann darauf mit der Retourkutsche reagieren: „Ach, das merkt ihr aber spät!“
(Auch wenn es nicht stimmt, dass medico auf die Menschenrechtsverletzungen der palästinensischen Regierungen nicht hingewiesen hat. Warum sonst sollte sie Al Mezan unterstützen? Zitat von der medico-Website vom Juli 2010:
„Zum anderen sind es aber auch die beiden palästinensischen Verwaltungen, deren despotische Tendenzen gegenüber der eigenen Bevölkerung zunehmen. Dabei werden Einschränkungen von Menschenrechten immer häufiger religiös begründet. Oder mit einem Fingerzeig auf den politischen Gegner. Der Zwist zwischen Fatah, die in der Westbank herrscht und der Hamas im Gazastreifen droht nicht nur die durch die israelische Trennungspolitik verursachte innerpalästinensische Spaltung zu zementieren, sondern führt dazu, dass die beiden palästinensischen ‚Regierungen‘ die Rechte des jeweiligen politischen Gegners mit ‚Sicherheitsgründen‘ begründen, um diese dann systematisch einzuschränken.“)
Dass Broders Darstellung der Arbeit von medico unfair ist – geschenkt.
Abstoßend ist Broders Wortwahl, wo es darum geht, Tsafrir Cohen zu disqualifizieren. Er läßt sich lange und eingehend über Tsafrirs Homosexualität aus. Man wird darüber informiert, dass Tsafrir vor langer Zeit einen Schwulen-Guide für Berlin geschrieben hat, bevor er vor einigen Jahren das medico-Büro in Ramallah übernahm. Was genau das über die politische Zuverlässigkeit Cohens oder medicos besgt, bleibt im Dunkeln. Der Text gipfelt schließlich in der höhnischen Bemerkung:
„Wo sich doch medico international und Hunderte anderer NGOs um die Not leidende Bevölkerung kümmern! Tag und Nacht, von vorne und von hinten.“
Und schließlich heißt es über die NGOs in den palästinensischen Gebieten: „So lange dieses parasitäre Pack nicht von seinem ‚Recht auf Rückkehr‘ Gebrauch macht, wird es keinen Frieden in Palästina geben.“
Der Gegner ist schwul und „parasitäres Pack“ – das ist eine rechtsextreme Rhetorik, die der Broder, den ich einmal kannte, einfach nur widerlich gefunden hätte.