Boaulem Sansal in Jerusalem: So fängt Frieden an

Boualem Sansal, der algerische Schriftsteller, der letztes Jahr den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels gewann, hat etwas Einfaches und doch Außergewöhnliches getan: Er ist nach Jerusalem gereist, um dort  an einem Literaturfestival teilzunehmen. Für einen Algerier ist eine direkte Reise nicht möglich, also nahm er den Weg über Paris. Jenseits der praktischen Probleme einer solchen Reise bringt sie noch ganz andere mögliche Folgen mit sich: Wer sich einen israelischen Stempel in seinen algerischen Pass machen lässt, stempelt sich damit selbst zum Verräter in den Augen der Behörden, vor allem aber der radikalen Islamisten, ab.

Wie ich hier berichtet hatte, war Sansal letztes Jahr zur Zielscheibe einer widerlichen antisemtischen Kampagne geworden (ohne freilich selbst Jude zu sein, es reicht als „Judenfreund“ zu gelten). Die Antwort dieses Autors: Jetzt erst recht nach Jerusalem. Über seine Reise hat er einen ersten  Bericht geschrieben, den ich sehr beeindruckend finde. Mit solchen Gesten menschlicher Größe fängt der Frieden an.

„Haltet euch vor Augen, dass sie mich keiner geringeren Sache anklagen als des Hochverrats an der Arabischen Nation und der islamischen Welt im allgemeinen. … Das sind die Leute von der Hamas, gefährliche und berechnende Leute, die das ganze Volk von Gaza zur Geisel genommen haben und es Tag für Tag seit Jahren ausplündern, hinter verschlossenen Türen, wie es ihnen die israelische Blockade ermöglicht; und nun wollen sie uns diktieren, was wir zu denken, zu sagen und zu tun haben, uns, die wir uns mit allen Mitteln befreien wollen…“

Sansal beschreibt seine Erfahrung Jerusalems als Gründungsort aller dreier monotheistischer Religionen (ja, auch des Islams), er beschreibt, wie er die Grabeskirche, die Kotel und auch denTempelberg besucht. Ein Wächter des Waqf kontrolliert seinen Pass um festzustellen, ob er auch Muslim sei. Aus dem grünen algerischen Pass leitet er es folgerichtig ab. Er hat noch nie einen Algerier gesehen. Sansal rezitiert eine Koranstelle zum Erstaunen des Wächters:

„Das ist amüsant, wie mein kleiner Pass mir hier die Grenze zum heiligen Ort ffnet, während im Schengen-Raum der schlichte Anblick eines grünen Passes eher die Magengeschwüre des Zöllners öffnet.“

Während seiner fünf Tage und Nächte in Israel, schreibt Sansal, habe man nicht ein Mal vom Krieg gesprochen. Vielleicht weil es nicht möglich ist, zugleich vom Frieden und vom Krieg zu sprechen?  Es hat ihm leid getan, dass kein Palästinenser bei dem Festival dabei war, denn schließlich müsse der Frieden zwischen Isarelis und Palästinensern gemacht werden.

„Ich bin weder mit den einen noch mit den anderen im Krieg, und zwar weil ich sie beide liebe, auf die gleiche Art, wie Brüder seit Anbeginn der Welt. Ich wäre entzückt, eines Tages auch nach Ramallah eingeladen zu werden, zusammen mit israelischen Autoren, denn dies ist ein schöner Ort um vom Frieden zu sprechen und von dem berühmten ersten Schritt, der es erlaubt, ihn zu erreichen.“

 

 

Antisemitische Hetze von Islamisten gegen Boualem Sansal

Ich hatte im letzten November von einem Gespräch mit Boualem Sansal, dem algerischen Schriftsteller, berichtet. Sansal hatte zuvor den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhalten.

In Algerien, so hatte Sansal mir berichtet, wurde er nach der Preisverleihung auf übelste Art von Islamisten angegriffen, die ihn als „Zionisten“ denunzierten. Die antisemitische Hetze wird durch eine Fotomontage komplettiert, auf der Sansal mit dem Hut und den Schläfenlocken ultraorthodoxer Juden gezeigt wird. Sansal hatte mit von dem Bild erzählt, nun hat es der Börsenverein im Anschluß an meinen Post veröffentlicht. Der Autor möchte es so, weil er sich von der Öffentlichkeit Schutz verspricht.

Der Börsenverein zitiert weitere Hetze gegen Boualem Sansal:

Einige der Blogs mit der Abbildung, bei der das Wort ‚algerisch‘ durchgestrichen wurde, sind im Internet frei zugänglich und offenbaren die Argumentationskette der Islamisten. So wird Boualem Sansal in einem französischsprachigen Blog als „Boualem la saleté“ (etwa: „Boualem, der Dreck/die Unanständigkeit“) bezeichnet, der anti-islamisch, anti-arabisch und anti-algerisch sei, dabei schlimmer als Ayaan Hirsi Ali, Taslima Nasrin und Salman Rushdie handele, mit denen er gemeinsam mit intellektueller Bettelei und mit blasphemischen Äußerungen der „Kosher Nostra“ in die Hände spiele. Durch seine Schriften und Erklärungen, so der Autor, der unter dem Pseudonym wah fikr schreibt, unterstütze Sansal mit Geist und Körper die Lobrede auf die Kanonen und Pfeiler des modernen ‚Talmudismus‘: der Schoah und der jüdische Vorherrschaft: „B. Sansal s’est investi corps et âme, par ses écrits et déclarations, dans l‘éloge des canons et piliers du talmudisme moderne : Shoah et suprématisme juif“ (nachzulesen auf reflexionsetcommentaires.blogspot.com).

Ich hoffe, dass der Börsenverein und die deutsche Regierung diesen Fall im Auge behalten. Wenn die deutsche Öffentlichkeit einen solchen Autor zum Preisträger kürt, übernimmt es eine Verantwortung für sein Wohlergehen. Die algerischen Behörden müssen gedrängt werden, die Sicherheit von Sansal zu garantieren, und das heißt auch: gegen antisemitische Hetze vorzugehen.

 

Boualem Sansal im Visier der Islamisten (und des algerischen Regimes)

Ich habe gestern den algerischen Schriftsteller Boualem Sansal kennengelernt. Er war Gast bei einem deutsch-französischen Symposium über Migration und Integration in Genshagen. Ich habe ein Panel moderiert, an dem er teilnahm. Vorher kamen wir ins Gespräch.

Ich gratulierte ihm zum Gewinn des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels. Es war zu spüren, wieviel ihm diese Anerkennung bedeutet. Sansal, ein erfahrener Wirtschaftsfachmann, ist vom algerischen Regime aus dem Beruf gedrängt worden, nachdem er angefangen hatte, seine kritischen Schriften zu veröffentlichen. Für seine Freunde in der Demokratiebewegung Algeriens, sagte er, sei der Preis eine Bestätigung, dass die Welt Algerien nicht vergessen hat. (Ich habe lieber nicht widersprochen, obwohl ich da meine Zweifel habe; wer will schon über noch ein nordafrikanisches Land mit noch einem Autokraten etwas wissen; hier wünschen sich ja manche schon die nächste Runde Diktatur herbei – nach dem Motto: die Araber brauchen nun mal den Stiefel im Gesicht).
Vielleicht ist so ein Preis auch ein Schutz, gab er zu verstehen. Das Regime habe kein Wort über seine Ehrung verloren. Aber dann hat er mir etwas erzählt, das mich sehr schockiert hat, und das ich deshalb auch hier weitergeben möchte: Nach der Preisverleihung bei der Buchmesse seien auf Websites der algerischen Islamisten Bilder aufgetaucht, die sein Porträt ihn mit Schläfenlocken ultraorthodoxer Juden zeigen. Er sei ein „Zionist“, werde über ihn verbreitet, und „verdiene nicht zu leben“.
Ich fragte ihn, ob er Angst habe. „Ich denke darüber nicht nach. Wenn ich damit anfange, kann ich nicht mehr arbeiten.“ Heute fliegt er nach Algerien zurück. Radikale Kritik muss von innen kommen, sonst wirkt sie nicht, glaubt er.