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Die Fee Christina

 

17 Jahre ist LaFee alt, die meisten ihrer Fans sind zwölf. 700.000 CDs hat die Sängerin verkauft. Wie wird man ein Star, den alle toll finden? Und wie toll ist es, so ein Star zu sein?

Von Ann-Dorit Boy

http://zeus.zeit.de/bilder/2008/30/wissen/kinderzeit/lafee-410.jpg© Foto: Malte Christians/Getty Images

Bis zur siebten Klasse war Christina Klein ein ganz normales Mädchen: Sie trug Jeans und Pferdeschwanz und ließ sich in ihrer Schule im kleinen Ort Stolberg bei Aachen ab und zu beim Spicken erwischen. Nachmittags traf sie sich mit Freunden zum Eisessen oder half im griechischen Imbiss ihrer Mutter aus. Und manchmal ging sie ihren Eltern und dem großen Bruder ein bisschen auf die Nerven, weil sie ständig in ihrem Kinderzimmer vor dem Spiegel stand und übte, so zu singen und zu tanzen wie ihr Vorbild Britney Spears.

Heute ist Christina 17 Jahre alt und kein normales Mädchen mehr: Sie hat zwei CDs veröffentlicht, die sich zusammen siebenhunderttausend Mal verkauft haben. Statt mit ihren Freunden ist Christina meist mit ihrem Manager, einer Stylistin und einem Maskenbildner unterwegs. Sie gibt Konzerte, dreht Musikvideos und tritt im Fernsehen auf. Alle paar Wochen erscheint Christina auf der Titelseite der Bravo; im Internet kann man Federtaschen mit ihrem Gesicht bestellen. Sie ist nicht mehr einfach Christina, sie ist jetzt LaFee, die Sängerin, der Star.

An einem Samstagnachmittag im Frühsommer wartet die 17-Jährige hinter den Kulissen der Bravo Supershow in Nürnberg. Sie ist für den Otto nominiert, den Publikumspreis der Bravo-Leser. Eine Stunde vor der Fernsehaufzeichnung sitzt sie in ihrer Garderobe, einer Kammer mit Sperrholzwänden und nacktem Betonboden. »Früher habe ich es mir glamourös vorgestellt hier hinter der Bühne. Ich dachte, es wird einem alles auf dem Goldtablett serviert«, sagt LaFee, lacht und schlägt die Beine mit den schwarzen Lackstiefeletten übereinander.

Wenn die Sängerin sich vorstellt, gibt sie höflich die Hand und sagt: »LaFeeChristina.« Sie spricht die beiden Namen so schnell nacheinander, dass sie fast klingen wie ein einziges Wort, so als wolle sie betonen, dass LaFee und Christina ein und dieselbe Person sind. »Ich spiele als LaFee keine Rolle«, sagt sie. »Ich bin die, die ich bin, nur dass ich eben anders aussehe.« An diesem Tag trägt Christina, ähm LaFee, eine schwarze Korsage und einen Tüllrock, ihre Haare drehen sich in großen Locken um den Kopf, an den Ohren baumeln silberne Gehänge mit Totenköpfen.

Ein bisschen gruselig-schwarze Klamotten und ein Hauch Romantik: So sieht ein typisches LaFee-Outfit aus. Christina hat diesen Stil gemeinsam mit ihrer Stylistin entwickelt, die ihr ständig ausgefallene Kleider besorgt. Fast zwei Stunden dauert es, die 17-Jährige mit aufgesprühtem Make-up, falschen Wimpern und Lockenwicklern in LaFee zu verwandeln, die Rockprinzessin aus den Videos. Am Ende klebt der Maskenbildner eine künstliche Tätowierung auf ihre linke Schläfe, die Buchstaben L und F, LaFees Markenzeichen.

Viele ihrer Fans malen sich diese Buchstaben selbst ins Gesicht, wenn sie zu einem Konzert der Sängerin gehen; die meisten Besucherinnen sind Mädchen zwischen sieben und 15 Jahren. »Die brauchen jemanden, an dem sie Halt finden«, sagt LaFee. »Ich finde es sehr schön, dass sich die Mädchen mit mir identifizieren, und ich weiß damit umzugehen, ich weiß, wie man sich benehmen muss.«

Eltern sind trotzdem nicht immer begeistert, wenn ihre Kinder LaFee hören, denn die Texte der 17-Jährigen sind, vorsichtig ausgedrückt, ziemlich frech: »Und Du nimmst ihn mir weg, Du kleines Stückchen Dreck, Du Schlampe bist so link, dass es bis zur Hölle stinkt«, singt LaFee zum Beispiel im Lied Virus, ihrem ersten Hit. Sie selbst findet diese Ausdrucksweise völlig normal: »Ich spreche eben die Sprache der Jugend. Natürlich sage ich zu Leuten, die mich total abnerven, auch mal ›Arschloch‹ oder ›Heul doch‹.« In den meisten Liedern von LaFee geht es um Liebe, sie singt aber auch über sehr ernste Themen wie Essstörungen oder sexuellen Missbrauch. »Mir ist so etwas zum Glück noch nie passiert«, sagt LaFee und klopft drei Mal mit den Fingerknöcheln auf ihren Schminktisch. »Aber es betrifft viele Kinder, und die Welt ist eben nicht nur Friede, Freude, Heiterkeit.« Die Musik, die LaFees Band zu diesen Texten spielt, ist eine Mischung aus Rock, Pop und Heavy Metal mit wilden Gitarrensoli und lautem Schlagzeug. Privat hört Christina lieber Hip-Hop oder Soul von der Sängerin Beyoncé. Dass sie selbst auf der Bühne stehen will, wusste die Halbgriechin schon als kleines Mädchen. »Ich habe immer gebettelt und meine Mama überredet, mit mir zu Castings zu fahren.«

Bei einer Talentshow im österreichischen Fernsehen wurde sie vor vier Jahren entdeckt. Zwei Jahre hat es dann gedauert, neben der Schule ein Album aufzunehmen und Christina in LaFee zu verwandeln. »Wir haben die Idee gemeinsam entwickelt«, betont sie. Gesangs- oder Tanzunterricht hatte die 17-Jährige nie: »Man muss eben Talent haben und sich zu etwas Besonderem machen.«

Etwas Besonderes ist LaFee, spätestens seit im Frühjahr 2006 ihre Single Virus erschien und sie beinahe über Nacht berühmt wurde. »Ich wurde mit 15 in diese Branche hineingeworfen, und ich finde, ich habe das ganz gut gemeistert«, sagt LaFee mit ihrer lauten, tiefen Stimme und lacht. Bereut habe sie ihre Entscheidung für das Showbusiness nie: »Es ist das, was ich liebe und was ich lebe.«

Die Schattenseiten der Berühmtheit kennt LaFee auch. »Dass alle erfahren, was in deinem Privatleben los ist, das ist schlimm an dem Job«, sagt sie. Auch unter dem Neid ihrer Mitschüler hat sie gelitten: »Nur weil du einen Bravo-Bericht hast, kommen Leute zu dir und sagen: ›Ey, Schlampe, was meinst du, wer du bist?‹« Irgendwann ertrug Christina solche Sprüche nicht mehr und verließ die Schule. Ihren Hauptschulabschluss hat sie trotzdem geschafft, mit Privatunterricht.

Einen Abschluss zu haben war ihr wichtig, denn eine Gesangskarriere kann jederzeit zu Ende sein. »Ich weiß, dass es irgendwann vorbei sein wird, das ist ganz normal«, sagt LaFee. Vielleicht will sie dann Tanzunterricht geben für Kinder. Aber so weit ist es noch nicht: Eine gute Stunde nach dem Gespräch steht sie auf der Bühne der Bravo Supershow und hält einen Goldenen Otto in den Händen. Ihre Fans haben Christina, ähm LaFee, zur besten Sängerin des Jahres gewählt.