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Ab auf die Leinwand

 

Neunzig Minuten braucht man, um sich einen Film anzuschauen. Einen Film zu produzieren kann Jahre dauern. So war es auch bei »Krabat«, der jetzt in den Kinos läuft

Von Marike Frick

Ruhe bitte!«, ruft Marco Kreuzpaintner in die Runde. Dann nimmt er die zwei Hauptdarsteller des Films beiseite: Krabat und Tonda, gespielt von David Kross und Daniel Brühl. »Krabat, du willst wissen, was in der geheimnisvollen Mühle vorgeht«, sagt er. »Und du Tonda, willst Krabat vor genau diesem Wissen schützen.« Die Schauspieler nicken, denn Marco Kreuzpaintner ist der Regisseur und hat beim Filmdreh von Krabat das Sagen: Er entscheidet, wo die Schauspieler stehen sollen, wann ihr Gesicht groß gezeigt wird und ob sie ängstlich gucken sollen oder fröhlich. »Action!«, ruft er jetzt, und die Aufzeichnung beginnt. Ein paar Wochen noch, dann sind alle Szenen für den Film gedreht. Doch bis er im Kino läuft, wird über ein Jahr vergehen. Denn ein Film wie Krabat ist ein Puzzle mit vielen Einzelteilen: Raben lernen fliegen, Nähmaschinen rattern in der Kostümwerkstatt, ein Musiker komponiert Geräusche…

Aber langsam: Spulen wir zurück zum Jahr 2003. Damals beginnt alles mit Uli Putz. Als Produzentin ist sie von der ersten bis zur letzten Minute dabei, wenn ein Film entsteht. Uli Putz entschließt sich 2003: Das Buch Krabat von Ottfried Preußler soll verfilmt werden! Der Roman erzählt von dem Jungen Krabat, der in einer Mühle die Kunst der schwarzen Magie erlernt. Krabat ist der Neuling unter den zwölf Müllerburschen. Der unheimliche Müller lehrt sie Zauberei – sie können sich sogar in Raben verwandeln. Als aber einer von ihnen unter merkwürdigen Umständen stirbt, erkennt Krabat, welchen Preis sie für ihre düstere Kunst zahlen. Eine unheimliche, eine spannende Geschichte!

Aus diesem Roman ein Drehbuch für die Verfilmung zu machen ist gar nicht leicht. Der Regisseur und ein Autor schreiben es sechsmal um, bis alle zufrieden sind. Und schon wartet die nächste Aufgabe: Wo gibt es Berglandschaften, wie im Buch beschrieben? Es gibt tatsächlich Leute, deren Beruf es ist, solche Orte zu finden. Einen solchen Orte-Finder schickt Uli Putz nach Osteuropa. Er stapft durch Wälder und steigt auf Berge. In Rumänien ist er dann sicher: Hier soll der Film gedreht werden.

Jetzt gehen die Vorbereitungen richtig los: Handwerker bauen die unheimliche Mühle und ein ganzes Dorf. Damit alles sehr alt aussieht, wird das Holz über Feuer geschwärzt. Währenddessen schaut sich eine Kostümbildnerin alte Gemälde an, um zu lernen, wie sich die Menschen vor etwa 400 Jahren kleideten. Für jeden Schauspieler fertigen 20 Näherinnen mehrere Kostüme an – jedes mindestens drei Mal. Schließlich geht beim Drehen auch oft etwas kaputt oder wird schmutzig. Schmutz ist bei diesem Film allerdings erlaubt: Die Kleidung soll zeigen, dass die Leute arm waren. Mittlerweile sind auch die Raben geschlüpft. Uli Putz hatte nämlich Vogeleier besorgt und sie einem Tiertrainer übergeben. Der bringt den Vögeln bei, auf Kommando loszufliegen oder sich niederzulassen.

Drei Jahre nachdem die Produzentin die Idee zum Film hatte, beginnen im Herbst 2006 die Dreharbeiten. Eine große Filmtruppe reist nach Rumänien. Allein für die Scheinwerfer werden drei Lastwagen gebraucht! Für die vielen Mitarbeiter stehen am Drehort Wohnwagen, Küchenzelte und Toilettenhäuschen bereit. »Ruhe bitte!«, ruft der Regisseur erneut. Er will die Szene zwischen Krabat und Tonda noch einmal drehen. Und noch einmal. Und noch einmal. Das geht so lange, bis er zufrieden ist. Am späten Abend sind zwei Szenen geschafft. Krabat-Darsteller David Kross hat trotzdem noch nicht frei. Er lernt abends und nachts noch seinen Text. Dass er deshalb am nächsten Tag müde aussieht, macht bei diesem Film zum Glück nichts: Krabat hat schließlich kein leichtes Leben, er soll gar nicht putzmunter wirken. »Bei dem Matsch und der Kälte ist es gar nicht so schwer, Krabat darzustellen«, sagt David Kross.

In einem Studio in München wird es dann wärmer. Hier wurde das Innere der Mühle nachgebaut: der Dachboden mit den Schlafplätzen der Jungen, die Küche mit den Holztischen und die dunkle Kammer des Meisters. Und hier im Studio werden auch Trickszenen gedreht: Im Film stürzt Krabat zum Beispiel von einem Felsen und steigt, in einen Raben verwandelt, in die Lüfte auf. Tatsächlich aber hängt der Schauspieler im Studio an einem Seil und saust quer durch den Raum. Am Computer wird später die Landschaft eingebaut. Dort werden auch die Szenen in der richtigen Reihenfolge aneinandergefügt und bearbeitet. Diese Arbeiten dauern noch einmal ein halbes Jahr! Gleichzeitig überlegt ein Komponist, wie der Film sich anhören soll. Welche Geräusche gibt es im Kampf? Wo wird Musik zu hören sein?

Tricks, Geräusche und Musik – all das gibt es in Büchern nicht. Wenn Romane verfilmt werden, wird deshalb oft gestritten, ob der Film so gut ist wie das Buch. Auch zu Krabat gibt es verschiedene Meinungen. Dafür muss jeder selbst lesen und den Film anschauen. Und wem die Kinoversion zu gruselig ist, der kann beim Lesen seinen eigenen Film im Kopf gucken.