Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Total in

 

Es gibt Marken, um die sich alle reißen. Um das zu erreichen, tüfteln Fachleute an einem Verkaufsplan und geben eine Menge Geld aus

Von Katrin Hörnlein

Nicht irgendeine Spielkonsole – eine Playstation der Firma Sony! Die neuen Turnschuhe bitte von adidas oder Nike, und auch keinen stinknormalen MP3-Player, sondern den iPod von Apple. Solche Sachen werden gerade auf viele Weihnachts-Wunschzettel geschrieben. Kinder und Jugendliche bevorzugen bestimmte Marken, das wissen wir aus vielen Umfragen. Eltern und Großeltern können nicht immer verstehen, warum unbedingt der MP3-Player mit den weißen Kopfhörern gekauft werden muss. Schließlich gibt es doch auch Geräte, die nur halb so viel Geld kosten. »Ja, schon«, hören sie dann oft, »aber die sind nicht so cool!«

Total in
© Vittorio Zunino Celotto /
Getty Images

Diese Antwort zeigt, was Marken so beliebt und damit so mächtig macht: Wer die »richtigen« Turnschuhe trägt, hofft, dass er damit dazugehört – zur Gruppe der coolen Leute in Schule oder Sportverein.

Julian ist 14 Jahre alt und weiß, welchen Einfluss Marken haben können. »Es gibt Leute, die versuchen, über Marken in eine Clique zu kommen«, erzählt der Schüler. Er selbst hat eine andere Erklärung dafür, dass er bestimmte Klamotten bevorzugt: »Bis ich 12, 13 Jahre alt war, sind mir Marken nicht so wichtig gewesen. Aber weil ich jetzt Skateboard fahre, trage ich über den Sport auch andere Kleidung.«

Eigentlich ist es natürlich egal, ob Kopfhörerkabel weiß oder schwarz sind – Musik hören kann man damit so oder so. Aber darum geht es in Wahrheit auch nicht: Über Marken zeigt man den anderen, dass man Skater ist oder Hip-Hop-Musik mag. Wichtiger als die Ware selbst ist eine Art Botschaft, die man mit ihr aussendet. Gleichzeitig haben Marken selbst einen Ruf, der sich – vielleicht – auf die Leute überträgt, die sie kaufen. »Wenn eine Marke erfolgreich sein will, muss sie zum Freund des Menschen werden«, sagt Antje Schünemann vom Trendbüro in Hamburg.

So eine Botschaft steckt aber nicht von Anfang an in Schuhen, Hosen und Spielkonsolen. Die wird der Marke von Fachleuten verpasst. Zunächst überlegt eine Firma, wofür sie stehen will: Ist ihr die Qualität ihrer Jeans wichtig oder das flippige Aussehen? Fachleute sagen dazu »Branding« – das ist Englisch und bedeutet »Markenbildung«. Man kann das Wort aber auch mit »Brandmarken« übersetzen – man brennt einer Ware eine bestimmte Botschaft ein. Sehr wichtig ist auch das Logo – ein Zeichen oder ein Schriftzug, an dem wir die Marke sofort erkennen.

Hat eine Ware ihr Brandzeichen, müssen wir Kunden davon erfahren. Dafür sorgt zum Beispiel Rolf Kutzera. Er ist einer der Chefs der Werbeagentur Jung von Matt. »Werbung machen heißt, gut über ein Produkt zu reden«, erklärt er. »Der Kunde soll lernen, was er von der Marke erwarten kann, wenn er sich für sie entscheidet. Am Ende geht es immer darum, die Käufer zu überzeugen, das Produkt zu kaufen.« Wenn Rolf Kutzera mit seiner Arbeit beginnt, probiert er die Waren zunächst selbst aus. Dann denkt er sich Plakate oder Werbespots aus.

Darin wird gezeigt, was ein Produkt kann, wozu es gut ist. Noch wichtiger aber sind Gefühle. Der Forscher Andreas Herrmann hat herausgefunden, dass Marken, die unsere Gefühle erreichen, eine besondere Wirkung haben. Sie sprechen jenen Teil des Gehirns an, der uns Freude empfinden lässt. Beim Kauf sind diese guten Gefühle dann stärker als der Wunsch, Geld zu sparen.

Ein Beispiel für Gefühlswerbung sind die Plakate und Filme der Firma Apple für den iPod. Ganz bewusst wurde nicht mit der Technik geworben, erklärt Werbefachmann Rolf Kutzera: »Apple zeigte Scherenschnitt-Menschen, die mit ihrem iPod zu toller Musik tanzten, allein. Das spricht die Gefühle an. Und: Durch die Scherenschnitt-Optik wurden die damals einzigartigen weißen Kopfhörer deutlich herausgestellt. Insgesamt genial!« Ein anderer Weg, Gefühle anzusprechen, führt über Stars. Bekannte Musiker, Sportler oder Schauspieler werden von den Markenfirmen ausgestattet. Die Idee dahinter: Wenn ich Fan bin, kaufe ich diese Schuhe. Einige Firmen veranstalten auch Sportwettkämpfe oder Rockkonzerte, um bei uns gute Gefühle zu hinterlassen. All das kostet viel Geld. Deutsche Firmen geben Milliarden Euro im Jahr aus, um die Marken und ihre Botschaften in unsere Köpfe zu hämmern. Die Firmen hoffen, dass sie ihr Geld schlau eingesetzt haben. »Kunden müssen sich in dem Moment, in dem sie vor einer Kaufentscheidung stehen, an die Marke erinnern und positive Eigenschaften mit ihr verbinden«, sagt der Wirtschaftsprofessor Henrik Sattler.

Markenhersteller sagen, dass sie viel für ihre Kunden tun. Sie wollen stets neue Produkte auf den Markt bringen. Dafür liefern sie sich eine Art Wettlauf mit anderen Marken und geben Geld für Forschung aus. Oliver Brüggen arbeitet bei adidas und erklärt: »Wenn wir einen neuen Fußballschuh entwerfen, dann entwickeln wir ihn zunächst am Computer. Danach machen wir uns mit einem Prototyp auf den Weg. Wir fragen Topspieler wie David Beckham oder Michael Ballack nach ihrer Meinung. Der Test auf dem Fußballplatz ist für uns entscheidend. Penibel arbeiten wir alle Informationen ein und produzieren erst dann den neuen Schuh.«

Schreibt man nun also weiter auf seinen Wunschzettel, welche Turnschuhmarke es sein muss? Wahrscheinlich, denn wer wäre nicht gern cool? Aber man sollte zumindest immer mal wieder darüber nachdenken, warum man sich genau diese Marke wünscht. Und wer sein gespartes Taschengeld für eine Markenware ausgibt, darf sich ruhig ein bisschen ärgern, dass er damit die Werbung mitbezahlt. Vielleicht ist es auch ein gutes Gefühl, sich zu sagen, dass man innen drin ein netter und liebenswerter Mensch ist – ganz unabhängig davon, ob ein Logo auf dem Pulli klebt.