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Der Papa-Präsident

 


© Getty Images; [M] ZEIT ONLINE Grafik

Wie viel bleibt von einem Vater, wenn man ihn mit der ganzen Welt teilt?

Von Patrik Schwarz

Umziehen ist eigentlich ganz aufregend. Blöd ist es nur, wenn im neuen Haus noch die alten Mieter wohnen und die Schule schon anfängt. Am kommenden Dienstag ziehen die siebenjährige Sasha und die zehnjährige Malia in das berühmte Weiße Haus in Washington. Bisher wohnten die beiden Mädchen mit ihren Eltern in Chicago, doch der Präsident der USA wohnt immer im Weißen Haus. Und von Dienstag an wird Barack Obama neuer Präsident sein – Sashas und Malias Vater.

Die Schule der beiden hat aber bereits am Montag letzter Woche begonnen – da wohnte im Weißen Haus noch der alte Präsident. Was tun? Familie Obama hat entschieden, wie sie oft schwierige Fragen entscheidet: Sasha und Malia sind das Wichtigste. Das jedenfalls haben sie Reportern erzählt. Und so ist die ganze Familie erst mal ins Hotel gezogen. So richtig gemütlich ist das zwar nicht, aber so konnten Sasha und Malia pünktlich zum ersten Schultag kommen.

Stressfrei ist ihr Leben trotzdem nicht. Egal, wohin sie gehen, Sasha und Malia werden jetzt dauernd von Polizisten begleitet, die sie beschützen sollen. Solche Aufpasser nennt man Bodyguards, und sie tragen keine Uniform, um nicht aufzufallen. Meistens fallen sie aber dann doch auf. Neulich, als sich in der Schule einer der Aufpasser hinter der Tür versteckte, sah es nur komisch aus, berichtete ein Schüler. Kinder früherer Präsidenten haben erzählt, wie das ist, immer und überall mit Bodyguards zu leben: Erst cool, dann doof, und irgendwann versucht man nur noch auszubüxen.

Die Polizisten sollen zum Beispiel aufpassen, dass keiner Sasha und Malia entführt. Die größte Gefahr ist aber, dass Leute sich dauernd um die beiden drängeln, bis sie nicht mehr gerade laufen können. Das haben die Sieben- und die Zehnjährige jetzt mit ihrem Vater ge-meinsam: Alle Welt will sie sehen. Am nächsten Dienstag wollen allein in Washington Millionen Leute auf die Straßen gehen, um zuzuschauen, wie Präsident Obama zum ersten Mal zur Arbeit geht. Auch das Fernsehen in Deutschland wird dieses Ereignis übertragen. Wie viel Papa bleibt da noch übrig, wenn man ihn mit Millionen teilen muss?

Überall auf der Welt spüren Menschen, dass Barack Obama ein besonderer Mann ist. Das liegt zum einen an seinen berühmten Reden. Er sagte zum Beispiel, dass er den Krieg im Irak beenden will. Und er will mehr für den Umweltschutz tun. Obama begeisterte große Menschenmengen so sehr, dass sie ihn bejubelten wie einen Popstar. Und viele Leute glauben ihm, dass er wirklich die Welt verbessern will. Der große Rummel um Obama liegt aber auch an seiner Hautfarbe: Noch nie gab es einen Schwarzen, der in Amerika Präsident geworden ist. Die ersten Schwarzen – heute sagt man in Amerika übrigens Afroamerikaner – kamen vor mehr als 250 Jahren als Sklaven aus Afrika. Sie wurden verkauft wie Tiere und mussten ohne Lohn arbeiten.

Michelle, die Mutter von Sasha und Malia, kommt aus einer solchen Familie. Ihre Vorfahren waren Sklaven. Vor rund 150 Jahren wurden die letzten Sklaven freigelassen, nachdem der damalige Präsident Abraham Lincoln die Sklavenhalter in einem Krieg besiegt hatte. Lincolns Tisch steht heute noch im Weißen Haus, und Malia hat gesagt, dass sie an diesem Tisch ihre Hausaufgaben machen will – zumindest die in Geschichte.

Wenn sich ein schwarzes Mädchen an den Schreibtisch des Sklavenbefreiers Abraham Lincoln setzt, dann klingt das für viele Amerikaner immer noch wie das gute Ende eines Märchens. Aber es ist nicht nur toll, jeden Tag in einem Märchen zu leben. Als Sasha letzten Sommer gefragt wurde, wie sie Papas berühmte Reden findet, sagte sie: »Blah-blah-blah.« Ihre große Schwester Malia fand vor allem peinlich, dass ihr Vater ihren Freunden immer die Hände schütteln wollte. Politiker machen das so, wenn sie besonders nett sein wollen. Malia fand, ein kurzes »Hi!« reiche völlig aus.

Doch Barack Obama will ein extra guter Papa sein, sagt er oft. Und da übertreibt man wohl schon mal. »Wie viele Männer heute, bin ich ohne Vater im Haus groß geworden«, erzählte er. Das war nicht leicht für ihn. Lange Zeit hat Obama versucht, mehr über seinen Vater herauszufinden, der bei einem Autounfall in Kenia gestorben ist. Der Vater war erst als junger Mann aus Afrika in die USA gekommen. Dort traf er Obamas Mutter, die weiß war. »Ich habe gemerkt, was es bei einem Kind für eine Spur hinterlassen kann, wenn der Vater fehlt.«

Damit es seinen Töchtern nicht so geht, hat der künftige Präsident immer versucht, sich Zeit zu nehmen. Das sagte er in Interviews. In Chicago hat er Sasha und Malia zum Beispiel regelmäßig zur Schule gebracht. Und keine drei Tage nach seinem großen Wahlsieg im vergangenen November ging er mit seiner Frau Michelle zum Elternabend. Bald bekommen die beiden Kinder außerdem einen Hund; das hat ihr Vater ihnen dafür versprochen, dass er in den letzten Jahren so oft weg war.

Obwohl Barack Obama den stressigsten Job der Welt übernimmt, hat er jetzt wahrscheinlich mehr Zeit für seine Kinder. Denn im Weißen Haus liegt sein Büro im Erdgeschoss, Sasha und Malia werden ihre neuen Kinderzimmer in der Wohnung oben drüber beziehen. Ihre Zimmer sollen die Schwestern übrigens weiter selbst aufräumen. Dabei finden sie ihren Vater auch ziemlich chaotisch: Jedenfalls lässt er angeblich gern seine Tasche fallen, kaum dass er die Wohnungstür hinter sich zugemacht hat, egal, ob dann alle drüber stolpern.