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Woher kommt das Leben?

 

In dieser Woche wäre der berühmte Naturforscher Charles Darwin 200 Jahre alt geworden. Schon als Kind interessierte er sich für – fast alles

Von Ulrich Baron

Charles Darwin
© Hulton Archive/Getty Images

Charles Darwin hat unser Bild vom Leben verändert wie kein Zweiter. Er erkannte, dass sich Tier- und Pflanzenarten verändern, weil diejenigen am ehesten überleben, die am besten an ihre Umwelt angepasst sind.

Solche Erkenntnisse fallen nicht von den Bäumen, Darwin hat viele Jahre geforscht. Und als alter Mann erinnerte er sich, dass er schon als Kind vom Entdeckergeist gepackt wurde. Brav war er jedenfalls selten: »Ich war wohl in vielerlei Hinsicht ein böser Bube.« Gern habe er Obst stibitzt. Und mit seinem älteren Bruder Erasmus unternahm er als Dreizehnjähriger chemische Experimente, die so bedenklich erschienen, dass der Vater sie mitsamt ihren giftigen Gasen in den Gartenschuppen verbannte.

Charles’ Leidenschaft galt dem Reiten, dem Jagen, den Tieren und besonders dem Sammeln. Ob Mineralien, Schneckenhäuser, Muscheln – nichts war vor ihm sicher. Für Lehrer konnte er sich dagegen nicht begeistern. Schon seine ältere Schwester Caroline hatte bei ihren Versuchen, ihn auf die Schule vorzubereiten, ihre liebe Not. Und der junge Charles mit seiner Schwester – »Wofür wird sie mich jetzt schon wieder verantwortlich machen?«, habe er sich stets gefragt, wenn er ihr begegnete.

Charles Darwin wurde am 12. Februar 1809 in eine wohlhabende Familie hineingeboren. Sein Vater war Landarzt, riesengroß und dick, doch mit scharfem, feinfühligem Verstand. Seine Mutter starb, als Charles acht Jahre alt war. In den Augen des Vaters drohte der Junge zum Sorgenkind zu werden. »Du interessierst dich für nichts als Schießen, Hunde und Rattenfangen, und du wirst eine Schande für dich selbst und für deine Familie werden«, habe der Vater dem Sohn einmal vorgeworfen.

Sollte er Arzt werden wie der Vater? Sein Medizinstudium brach er ab, weil ihm davor graute, Kindern Schmerzen zuzufügen. Sollte er Pfarrer werden? Eine gute Idee, fand der Vater. Und so studierte der Sohn Theologie. Doch zum Pfarrer berufen fühlte Charles sich nicht. Zum Glück war einem seiner Professoren aufgefallen, welches Gespür der junge Darwin für die Natur hatte. 1831 – er war 22 Jahre alt – erhielt er die Chance seines Lebens: Mit dem Segelschiff Beagle durfte er die Welt bereisen. Die Reise dauerte fünf Jahre und war voller Seekrankheit und abenteuerlicher Landausflüge. Darwin durchstreifte Dschungel, bestieg Vulkane und studierte Korallenriffe. Und er jagte und sammelte alles, was ihm vor Augen und Flinte kam. Doch nicht jedes Tier wollte sich betrachten oder gar einsammeln lassen. 1832 traf er auf den Kapverdischen Inseln ein besonders freches Exemplar: »Während ich, mit dem Kopf ungefähr zwei Fuß über dem steinigen Strand, nach Meerestieren Ausschau hielt, wurde ich mehr als einmal von einem Wasserstrahl begrüßt.« Als Schützen machte er einen neugierigen kleinen Tintenfisch aus.

Nicht jede Begegnung war so harmlos, aber wieder halfen Darwin Erfahrungen von früher. Etwa dieses Erlebnis: Als Student hatte er bei der Jagd nach Käfern einmal zwei seltene Exemplare entdeckt und in jeder Hand eines gefangen. Dann erspähte er einen dritten, noch unbekannten Käfer. Was tun? Schließlich waren beide Hände schon beschäftigt. »Ich steckte den aus der rechten Hand schnell in meinen Mund. Doch herrje, er verspritzte eine scharfe Flüssigkeit, die meine Zuge so verbrannte, dass ich den Käfer ausspuckte, der verloren ging.«

Hätte er das mit giftigen Tropeninsekten getan, es hätte schlimmer enden können. Doch da hatte er seine Lektion schon gelernt. Auch andere Dinge, die er früher spielerisch geübt hatte, konnte Darwin auf seiner Reise anwenden.

So entdeckte er eine ungeheure Vielfalt an Landschaften und Lebewesen. Und je mehr er entdeckte, desto mehr Fragen stellte sich Darwin. Auf Bergen fand er versteinerte Muscheln. Wie kamen sie dort hin? Hatte sich der Meeresspiegel gesenkt oder der Berg gehoben? In Südamerika grub er Knochen von elefantengroßen Faultieren aus. Warum waren solche Riesen dort ausgestorben, während Afrikas Großtiere überlebt hatten? Waren die verschiedenen Tierarten gar nicht im Paradies geschaffen worden, wie die Bibel berichtete und es die Menschen damals glaubten? Ja, so musste es sein! Zu dieser Überzeugung kam Charles Darwin, je länger er forschte.

Doch nach seiner Reise zögerte er Jahre, diese Schlussfolgerungen zu veröffentlichen. Er wusste, wie sehr es seine Zeitgenossen schockieren würde, dass alles Leben – auch wir Menschen – nicht durch göttliche Schöpfung entstanden sein sollte. Darwins Theorie besagte vielmehr, dass alle Arten einer natürlichen Entwicklung entsprängen, die man »Evolution« nennt.

Seine Kinder erlebten Charles Darwin als liebevollen, aber früh gealterten und von seiner Arbeit aufgezehrten Vater. Doch mit seinen Erinnerungen hat Darwin ihnen und uns gezeigt, dass er nie ein so berühmter Naturforscher hätte werden können, wenn er nicht einst ein wissbegieriges Kind gewesen wäre.