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Oooooh, eine Oper

 

KinderZEIT© Arne Mayntz
Sie singen Arien und tragen tolle Kostüme. Bei der »Opera piccola«, der »kleinen Oper« in Hamburg gehört Kindern die Bühne. Erwachsene haben dort nichts verloren

Von Katrin Hörnlein

„Aaaah, meine Hand! Aaaah, wie es brennt!«, singt Christine und verzieht dabei das Gesicht, als habe sie schreckliche Schmerzen. In einem Brautkleid steht das Mädchen vor einem Priester. Um sie herum eine Felslandschaft aus grauem Stein. An Christines Seite raunt ihr Verlobter Carl ihr zu: »Entspann dich!« Die beiden wollen gerade heiraten, doch Christine starrt voller Entsetzen auf ihren Handrücken, aus dem eine schwarze Spinne wächst.

Die Hochzeitgesellschaft gerät in Panik. Alle rennen hin und her, um der Spinne auszuweichen – und dazu singen sie. Denn diese Hochzeit ist Teil der Oper Das Geheimnis der schwarzen Spinne, die noch bis zum 1. März in Hamburg zu sehen ist. Die Spinne erscheint als eine Art Fluch, weil Christine ein falsches Versprechen gegeben hat. Das Tier treibt einen Grafen in den Wahnsinn, es zerstört die Ernte des Dorfes, kann aber am Ende in eine Gruft eingeschlossen werden.
Das Besondere an dieser Oper: Die Sänger auf der Bühne sind alle Kinder und Jugendliche. Wenn sie singen, wird es still im Publikum. »Dass Kinder schon solche Stimmen haben, hätte ich nicht gedacht«, flüstert eine Besucherin.
Weniger überrascht ist Benjamin Gordon. »In der Oper kann man so viele Gefühle zeigen: Wut, Trauer, Freude«, sagt er. »Das kann ganz schnell wechseln. Und weil Kinder spontan sind, passt es gut.« Benjamin Gordon ist der musikalische Leiter des Stücks. Er hat seit dem Herbst mit den Sängern geprobt, geprobt, geprobt. Und er leitet auch das Orchester: Die Musik kommt nicht von einer CD, sie wird live gespielt, ebenfalls von Kindern und Jugendlichen an Geigen, Harfe, Trompeten und Klarinetten.
Doch zu einer Opernaufführung gehört mehr. »Ich bin dafür da, dass es etwas zu sehen gibt. Also dass zu Musik und Gesang das Spiel kommt«, erklärt der Regisseur Holger Liebig. Jede Bewegung auf der Bühne ist sorgfältig einstudiert. Holger Liebig achtet genau darauf, wie die Kinder schauen, sich bewegen oder auch nur stehen. Bei den Proben macht er sich ständig Notizen und gibt Anweisungen. »Holger hat mir vorhin gesagt, dass ich die Schultern in einer Szene hochziehen soll, so ein Schulterzucken«, erzählt der neunjährige Paul. »Das passt besser zur Handlung.«
Auch wenn alle anscheinend durcheinanderlaufen, wie bei der Hochzeit, muss das gut vorbereitet sein. Es soll aussehen, als würden die Kinder entsetzt vor der Spinne flüchten. Gerade bei solchen Szenen freut sich Holger Liebig: »Kinder rennen wie bekloppt durch die Gegend. Wenn man etwas Wildes will, sind sie wild. Erwachsene denken eher, das kann ich doch nicht machen mit meinen 40 Jahren.«
Wer bei einer solchen Kinderoper mitmachen will, muss viel üben. Alle Kinder nahmen an einem Vorsingen teil. In den ersten Monaten probten die 24 Ausgewählten mindestens zweimal pro Woche. Kurz vor der Aufführung noch öfter – auch an schulfreien Tagen! Alle kennen das Stück auswendig. Wenn Benjamin Gordon »Weiter bei ›In dem Grabe, wo ich lag‹« ruft, wissen sie genau, wer singt, wer wo steht und wie es weitergeht.
In der Maske© Arne Mayntz
Wuselig geht es in den Garderoben zu. An Kleiderstangen hängen bunte Kostüme, auf Regalen liegen fantasievolle Hüte, vor Spiegeln stapeln sich Schminktöpfe. »Kostüme und Maske helfen, in die Rolle hineinzufinden. Man bewegt sich ganz anders, wenn man eine Rüstung trägt oder ein tolles Kleid«, sagt Julia Schnittger, die die Kostüme entworfen hat. »Auf der Bühne sollte alles Kostüm sein, kein eigener Schmuck, keine eigenen Strümpfe!« Stattdessen gibt es zum Beispiel Glitzerstrumpfhosen (auch für die Jungen!) und Ritterrüstungen. Wenn die Kostüme sitzen, wird geschminkt. Einigen Sängern werden schwarze Gesichter gemalt oder grüne Ranken auf Hals und Wangen. Andere bekommen nur ein wenig Puder und Lippenstift. Aaron schaut in den Spiegel und runzelt die Stirn. Er hat gerade glänzende Lippen und rote Wangen erhalten. »Ich find das hässlich«, sagt der Elfjährige, »aber es muss sein, gehört zum Kostüm.« Lena dagegen ist begeistert. »So kurz bevor es losgeht, wird man noch mal richtig betüdelt«, erzählt die 16-Jährige. Sie spielt die Hauptrolle der Christine und muss besonders viel singen. »Mulmig ist mir schon, wenn ich hinter der Bühne stehe und weiß, dass der Saal voll ist«, gibt sie zu. »Aber man will auch endlich zeigen, was man monatelang geprobt hat!«

Pauls als Herold
© Arne Mayntz

Andere Kinder spielen gleich mehrere Rollen. Zum Beispiel Paul: Mal ist er ein Dorfbewohner, mal spielt er den Herold. »Ich mache lustige Sachen als Herold, und ich hab ein lustiges Kostüm«, erzählt Paul. In dieser Rolle singt er auch eine Arie, ein Lied, das er allein vorträgt. Da sei er schon aufgeregt, sagt Paul, »und das Singen ist auch ein bisschen anstrengend. Man muss ja immer darauf achten, die Töne zu treffen.« Hauptdarstellerin Lena hofft, dass sie ihre Einsätze nicht verpasst: »Wenn man nicht richtig reinkommt, kann man das ganze Lied vergessen.« Auf der Bühne schauen deshalb alle immer wieder zu Benjamin Gordon. Er dirigiert das Orchester, und die Kinder können seine Bewegungen übersetzen wie eine Zeichensprache und wissen, wann sie dran sind.
Etwa eineinhalb Stunden singt, musiziert und spielt das junge Ensemble. Am Ende der Premiere müssen sie sich viele Male verbeugen, weil das Publikum so lange klatscht. Die Sänger strahlen, schauen stolz und auch ein wenig erleichtert drein. Erleichtert nicht nur, weil die Aufführung gut geklappt hat. Der zwölfjährige Milan grinst und sagt: »Endlich sind die Strumpfhosen weg!«
Weitere Informationen und Termine findest Du auf den Seiten der Staatsoper Hamburg unter Junge Oper und Opera Piccola