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Lernen! Zack, zack!

 

© Hamburger Schulmuseum
© Hamburger Schulmuseum

In einigen Bundesländern fangen in dieser Woche die Osterferien an. Vor 100 Jahren hatten Schüler noch viel mehr Grund als heute, sich auf die Zeit ohne Schule zu freuen

Von Tonio Postel

Wer denkt, dass früher alles besser war, irrt sich gewaltig. Die Schule jedenfalls war es nicht! Zu Zeiten von Kaiser Wilhelm II. (er regierte von 1888 bis 1918) hatten Schüler wenig zu lachen. Wer nicht lesen konnte, erhielt sieben Schläge auf den Rücken. Wer aus einem Vogelnest die Eier nahm, für den sahen die gestrengen Lehrer, die damals Schulmeister hießen, drei Schläge aufs Gesäß vor. Auch gegenseitiges Helfen war verpönt. Strafe: zwei Schläge! Sogar wenn man sich auf der Straße unhöflich oder frech gegenüber Erwachsenen benahm, konnte man vor 100 Jahren dafür in der Schule bestraft werden. Alle »Vergehen« wurden in einem »Strafbuch« notiert. Darin schrieben die Schulmeister alle Strafen auf, die ihre Schüler erhalten hatten. Die vergrößerte Foto­kopie eines solchen Strafbuchs von 1906 hängt im Hamburger Schulmuseum.

Das Museum möchte seinen Besuchern zeigen, wie der Schulalltag früher aussah. In seinen Glasvitrinen liegen deshalb alte Schul­bücher, Zeugnisse, Poesiealben und Schulkleidung. An den Wänden hängen historische Fotos von Klassen, Lehrern, Schulgebäuden und Klassenfahrten. Die Besucher können auch Geräte für den Physik-, Chemie- und Biologieunterricht bewundern, mathematische Hilfsgeräte und ausgestopfte Tiere. Und wie schrieben die Schüler vor 100 Jahren? Natürlich nicht auf dem Laptop. Auch nicht mit dem Füller. Sondern mit Griffel und Schiefertafel. Spaß hatten Schüler damals nach der Schule. Auf einem großen Schwarz-Weiß-Foto sieht man Kinder, die im Hof eines Hauses den Unterricht nachspielen – und erst hier wird gelacht. Gegen vier, fünf Uhr nachmittags waren meist alle Kinder auf der Straße – denn die Familien waren riesig, zu viele Menschen, als dass alle in den engen Wohnungen Platz gefunden hätten. »Elf Geschwister waren keine Seltenheit«, erzählt der 67-jährige Eberhardt Riedel. Er war früher selbst Lehrer und führt heute eine vierte Klasse durch die Räume des Hamburger Museums. »Mehr als zwei Zimmer gab es selten.«
Es war ein hartes Leben damals: Manche Kinder mussten noch vor der Schule arbeiten, damit die Familie genügend Geld hatte. In den sogenannten Volksschulen des Staates Preußen (so hieß ein großer Teil von Deutschland früher) gingen bis zu 60 Schüler in eine Klasse. Jungen und Mädchen besuchten getrennte Schulen. Heute sollen möglichst nur 20 Schüler in einer Klasse sein, um besser lernen zu können. Weil die Klassen so groß waren, blieb den Schulmeistern früher kaum Zeit, um sich mit einzelnen Schülern zu beschäftigen.
An den Schulen für Reiche, wo Schulgeld die Bürger der unteren Klassen ­fernhielt, sah es im Gegensatz zu den Volks­schu­len besser aus. Die Natur­wissen­schaf­ten zum Beispiel wurden dort ausführlicher gelehrt. Vor allem aber konnte man dort Sprachen wie Hebräisch, Griechisch, Englisch oder Latein lernen.
Zum Museumsbesuch haben sich die meisten Kinder aus der vierten Klasse angezogen wie vor 100 Jahren: Die Mädchen durften ihre Haare damals nie offen tragen, nur Röcke, die übers Knie reichten, waren erlaubt und dazu Schürzen. Jungs mussten ihre Haare streng zur Seite kämmen und trugen einen Matrosenkragen. So verkleidet, sitzen die Viert­kläss­ler von heute in einem alten Klassenraum, der im Museum nachgebaut ist, und spielen den Unterricht von früher nach.
Und da wird ganz schön herumkommandiert. Denn in der Schule ging es fast zu wie beim Militär: Der Lehrer gab Anweisungen wie ein General, und die Schüler sollten gehorchen wie die Soldaten. Bei der Begrüßung hatten sie aufrecht zu stehen, die Beine zusammengepresst. »Guten Morgen, Herr Lehrer!«, mussten sie rufen. Mädchen beendeten das Ritual mit einem Knicks, Jungs mit ei­ner Verbeugung. Wer im Unterricht auf­gerufen wurde, musste aufstehen. Selbst fürs Melden gab es Regeln: Aufzeigen nur mit der rechten Hand, dabei stützt der linke Arm den rechten Ellenbogen. Die – sauberen! – Hände hatten auf dem Tisch zu liegen, die Füße sollten nebeneinander auf dem Boden stehen. Und stets den Lehrer anblicken!

Ein Schüler wollte dringend auf die Toilette? Keine Chance, nur während der Hofpause! Eine Schülerin konnte besser mit links schreiben? Unmöglich, denn die linke galt als die »schlechte Hand«! Linkshänder wurden gezwungen, mit rechts zu schreiben. Gute Schüler saßen damals übrigens vorne, schlechtere hinten, und die in der letzten Reihe nannte man Lümmel. Wenn sie fleißig waren, durften sie eine Bank aufrücken. Sitzenbleiber erkannte man an einem farbigen Band, das sie an ihrer Mütze tragen mussten.
Doch auch wenn es damals in der Schule nicht viel zu lachen gab, wurden die Kinder recht gut auf das Berufsleben vorbereitet. So erzählt es jedenfalls Lehrer Riedel. Die Jungen lernten Fächer wie Geometrie, um Tischler oder Schlosser werden zu können, höhere Mathematik für den Kaufmannsberuf oder Englisch für eine Arbeit im Hafen. Die Mädchen lernten Handarbeiten und Ko­chen, um später eine gute Hausfrau zu sein. Das war damals der einzige Beruf, den man Mädchen zutraute!
Auch Musik spielte zu dieser Zeit eine große Rolle im Unterricht. Lehrer mussten auf dem Harmonium, einer kleinen Orgel im Klassenzimmer, spielen können, zweimal täglich wurde gebetet und gesungen. Und zwar »Volkslieder«, das sind Lieder, die meist von der Schönheit des Landes und der Zufriedenheit mit dem Kaiser handelten. Auch wenn manches Kind insgeheim vielleicht nicht ganz so zufrieden war mit der strengen Schule der Kaiserzeit.

Worauf schrieben Schüler früher? Und war Musik damals im Klassenraum erlaubt? Teste Dein Wissen und spiele das Quiz!

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