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Ein lustiger Finne

 

© Eva Persson
© Eva Persson

Timo Parvela war Lehrer und ist der Autor von „Ella auf Klassenfahrt“. Er freut sich enorm, „dass Ella durch die KinderZEIT strolchen darf“

Früher hat er selbst unterrichtet, heute schreibt er Bücher darüber: Der Finne Timo Parvela hat sich die Geschichten um das Mädchen Ella, ihre Klassenkameraden und ihren oft bemitleidenswerten Lehrer ausgedacht. In den nächsten zehn Wochen lest Ihr in der KinderZEIT sein neues Buch »Ella auf Klassenfahrt«. Timo Parvela selbst verbringt den Sommer auf einer kleinen finnischen Insel, fernab von jeder Schule. Von dort hat der 45-Jährige Fragen beantwortet.

KinderZEIT: Lieber Timo Parvela, wenn man den Ella-Büchern glaubt, scheint es in der Schule in Finnland ziemlich lustig zu sein, und die Kinder lernen nie. Geht es in finnischen Schulen wirklich so zu?

TIMO PARVELA: Die Ella-Bücher sind erfunden. Ich fürchte, die Schule macht weder in Finnland noch sonst wo auf der Welt so viel Spaß. Von den Zeiten, in denen Ella und ihre Freunde sich anstrengen und fleißig lernen müssen wie die Schüler in Deutschland und überall auf der Welt, erzähle ich nichts. Wenn etwas in den Ella-Büchern für die finnische Schule typisch ist, dann vielleicht die Beziehung zwischen den Schülern und den Lehrern. In Finnland ist der Lehrer jemand, zu dem man leicht persönlichen Kontakt bekommt, zu dem man »Du« sagen, den man mit dem Vornamen ansprechen darf und mit dem man lachen kann.

KinderZEIT: In „Ella auf Klassenfahrt“ reist der Lehrer im Hundekäfig und versucht mit einem Motorrad zu fliegen. Woher nehmen Sie solche wahnsinnig komischen Ideen?

PARVELA: Die besten Ideen überraschen sogar mich selbst. Ich wusste zum Beispiel vorher nicht, dass der Lehrer im Flugzeug in den Hundekäfig muss. Wenn mich beim Schreiben eine Wendung der Geschichte selbst überrascht oder wenn ich über etwas Witziges lachen muss, weiß ich, dass mir etwas gelungen ist. Die Ideen kommen also beim Schreiben. Aber leider tauchen sie nicht aus dem Nichts heraus auf, sondern sind eher das Ergebnis einer ausdauernden Schufterei und Grübelei. Das Schreiben eines Ella-Buches und insbesondere der komischen Sachen darin könnte man mit dem Legen eines Puzzles vergleichen – tausend Teile, und alle zeigen den blauen Himmel.

KinderZEIT: Haben Sie eine Lieblingsfigur in den Ella-Geschichten?

PARVELA: Noch vor ein paar Jahren hätte ich ohne Zögern geantwortet:  Pekka, der Klassendödel. Heute merke ich immer öfter, dass ich mich auf die Seite des Lehrers schlage. Vielleicht werde ich alt. Oder ich habe einfach Mitleid mit ihm.

KinderZEIT: Bis vor 13 Jahren haben Sie selbst als Lehrer gearbeitet. Warum haben Sie damit aufgehört und schreiben stattdessen Bücher darüber?

PARVELA: Damals habe ich auch schon Bücher geschrieben, und meine Kinder waren noch klein. Zwei Berufe waren mit einem Familienleben schlicht nicht unter einen Hut zu bringen. Meine Lehrerkarriere geht seitdem nur noch in den Ella-Büchern weiter – zum Glück! Denn wenn ich im richtigen Leben so geworden wäre wie der Lehrer dort, dann wäre ich jetzt entweder im Gefängnis oder in Frühpension. Andererseits bin ich, was die Schulwelt angeht, sehr gut auf dem Laufenden, denn meine Frau ist Lehrerin. Meine Mutter auch. Und mein Vater. Und die Mutter und der Vater meiner Frau sind Lehrer. Und die Schwester meiner Mutter und ihr Mann. Und die Paten meiner Kinder. Und fast alle unsere Freunde. Auch die Freunde meiner Eltern. Nur meine Hunde sind anderweitig tätig. Obwohl, es sind Hirtenhunde.

KinderZEIT: Haben Sie sich früher manchmal gefühlt wie der Lehrer in Ihren Geschichten?

PARVELA: Wieso manchmal? Ich habe zweimal eine erste Klasse unterrichtet, also Kinder, die sieben Jahre alt waren. Die meiste Zeit habe ich mich gefragt, warum Außerirdische ihren Nachwuchs ausgerechnet in meine Klasse geschmuggelt hatten. Manchmal war mir so zum Lachen, dass ich mich gegen die Tafel lehnen musste, und manchmal war mir so zum Heulen, dass ich mich an die Tafel lehnen musste. Mein Rücken war die meiste Zeit kreideweiß.

KinderZEIT: Was war das Lustigste, was Ihnen in Ihrer Zeit als Lehrer passiert ist?

PARVELA: Einmal habe ich mit den Kindern Fußball gespielt. Nach der Stunde standen alle Schüler am Rand des Spielfelds, nur zwei Jungen nicht, die hintereinander herjagten. Als ich sie schließlich eingefangen hatte, stellte sich heraus, dass sie sich darüber stritten, ob das Spiel 0 : 0 oder 6 : 2 ausgegangen war.

KinderZEIT: Haben Sie als Lehrer auch Klassenausflüge betreut, wie sie es in den Ella-Büchern beschreiben?

PARVELA: Ich habe viele Klassenausflüge gemacht, in den Zoo, ins Museum und ins Schwimmbad, aber dort ist nie irgendetwas Komisches passiert. Außer dass Pekka sich verlaufen hat, Hanna sich übergeben musste, weil sie zu viele Bonbons gegessen hatte, Tiina ihre Eintrittskarte verschluckt hat und Timo und Mika sich gestritten haben, aber das ist ja schließlich alles ganz normal. (Anmerkung der Redaktion: All das passiert in den Ella-Büchern.)

KinderZEIT: Beim Schreiben welcher Szene von „Ella auf Klassenfahrt“ hatten Sie den meisten Spaß?

PARVELA: Ich erinnere mich, dass ich am meisten über die Szene lachen musste, wo der Lehrer aus Lappland zu flüchten versucht und die Schüler mit dem Moped hinter sich herzieht. Mir fällt es viel schwerer, komische Szenen zu erfinden, als witzige Dialoge zu schreiben oder die Sprache ein bisschen zu verdrehen. Aber wenn es dann gelingt, ist es für mich selber schön und bestimmt auch für den Leser.

KinderZEIT: Mit welcher Stelle des Buches haben Sie sich am meisten gequält?

PARVELA: Es ist immer schwer, die Tonlage zu ändern. Aber das Komische braucht zur Unterstützung auch das Ernste. Was immer nur komisch ist, berührt den Leser nicht. Auch eine komische Geschichte muss eine gewisse Tiefe haben, damit sie den Leser wirklich interessiert. Bei Ella auf Klassenfahrt war es am schwersten, zwischen dem Unwirklichen und dem Wirklichen zu balancieren. Wie weit kann man die Grenzen der Wirklichkeit ausdehnen, ohne dass die Geschichte unglaubwürdig wird? Wie tief oder ernst kann man die Beziehung zwischen dem Lehrer und seinem Vater behandeln, ohne den komischen Charakter der Geschichte zu verändern?

KinderZEIT: Welche Stelle des Buches mochten Ihre beiden Kinder am liebsten?

PARVELA: Über die Szene, wo der Lehrer den Kindern das Skilaufen beizubringen versucht, musste meine Tochter am meisten lachen, weil sie Skilaufen über alles hasst. Einmal hat sie sich auf der Toilette eingeschlossen, damit sie nicht mit uns auf einen Skiausflug musste. Um sie herauszuholen, musste ich das Schloss an der Toilettentür ausbauen. Meine Tochter hatte sich inzwischen mit Lidschatten schwarze Ringe um die Augen gemalt und sah aus wie ein verkehrter Pandabär. Zum Ausflug konnten wir sie dann nicht mitnehmen, sonst hätte noch jemand gedacht, ich hätte sie misshandelt.

KinderZEIT: Welche ist Ihre Lieblingsfluchtmethode des Lehrers?

PARVELA: Der Fluchtversuch mit dem Moped ist mein absoluter Favorit. Da vereinen sich die an Genialität grenzende Verrücktheit des Lehrers und sein bis zur Verzweiflung reichender Optimismus – also die Eigenschaft immer an das Gute zu glauben. Beides Eigenschaften, die man als Lehrer braucht!

KinderZEIT: Warum sollte man in den Ferien ausgerechnet „Ella auf Klassenfahrt“, also ein Buch über die Schule lesen?

PARVELA: Schadenfreude ist die schönste Freude! Es macht Spaß, über die Schüler in einem anderen Land zu lesen, wenn man selbst Sommerferien hat. Außerdem können einen die Ella-Bücher auf gute Ideen bringen – wie man seinem Lehrer im neuen Schuljahr auf die Nerven gehen kann.

KinderZEIT: Drei weitere Empfehlungen für die Ferienbüchertasche, bitte!

PARVELA: Die Trilogie „Der goldene Kompass“, „Das Magische Messer“ und „Das Bernstein-Teleskop“ von Philip Pullman. „Die unendliche Geschichte“ von Michael Ende und die Erzählungen „Der kleine Nick“ von René Goscinny und Jean-Jacques Sempé.

Die Fragen stellte Katrin Hörnlein