Jedes Jahr werfen die Deutschen Tausende Tonnen Elektrogeräte weg. Einfach in den Müll darf solcher Schrott aber nicht. Vor allem alte Kühlschränke müssen besonders entsorgt werden
Von Anne-Katrin Schade
An dem Tag, an dem der neue Besitzer ins Haus kommt, ändert sich für den alten Kühlschrank alles. Mehr als 20 Jahre lang hat er zuverlässig funktioniert. Vom Joghurt über die Leberwurst bis zur Milch kühlte er Lebensmittel auf vier Grad Celsius. Nie war er kaputt. Doch jetzt hat ein Fremder das Haus gekauft, in dem er steht. Und dieser fremde Mann träumt von einem neuen Kühlschrank. Einem, der auf Knopfdruck Eiswürfel machen kann.Der neue Besitzer streicht dem alten Kühlschrank über die braune Tür, die vor Jahren so modern war. »Den braucht kein Mensch mehr«, murmelt er. Für ihn ist der Kühlschrank nur ein Stromfresser, ein Platzwegnehmer – Elektroschrott. Er rückt das alte Gerät von der Wand ab und zieht den Stecker aus der Dose. Im Kühlschrank geht das Licht aus, und seine letzte Reise beginnt.
Jedes Jahr werfen die Deutschen 750 000 Tonnen Elektrogeräte weg: Toaster, Computer oder eben Kühlschränke. Früher landete vieles davon im Hausmüll, also in der Tonne vor der Tür. Aber technische Geräte enthalten oft Stoffe, die man noch gut gebrauchen kann, zum Beispiel die Edelmetalle Gold und Silber. Außerdem kann Elektroschrott der Umwelt schaden. Besonders so ein alter Kühlschrank ist gefährlich, denn er kühlt noch mit FCKW (Fluorchlorkohlenwasserstoffe). Gelangen diese Gase in die Luft, zerstören sie die Ozonschicht, die sich um die Erde spannt und uns vor zu starkem Sonnenlicht schützt. Ist die Ozonschicht beschädigt, bekommen wir schneller Sonnenbrand und Hautkrebs. Deshalb müssen deutsche Hersteller ihre Kühlschränke seit dem Jahr 1995 ohne FCKW bauen. In älteren Geräten stecken diese Gase aber noch. Deshalb müssen sie auf besondere Art entsorgt werden.
So lädt der neue Hausbesitzer den Kühlschrank ins Auto und fährt zu einem Wertstoffhof. Das ist einer von etwa 1500 Plätzen in Deutschland, wo man Elektroschrott und anderen Müll abgeben kann. Hier parkt er vor einigen rostroten Containern und schleppt den Kühlschrank in einen davon, der die Aufschrift »Kühlgeräte, Gefriergeräte« trägt. Da steht der alte Kühlschrank nun neben anderen pensionierten Geräten in einer Pfütze. Sobald der Container voll ist, holt ihn eine Firma mit einem Lastwagen ab: Auf der Ladefläche des Transporters reist der Kühlschrank nach Hannover, zum Entsorgungsunternehmen Veolia.
Das liegt in einem Industriegebiet. Rauch steigt aus Schornsteinen auf, Lastwagen fahren umher. Sie bringen Geräte, die in ihre Einzelteile zerlegt werden sollen, aber auch anderen Müll wie alte Matratzen und Schutt von Baustellen. Der Container mit dem Kühlschrank wird im Eingangsbereich der Fabrik abgeladen. Zwei Arbeiter mit Handschuhen und orangefarbenen Latzhosen heben ihn heraus. Die Männer öffnen die Tür des Kühlschranks, und aus dem alten Gerät entweicht ein Schwall miefige Luft. Gebrauchte Kühlschränke stinken oft wegen der Lebensmittel, die in ihnen aufbewahrt wurden. Doch die Männer lassen sich nichts anmerken. Sie reißen die Trennfächer aus Plastik und die Schubladen heraus, dann schneiden sie die Kabel ab und tragen den Kühlschrank auf ein Band aus Metallrollen. Darauf holpert er in eine erste Halle, in der es ein bisschen wie im Kühlschrank riecht, nach verbrauchter, kalter Luft.
Hier stoppt ein Arbeiter das Rollband und hält den Kühlschrank fest. Von der Decke baumelt eine Art Zange an einem Schlauch. Die stößt der Arbeiter in eine Leitung an der Rückseite des Kühlschranks, direkt an seinem wichtigsten Bauteil, der Kältemaschine. Sie befindet sich in einer schwarzen Kapsel, und in ihr steckt viel von den schädlichen FCKW-Gasen. Die Zange saugt sie und außerdem Öl aus der Kältemaschine. Das Öl werden später andere Unternehmen kaufen und reinigen, um es als Schmier- oder Brennstoff zu benutzen. Doch die FCKW-Gase nutzen niemandem. Sie landen in einem Spezialofen und werden verbrannt.
Ist die Kältemaschine leer gesaugt, schneidet der Arbeiter sie heraus und wirft sie in einen Behälter. Als Nächstes nimmt er die Kühlleitungen heraus. Die bestehen aus Eisen, das noch für ein Baugerüst gut sein könnte, und aus Kupfer, das man für Wasserhähne braucht. Danach rollt der Kühlschrank in den nächsten Raum der Fabrik. Dort geht es steil nach oben: Ein Förderband fährt ihn in eine Metallbox, die etwa drei Meter über dem Boden steht. Jetzt heißt es Abschied nehmen: Hier wird der Kühlschrank nicht mehr als Ganzes herauskommen.
In der Box gerät er nämlich auf Rollen mit scharfen Zacken – wie in einem Schredder. Die Spitzen zermalmen ihn. Herunter rieseln Splitter, die raschelnd in die nächste Maschine fallen, in der sich die scharfen Ecken und Kanten aneinander abreiben. Derart geschliffen, landen sie in einer Rinne, die sie schüttelt. Besonders hoch hüpfen die schweren Teile aus Eisen. So kann sie ein Magnet, der über der Rinne hängt, gut anziehen. Die leichteren weißen Kunststoffteile landen in einem anderen Container. Das Material aus der Hülle des Kühlschranks, in dem noch FCKW-Gase stecken, presst eine Maschine in braune runde Stückchen. Zum Schluss werden auch sie verbrannt. Der größte Teil der FCKW-Gase kann nun nicht länger in die Luft gelangen.
Den alten Kühlschrank gibt es nicht mehr. Doch aus seinen Bestandteilen wird Neues entstehen: Das Metall wird zum Beispiel in Autos oder Flugzeugen verbaut. Und der Kunststoff kommt in die Gehäuse von Fernsehern oder Computern. Womöglich wird daraus sogar ein moderner Kühlschrank – einer ohne FCKW, der Eiswürfel ausspucken kann.