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Die Wähler haben im Hamburger Schulstreit entschieden

 

Hat keine Lust mehr Bürgermeister zu sein: Ole von Beust (rechts neben Schulsenatorin Christa Goetsch) Bild:Krafft Angerer

Heute sind in der Hansestadt Hamburg zwei Dinge passiert, die politischen Seltenheitswert haben. Erst einmal hat der regierende Bürgermeister Ole von Beust von der CDU erklärt, dass er am 25. August zurücktreten wird. Er möchte in zwei Jahren nicht zum fünften Mal für das Amt des Bürgermeisters kandidieren, und fand den heutigen Tag dafür ganz passend, seinen Regierungspartnern von den Grünen und den Hamburgern seinen Entschluss mitzuteilen.

Nun scheinen Rücktritte von Politiker, vor allem wenn sie aus der CDU kommen oder kirchliche Würdenträger sind, in diesem Jahr recht modern zu sein. Doch so richtig geschickt ist der Rückzug von Ole von Beust ausgerechnet heute nicht. Denn die Hamburger Wähler haben heute über das umstrittenste Projekt der Regierung aus CDU und Grünen in ihrer Stadt abgestimmt: Die Schulreform.

Nach dem Willen der Politiker aller im Hamburger Rathaus sitzenden Parteien (also auch denen von SPD und Der Linken, die derzeit nicht regieren) sollen in Hamburg alle Kinder ab dem am 19. August beginnenden Schuljahr sechs Jahr zur Primarschule gehen und danach erst auf eine weiterführende Schule. Zur Wahl stehen dann entweder die von Gesamtschulen in Stadtteilschulen umgewandelten Schulen, an denen die Schüler im besten Fall nach sieben Jahren mit dem Abitur abschließen, oder die Gymnasien, an denen Kinder, die schneller oder effektiver lernen können, nach sechs Jahren ihr Abitur machen können.

Hintergrund der Reform war der Wille der Politiker, dass mehr Kinder mit einer guten Schulbildung in ein Berufsleben starten können, in dem sie eine Lehrstelle oder einen Ausbildungsplatz finden und gute Zukunftsaussichten haben, egal ob ihre Eltern sich viel um die Bildung ihrer Kinder kümmern konnten oder nicht.

Diese Reform sollte die Stadt Hamburg viel Geld kosten, vor allem für mehr Lehrer und den notwendigen Aus- und Umbau der Schulen. Doch in Hamburg regte sich schon vor zwei Jahren nach Bekanntwerden der Reformpläne heftiger Widerstand von vielen Eltern, die Angst hatten, ihre Kinder würden weniger lernen, wenn sie mit schlechteren Schülern zwei weitere Jahre in einer Klasse sind und nicht schon nach Klasse vier „sortiert“ wird. Außerdem war vielen Eltern, Kindern und damit Wählern nicht klar, wie die ganze Reform bezahlt werden sollte – denn Hamburg ist derzeit ziemlich knapp bei Kasse.

Eine Volksinitiative gegen die Schulreform entstand, die eifrig demonstrierte und Unterschriften für ein Volksbegehren sammelte. Die Zahl der nötigen Unterschriften war schnell zusammen, so dass heute alle Hamburger Wahlberechtigten die Möglichkeit hatten, sich für oder gegen die Schulreform zu entscheiden.

Und auch wenn Ole von Beust vor Bekanntwerden des Abstimmungsergebnisses seinen Rücktritt erklärte – spätestens nach einem Blick auf das die Zahlen des Landeswahlleiters hätte er endgültig keine Lust mehr auf seinen Job gehabt. 276.304 Wähler haben gegen die Reform gestimmt, das sind über 25.000 Stimmen mehr als nötig.

Das ist echte Demokratie, da hat das Volk entschieden, denkt Ihr jetzt sicher. Diese Form von Demokratie ist aber für die Regierenden, die sich diese Reform ausgedacht haben, sehr bitter. Denn die Schulreform war das Kernstück der jetzigen Regierung. Schon jetzt munkelt man an der Elbe von Neuwahlen.

Aber die Hamburger Ereignisse haben auch Auswirkungen bis nach Berlin. Denn mit Ole von Beust tritt der sechste CDU-Ministerpräsident – und so etwas Ähnliches ist der Bürgermeister des Stadtstaates Hamburg – innerhalb weniger Monate zurück. Der Kreis der langjährigen politischen Freunde um Angela Merkel wird kleiner, wenn sie sich mit den Chefs der einzelnen Bundesländer trifft, muss sie sich auf neue Gesichter und Namen einstellen.