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Buchtipp: Von denen, die zu uns wollen

 

Ein italienisches Polizeiboot bringt die Flüchtlingsboote in den Hafen/ Foto: Getty Images

Fast täglichen sehen und hören wir in den Nachrichten von den vielen Flüchtlingen aus Nordafrika, die auf kleinen, fast nicht seetauglichen Booten die winzige italienische Insel Lampedusa im Mittelmeer ansteuern. An Bord dieser Schiffe sind vor allem Jungen und sehr junge Männer. Sie wollen im reichen Europa ihr Glück versuchen, fliehen aus einer Heimat, die ihnen keine Aussicht auf einen Beruf, mit dem sie sich und eine Familie gut ernähren können, bieten kann.

Aus Sicht der Europäer, vor allem der Italiener, die die vielen Flüchtlinge erst einmal aufnehmen müssen, sind die Gründe der afrikanischen Flüchtlinge zwar verständlich, und doch möchten die europäischen Staaten vermeiden, dass immer mehr zu uns kommen und ihre Heimat dafür im Stich lassen. Die meisten der Flüchtlinge bekommen in Europa kein Asyl, weil sie nicht nachweisen können, dass sie in ihrer Heimat wegen ihrer politischen Meinung oder ihrer Religion verfolgt werden. Sie kommen, weil es uns in Europa gut geht. Weil die Kaufhäuser und Supermärkte voll sind, scheinbar jeder ein schönes zu Hause und ein eigenes Auto hat. Viele von ihnen werden in ihre Heimatländer zurückgeschickt. Abschiebung heißt das. Andere tauchen unter, leben von den Behörden unentdeckt weiterhin unter uns.

Welche Gefahren diese Wirtschaftsflüchtlinge auf sich nehmen, um bis zu uns zu kommen, beschreibt Ortwin Ramadan in seinem Buch „Schrei des Löwen“. Es ist die Geschichte des 16-jährigen Yoba, der mit seinem kleinen Bruder als Straßenkind in Nigeria lebt. Durch ein Geschäft mit dem Gangsterboss vor Ort hat Yoba auf einmal Geld. Genug Geld, um für sich und seinen kleinen Bruder bei einem sogenannten Schleuser (das sind Menschen, die Reise und Flucht organisieren) ein Ticket nach Europa zu bezahlen. Doch schon die Überfahrt auf dem Flüchtlingsboot nach Sizilien ist gefährlicher als gedacht. Denn auf den Booten ist es heiß, die Sonne brennt auf die ungeschützt an Deck kauernden Flüchtlinge, es gibt nicht genug zu Trinken für alle.

Carlsen Verlag 2011

Autor Ortwin Ramadan, dessen Vater Ägypter ist und der in Deutschland aufwuchs, beschönigt in seinem Buch nichts und mutet seinen Lesern zu, auch traurig zu sein und sich hilflos zu fühlen. Er verschweigt nicht die bitteren Wahrheiten, mit denen sich die „Festung Europa“ gegen die Flüchtlinge wehrt: Schiffe, die die Grenzen überwachen. Große Flüchtlingslager im Norden Afrikas, von der EU bezahlt, in denen die Flüchtlinge zusammen leben müssen, ohne den Traum von Europa zu Ende träumen zu dürfen.

Ortwin Ramadan
Der Schrei des Löwen
Carlsen Verlag
Taschenbuch, 9,95 Euro
ab 13 Jahre