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Was wisst Ihr wirklich?

 

Bildung ist wichtig. Findet auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, auf dem Foto zu Besuch in einer Berliner Grundschule/ Foto: Getty Images

Vor zehn Jahren wurde der Pisa-Test erfunden. Wissenschaftler und Bildungspolitiker wollten herausfinden, in welchen Ländern die Kinder am besten lernen

Jan-Martin Wiarda

Habt Ihr das schon einmal erlebt? Da ist dieser Junge, der wahnsinnig schlau daherredet. Und der sagt, dass er superschnell kopfrechnen und das schwierigste Fremdwort buchstabieren kann. Alle anderen in der Klasse sind ganz eingeschüchtert. Doch dann kommt eines Tages die erste Mathearbeit, und der Junge schreibt eine Drei minus. Im Diktat bekommt er sogar nur eine Vier.

So ähnlich ging es vielen anderen Ländern auf der Welt vor zehn Jahren mit Deutschland. Immer waren die Deutschen herumgelaufen und hatten sich selbst gelobt: Wir sind das Volk der Dichter und Denker! Wir haben die besten Schulen und die schlausten Schüler! Dann kam dieser Test, der wie eine italienische Stadt heißt, Pisa nämlich. Und bei diesem Test hatte Deutschland gar kein so tolles Ergebnis, wie alle es erwartet hatten. Deshalb spricht man von dem großen »Pisa-Schock«.

Aber wie war es überhaupt zu dem Pisa-Test gekommen, und wofür sollte der gut sein?

Im Jahr 2000 hatten sich die Regierungen von 43 Staaten weltweit zusammengetan, um endlich einmal herauszufinden, wie gut die Kinder in ihren Ländern denn nun wirklich in der Schule sind, wie gut sie zum Beispiel lesen oder rechnen können: Das interessierte Wissenschaftler und Bildungspolitiker, die die Schulen besser machen wollten. Bei dem Vergleich kam dann heraus, dass die deutschen Schüler keineswegs die schlausten waren. Im Gegenteil: Sie waren sogar ziemlich schlecht im Lesen und Rechnen. Die Kinder in vielen anderen Ländern waren darin besser, vor allem die Schüler in Finnland, Kanada und Japan, aber auch in Schweden, in Belgien oder in Österreich. Ihr könnt Euch vorstellen, dass die Leute in Deutschland geschockt waren, denn sie hatten sich offenbar all die Jahre etwas vorgemacht. In den Nachbarländern hingegen waren manche ein bisschen schadenfroh: Das kann man ja auch verstehen, wenn da jemand vorher so angegeben hatte.

Wer nicht gut lesen und schreiben kann, der hat auch Schwierigkeiten, all die anderen Sachen zu lernen, die im Leben wichtig sind. Das behaupten zumindest die Wissenschaftler, die sich den Pisa-Test ausgedacht haben. Wer etwa nicht gut liest, liest auch nicht gern. Und wer nicht gern liest, liest nicht genug – und erfährt weniger über die Welt. Dass sich also etwas daran ändern musste, dass die deutschen Schüler so schlecht im Lesen abschnitten, war sehr schnell klar.

Doch anstatt gleich etwas zu tun, wurde erst einmal gestritten: Manche Eltern warfen den Lehrern vor, schuld daran zu sein, dass ihre Kinder Probleme in der Schule hatten. Das wiederum wollten viele Lehrer nicht auf sich sitzen lassen und sagten, dass die Eltern sich gefälligst erst mal selbst mehr um ihre Kinder kümmern sollten: zum Beispiel darauf achten, dass sie ihre Hausaufgaben machen. Währenddessen stritten sich auch die Bildungspolitiker der unterschiedlichen Parteien, ob es nicht besser wäre, alle Kinder auf die gleiche Art von Schule zu schicken – wie etwa in Finnland –, anstatt sie, wie bei uns, nach der Grundschule auf Hauptschule, Realschule und Gymnasium aufzuteilen. Irgendwann hatten dann alle lange genug diskutiert und ein paar gute Ideen entwickelt, wie man die Schulen und den Unterricht besser machen könnte. Und in einem Punkt waren die meisten sich einig: Die Kinder können nichts dafür, wie gut oder schlecht sie abschneiden! Schließlich sind Kinder überall auf der Welt eigentlich gleich schlau. Es musste also am Unterricht liegen. Daran zum Beispiel, dass die Lehrer in ihrer Ausbildung nicht genug darüber lernen, wie sie den Schülern schwierige Dinge so erklären können, dass die sie auch verstehen. Oder auch daran, dass ihre Vorgesetzten in den Ministerien den Lehrern genau vorschreiben wollten, wie sie ihre Schulstunden gestalten. Bis in alle Einzelheiten stand das in den sogenannten Lehrplänen. Die gibt es zwar immer noch, aber heute schreiben sie weniger vor. Die Lehrer dürfen öfter selbst entscheiden, wann sie ihren Schülern was beibringen – und wie.

Wissenschaftler, Lehrer, Eltern, Beamte in den Kultusministerien und Bildungspolitiker der verschiedenen Parteien wollten zudem aber auch sicherstellen, dass wir immer wissen, wie gut die Kinder in Deutschland lernen. Darum machten die deutschen Schüler weiter mit bei Pisa: 2003, 2006 und 2009. Und im kommenden Jahr werden wieder Neuntklässler aus ganz Deutschland getestet. Für die Grundschüler gibt es übrigens einen anderen Test, er heißt Iglu. Der Test hat nichts mit Eskimos zu tun, sondern vergleicht, ganz ähnlich wie Pisa, wieder die Schüler aus vielen Ländern. Die Tests könnt Ihr Euch übrigens ganz ähnlich vorstellen wie eine normale Klassenarbeit, nur dass dafür extra Leute in die Schule kommen und für ein paar Stunden die Rolle der Lehrer übernehmen. So will man verhindern, dass ein Lehrer seinen Schülern heimlich bei den Aufgaben hilft – schließlich wäre es ja ein bisschen peinlich für ihn, wenn ausgerechnet seine Schüler schlecht abschnitten.

Noch eine Neuerung gab es nach dem Pisa-Schock in deutschen Schulen: die Vergleichsarbeiten. Dabei bekommen alle Schüler einer Klassenstufe an allen Schulen in einem Bundesland zur selben Zeit dieselben Aufgaben, und danach guckt man: Welche Schule hat besonders gut abgeschnitten, welche besonders schlecht, und warum?

Für Kinder ist die Schule durch Pisa abwechslungsreicher geworden, aber auch etwas anstrengender. Doch ist der Unterricht heute wirklich besser? Auch da kann Pisa eine Antwort geben, denn tatsächlich sind die deutschen Schüler seit dem schlechten Ergebnis von vor zehn Jahren im Vergleich zu den Kindern aus anderen Ländern vorangekommen.

Wenn man Euch heutzutage eine Matheaufgabe stellt, könnt Ihr die wahrscheinlich genauso schnell und genauso gut lösen wie Kinder in Österreich oder Belgien. Italienische oder amerikanische Kinder dagegen tun sich ein bisschen schwerer damit. Ist das jetzt schon wieder ein Grund zum Angeben? Wohl kaum. Denn wer ziemlich gut ist, hat es gar nicht nötig, sich wichtigzumachen.