In Peru haben Schüler eine Bank gegründet. Sie legen ihr Taschengeld zusammen und versuchen, es zu vermehren – für die Zeit nach der Schule
Von Magdalena Hamm mit Fotos von Sandra Gätke
Wenn Lisette über den Schulhof läuft, klimpert es bei jedem Schritt in ihrer Umhängetasche. Die 13-Jährige trägt darin ein blaues Kästchen mit sich herum, in dem sie Münzen aufbewahrt. Täglich werden es mehr, denn ständig kommen ihre Mitschüler auf sie zu und wollen Lisette Geld geben. Das Geld gehört aber nicht Lisette, sie bewahrt es für die anderen auf. Denn sie ist die Schatzmeisterin der Schülerbank an ihrer Schule. Die anderen Kinder vertrauen Lisette ihr Taschengeld an, weil sie es sparen wollen. Jedes hat ein kleines Notizheft, in das Lisette einträgt, wie viel Geld ihr die Mitschüler gegeben haben. Sie hat viel zu tun. Denn seit Kurzem haben ihre Mitschüler eine Leidenschaft fürs Sparen entdeckt.
Für uns in Deutschland ist Sparen eine ganz normale Sache, in fast jedem Kinderzimmer steht eine Spardose herum. In Piura, einer Region in Peru, einem Land in Südamerika, ist das anders. Dort lebt Lisette mit ihrer Familie. Ihr Heimatdorf Ocoto Alto liegt mitten in der Wüste. Auch im Herbst brennt die Sonne dort noch, und es ist schwierig, im trockenen Boden etwas anzubauen. Viele Menschen in Piura haben keine Arbeit, und wenn doch, verdienen sie sehr wenig Geld. An Sparen ist da gar nicht zu denken. Die Familien haben daher auch kein Geld, ihren Kindern nach der Schule eine gute Ausbildung zu bezahlen. Ohne Ausbildung finden sie aber meist keine Arbeit oder nur eine schlecht bezahlte, so wie ihre Eltern.
Um den Menschen in Piura zu helfen, hat das Kinderhilfswerk Plan vor ein paar Monaten ein Projekt in 65 Schulen begonnen. Die Organisation sammelt in reichen Ländern wie Deutschland Spenden und bezahlt damit in armen Staaten Projekte, um Kindern und ihren Familien einen Weg aus der Not zu zeigen. Lisette und ihre Mitschüler sollen lernen, für ihre Zukunft zu sparen.
Lisettes Lehrer, Juan Gonzalo Hidalgo, hat von Plan erklärt bekommen, wie man eine Schülerbank gründet und betreibt. Die Schüler sollen nämlich nicht nur Geld sparen, sondern auch welches verdienen. Hidalgo hat zudem die Notizhefte bekommen, in denen aufgeschrieben wird, wie viel Geld gespart wurde, und Arbeitsblätter, die er an die Schüler verteilt hat. Lisette und ihren 27 Klassenkameraden macht das Sparen so viel Spaß, dass sie nach drei Monaten schon 30 Soles und 50 Céntimos zusammengetragen haben. Umgerechnet sind das etwa zehn Euro. Das klingt vielleicht wenig, aber es ist ein großer Erfolg. Denn die Kinder bekommen kaum Taschengeld, nur etwa einen Sol, 30 Cent, in der Woche, damit sie sich am Schulkiosk etwas zu essen kaufen können.
»Früher haben wir uns von dem Restgeld Süßigkeiten gekauft«, sagt Lisette. »Aber jetzt sparen wir es lieber.« Jeden Tag ein paar Centimos. Gemeinsam mit ihrem Lehrer überlegen sich die Schüler, wie sie das gesparte Geld verwenden können, um weitere Soles zu verdienen.
»Wir haben zum Beispiel Marmelade gekocht und auf dem Schulfest verkauft«, erzählt Lisettes Freundin Ruth. »Die Früchte stammten aus unseren Gärten, aber die Gläser mussten wir kaufen. Wir haben dafür das erste ersparte Geld von der Schülerbank genommen.« Beim Verkauf der Marmelade haben sie so viel Geld verdient, dass sie nicht nur die Kosten für die Gläser wieder eingenommen, sondern einen Gewinn gemacht haben. Die Einnahmen behielt die Schülerbank. Sie wurden den Jungen und Mädchen in deren Sparbüchern gutgeschrieben.
Die Münzen blieben aber nicht in Lisettes Kästchen. »Davon haben wir jetzt Stoff und Perlen gekauft«, sagt Ruth. »Wir nähen Stofftiere und machen Armbänder, die wir dann wieder verkaufen.«
So soll das immer weitergehen: sparen, investieren, Gewinn machen, wieder sparen. Wenn seine Klasse 50 Soles zusammenhat, will Herr Hidalgo bei einer Bank ein Konto eröffnen.
Dann muss Lisette nicht mehr so viele Münzen mit sich herumtragen, und die Klasse bekommt für ihr Erspartes außerdem Zinsen von der Bank. »Wenn wir genug Geld angespart haben, wollen wir damit ein kleines Schulunternehmen gründen«, sagt Herr Hidalgo. Was das genau sein könnte, darüber sind sich die Schüler noch nicht einig. Einige Mädchen wollen einen Schönheitssalon eröffnen, andere Schüler möchten Honigbienen züchten.
Lisette und ihre Freundinnen denken schon an die Zeit nach der Schule. Dann bekommen sie ihren Anteil aus der Schülerbank ausbezahlt. »Man könnte damit eine Bäckerei eröffnen«, sagt Ruth. »Hier im Dorf gibt es keine. Es kommt nur alle zwei Tage ein Wagen, der Brot verkauft, und das schmeckt nicht besonders gut.« Mit einer Bäckerei ließe sich bestimmt Geld verdienen.
Aber eigentlich würde Lisette gern Krankenschwester werden. Dazu müsste sie Ocoto Alto verlassen und in einer größeren Stadt in die Lehre gehen. Ihre Eltern könnten ihr so einen Umzug nicht bezahlen. Aber Lisette hat eine Idee: »Vielleicht machen wir erst die Bäckerei auf, und wenn wir dann genug Geld verdient haben, bezahle ich davon meine Ausbildung.«