Der eine ist 78 Jahre alt und Opa, der andere 12 Jahre alt und sein Enkel. Linus benutzt heute ganz andere Ausdrücke als sein Großvater als Kind. Ein Gespräch über unsere Sprache im Alltag und in Büchern
Ein Interview von Catalina Schröder
KinderZEIT: Linus, hast Du ein Lieblingskinderbuch?
Linus: Ich mag die Räuber-Hotzenplotz-Bücher. Die sind toll geschrieben, und ich habe auch selbst gern Räuberjagd gespielt.
KinderZEIT: Kennen Sie die Bücher auch, Herr Möckel?
Udo Möckel: Ja, die habe ich gelesen.
KinderZEIT: Bücher wie Räuber Hotzenplotz, aber auch Pippi Langstrumpf oder Die kleine Hexe kennt eigentlich jeder, sie sind Klassiker…
Linus:Die kleine Hexe kenne ich!
Udo Möckel: Ich habe auch davon gehört.
KinderZEIT: Linus, kannst Du Deinem Opa erklären, worum es geht?
Linus: Es ist schon lange her, dass ich das Buch gelesen habe. Es geht um eine kleine Hexe. Sie wohnt mit einem Raben zusammen und möchte auf dem Hexenball tanzen. Aber sie muss erst die alten Hexen überzeugen, dass sie eine gute Hexe ist.
KinderZEIT: Im Moment reden viele Menschen darüber, ob man die Sprache in Kinderbüchern ändern sollte. In der Kleinen Hexe kommt zum Beispiel das Wort »Neger« oder »Negerlein« vor.
Linus: Früher war das ja noch kein Schimpfwort. Heute würde ich so etwas nicht in Bücher schreiben.
Udo Möckel: Ich störe mich an dem Wort »Negerlein«, weil es durch das »lein« eine Verkleinerung wird. Das bedeutet, dass man sich über Menschen lustig macht.
KinderZEIT: Hat man Worte wie »Neger« gesagt, als Sie jung waren?
Udo Möckel: Ja, wir haben aber gar nicht darüber nachgedacht, wenn wir sie gesagt haben. Es war normal.
KinderZEIT: Soll man Wörter in den alten Büchern denn ändern?
Udo Möckel: Nein! Ich wäre dafür, dass man darüber redet. Zum Beispiel in der Schule. Ein Lehrer kann ja fragen, wie seine Schüler sich fühlen, wenn sie ein Buch mit solchen Wörtern lesen.
KinderZEIT: Wörter verändern also ihre Bedeutung. Herr Möckel, gibt es Wörter, die Sie früher oft gesagt oder gehört haben, heute aber nicht mehr?
Udo Möckel: Ja! Wenn meine Oma zu Besuch kam, hieß es: »Mach einen Diener« – also eine Verbeugung. Das fand ich fürchterlich!
KinderZEIT: Linus, würdest Du vor Deinem Opa einen Diener machen?
Linus: Ja, aber nur aus Spaß.
Udo Möckel: Früher sagte man auch »Ich bete für Dich«. Heute sagt man vielleicht »Ich denke an Dich«.
KinderZEIT: Welches Wort benutzt Du, Linus, wenn Du etwas toll findest?
Linus: »Cool«.
KinderZEIT: Was haben Sie früher gesagt?
Udo Möckel: Ich erinnere mich an keinen besonderen Ausdruck. Dafür gibt es viele Wörter aus meiner Kindheit, die ich heute gar nicht mehr höre. Das hat mit der Zeit zu tun. Als ich Kind war, war gerade der Krieg vorbei. Man redete von »Trümmerfrauen«. Das waren die Frauen, die Schutt von zerstörten Gebäuden weggeräumt haben. Zum Glück ist der Krieg inzwischen lange vorbei. Trümmerfrauen gibt es nicht mehr, deshalb wird das Wort auch kaum noch benutzt.
KinderZEIT: Linus, benutzt Du manchmal Wörter, mit denen Dein Opa nichts anfangen kann?
Udo Möckel: Nein, das macht er nicht.
Linus: Aber ich könnte so sprechen, dass Du es nicht verstehst. Das Wort »dissen«, kennst Du das?
Udo Möckel: Nein.
Linus: Wenn jemand zum Beispiel hingefallen ist, und ein anderer macht sich darüber lustig, dann disst er den, der hingefallen ist. »Dissen« ist ein anderes Wort für auslachen. Ich glaube, das kommt von »diskriminieren«
Udo Möckel: Dissen. Mensch, da hab ich was gelernt. Ach, da fällt mir auch noch ein Wort ein, das junge Leute heute benutzen. Wenn sie Beine baumeln lassen, also eine Auszeit nehmen, dann sagen sie, glaube ich, »Abhang«.
KinderZEIT: Meinen Sie »abhängen«?
Udo Möckel: Ja, abhängen. Früher sagte man das, wenn ein Schwein geschlachtet wurde. Danach musste es eine gewisse Zeit an einem Haken aufgehängt werden und »abhängen«.
Linus: Das hat sich ja echt geändert. Wenn ich Nichtstun meine, sage ich chillen oder abhängen.
Udo Möckel: Also baumeln lassen.