Seit 15 Jahren läuft die Serie »Schloss Einstein« im Fernsehen. Warum wird sie nicht langweilig? Ein Besuch am Filmset
Von Anika Kreller
Los geht’s, Herrschaften, die Kamera läuft!«, ruft ein Mann mit Kopfhörern in ein Mikrofon. Er ist der Regisseur der Serie Schloss Einstein, also derjenige, der beim Dreh der Chef ist. In einer riesigen Halle am Rand von Erfurt werden Szenen für die Serie gedreht – und wenn der Regisseur ruft, geht’s los. Die etwa 20 Kinder, die gerade noch ganz leise im Flur auf ihren Einsatz gewartet haben, laufen hin und her, umarmen sich und tanzen. Die Zuschauer werden später im Fernsehen sehen, wie die Schüler eine Party zum Schulbeginn in der Cafeteria feiern. Doch so weit ist es noch lange nicht. Der Regisseur bricht ab. »Noch mal«, ruft er. Irgendetwas hat ihm nicht gefallen. So geht das noch oft an diesem Nachmittag, bis alles stimmt.
Es ist Folge 793, die heute gedreht wird, denn die Serie rund um das Internat läuft schon seit 15 Jahren im Fernsehen. Damit ist sie wahrscheinlich älter als Du.
Wie geht das, dass eine Serie einfach nicht zu Ende geht?
Zum einen liegt das an ihrem Erfolg. Und Erfolg heißt bei Fernsehserien, dass viele Menschen sie gucken. In Deutschland schaltet heute fast jedes fünfte Kind zwischen 10 und 13 Jahren Schloss Einstein ein. Und nicht nur in Deutschland ist die Serie beliebt, sie wird in zehn anderen Ländern gezeigt. In den Niederlanden lernen die Kinder mit Schloss Einstein sogar Deutsch.
Und warum ist eine Serie erfolgreich und beliebt? Die Macher denken, dass es auch an den Geschichten liegt, die sie erzählen. In der Serie geht es um das, was Schüler der siebten bis zehnten Klasse erleben: Ein Junge bekommt Ärger, weil er die Hausaufgaben aus dem Internet abgeschrieben hat. Ein Mädchen ist sauer auf ihren Bruder, weil er beim Pokern Geld verspielt hat. Zwei Brüder geraten aneinander, weil sie dasselbe Mädchen mögen. Das sind ganz alltägliche Sorgen, die viele kennen. Deshalb kann man als Zuschauer mit den Schauspielern mitfühlen. Man hat das Gefühl, es hat etwas mit dem eigenen Leben zu tun. Die Autoren, die die Drehbücher für Schloss Einstein schreiben, fragen dafür Kinder, was die in der Klasse so erleben.
Wenn die Schauspieler älter werden, müssen natürlich auch die Figuren, die sie spielen, älter werden. Aber irgendwann ist Schluss, und sie verlassen das Internat. Und dann rücken neue Schüler, also Schauspieler, nach: Mehr als 300 Hauptrollen gab es schon.
Hugo Gießler und Marie Borchardt spielen zurzeit Hubertus und Pippi, zwei Schüler, die sich ineinander verlieben. Vor ein paar Jahren haben die beiden die Serie noch selbst geschaut, nun spielen sie mit. »Das ist schon komisch«, sagt der 16-jährige Hugo. »Als Kind hätte ich mir nie vorstellen können, dass ich mal in der Serie mitspiele.« Vormittags besuchen Hugo und Maria eine normale Schule, an einigen Nachmittagen in der Woche stehen sie für Schloss Einstein vor der Kamera . Bei der Partyszene spielen sie nicht mit, sie ziehen sich in der Zeit ihre Kostüme an: Hugo ein blaues Hemd, Marie eine Blümchenbluse. Danach werden die beiden geschminkt und gehen noch mal gemeinsam ihren Text durch.
Robert Schupp, der den Internatsdirektor spielt, ist schon seit 2006 dabei. In den sieben Jahren hat er viel Lustiges erlebt, aber ein Erlebnis ist ihm besonders im Gedächtnis geblieben: »In einer Szene sollte ich eine Rakete abschießen. Es war sehr kalt, und ich hatte richtig dicke Unterwäsche an. Als ich mich gebückt habe, um die Rakete abzufeuern, ist mir tatsächlich die Hose geplatzt!«
Solche Pannen sind harmlos, schwieriger wird es, wenn ein Schauspieler krank wird. Im März fiel erst eine Hauptdarstellerin aus, dann bekam auch noch der Regisseur Schüttelfrost. Am Ende musste die Handlung der Serie geändert werden. Schloss Einstein muss ja weitergehen.
In den 15 Jahren hat sich einiges verändert: Es sind nicht nur neue Schüler auf das Internat gekommen, die ganze Schule ist umgezogen: Bis 2008 spielte die Serie in dem ausgedachten Ort Seelitz in Brandenburg, heute in Erfurt. Am Anfang mussten die Schüler noch in eine Telefonzelle gehen, um ihre Eltern anzurufen. Heute haben sie Handys. Und während früher Computer kaum eine Rolle spielten, besitzen die Schüler heute alle Laptops. Damit kommen auch neue Themen dazu, zum Beispiel Mobbing bei Facebook. Einiges ist seit der ersten Folge, die am 4. September 1998 ausgestrahlt wurde, aber auch geblieben: Das Titellied Alles ist relativ gab es von Anfang an, Hausmeister Pasulke taucht immer auf.
Viele der Darsteller von früher sind übrigens heute keine Schauspieler mehr. Sie haben sich nach der Schule für einen anderen Beruf entschieden, sind Ärzte oder Polizisten geworden. Und viele haben inzwischen selbst Kinder. Mit denen können sie heute die Serie schauen, in der sie früher mitgespielt haben.