In Europa arbeiten viele Länder eng zusammen –auch Deutschland macht bei dem Staatenbund mit. Aber warum eigentlich?
Matthias Krupa
Wenn Ihr in diesen Wochen Nachrichten guckt oder hört, was viele Erwachsene sagen, habt Ihr vielleicht den Eindruck, Europa sei gerade kein besonders schöner Kontinent. Ständig wird über eine Krise gesprochen. Die Politiker schauen ganz besorgt, und manche behaupten sogar, Europa würde »scheitern«. Und wenn sie das sagen, gucken sie noch besorgter. Komisch eigentlich, schließlich geht es uns hier doch ziemlich gut. Jedenfalls gilt das für die meisten Menschen, die in Deutschland, Spanien, Polen oder einem anderen europäischen Land zu Hause sind.
Die meisten Menschen in Europa haben genug zu essen. Sie dürfen ihre Regierungen frei wählen und ihre Politiker kritisieren, ohne dass sie dafür bestraft werden. Das ist in vielen Ländern etwa in Afrika oder Asien anders; auch bei uns war das nicht immer so. Fast alle Kinder in Europa können zur Schule gehen – auch wenn Ihr das nicht immer toll findet. In Wahrheit ist es aber natürlich eine großartige Sache, wenn man als Kind etwas lernen darf, anstatt arbeiten zu müssen. Oder, noch schlimmer, anstatt vor einem Krieg fliehen zu müssen.
Warum also schimpfen dann gerade immer mehr Menschen auf Europa? Und welches Europa meinen sie überhaupt, wenn sie sich sorgen, dass es »scheitern« könnte?
Fast immer, wenn in diesen Tagen von Europa gesprochen wird, ist eigentlich die Europäische Union gemeint, kurz: EU. Diese EU ist etwas anderes als der Kontinent Europa. Der Kontinent hat Grenzen, die man im Atlas sehen kann. Die EU dagegen ist eine Art politischer Verein, in dem viele, aber nicht alle europäischen Länder Mitglied sind.
Gegründet wurde dieser Verein 1957, anfangs hatte er nur sechs Mitglieder: Deutschland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Belgien und Luxemburg. Heute liest man das und denkt: Na und? Doch damals, vor mehr als 50 Jahren, war die Gründung dieses Vereins eine Sensation. Der Zweite Weltkrieg war erst 1945 zu Ende gegangen, und die meisten Menschen erinnerten sich noch daran, wie dieselben Länder, die sich nun zusammentaten, kurz vorher gegeneinander gekämpft hatten.
Genau deswegen aber hatten kluge Staatsmänner (Staatsfrauen oder Kanzlerinnen gab es damals noch nicht) den Verein gegründet: Damit ihre Länder nie wieder Krieg gegeneinander führen würden. Ihre Idee war im Grunde genommen einfach: Je mehr die Länder gemeinsam machen würden, desto geringer war die Gefahr, dass sie noch einmal miteinander kämpfen würden.
Im Laufe der Jahre wurde der Verein immer größer, heute hat er 27 Mitglieder. Von A wie Austria (oder Österreich) bis Z wie Zypern. Und bald soll Kroatien als 28. Mitgliedsstaat aufgenommen werden. Die Angst vor einem Krieg spielt heute zum Glück keine große Rolle mehr. Und in den vielen Jahren haben die Länder sogar noch gemerkt, dass es viele Vorteile hat, wenn man sich zusammentut.
Heute können die Menschen, die in der EU leben, zum Beispiel von einem Land in ein anderes ziehen und dort arbeiten. Sie können auch innerhalb der EU verreisen, ohne dass sie an einer Grenze kontrolliert werden (jedenfalls in den meisten Ländern). Und die Firmen, die zum Beispiel Autoreifen oder Schokolade herstellen, dürfen diese auch in jedem anderen Land der EU verkaufen. Davon haben dann alle etwas: Die Menschen, die eine größere Auswahl haben, und die Firmen, die ihre Autoreifen oder Schokolade an mehr Menschen verkaufen können. Seit einigen Jahren kann man in 17 der 27 EU-Staaten sogar mit demselben Geld bezahlen, dem Euro.
Damit das alles funktioniert, hat sich die EU wie jeder andere Verein Regeln gegeben. Um diese Regeln zu kontrollieren, gibt es die EU-Kommission, eine Art Vereinsvorstand, in den jedes der 27 Mitgliedsländer einen Vertreter entsendet. Der heißt Kommissar, hat aber nichts mit der Polizei zu tun. Außerdem treffen sich die Regierungschefs aller 27 Länder regelmäßig in Brüssel. Dann entstehen diese ulkigen Bilder, auf denen ganz viele Männer und ein oder zwei Frauen wie eine Fußballmannschaft hintereinander stehen.
Eigentlich ist die EU ein riesiger Erfolg und für viele andere Menschen in der Welt deshalb ein Vorbild. In Afrika zum Beispiel haben einige Länder einen ähnlichen Verein gegründet, die Afrikanische Union (AU). Auch diese Länder hoffen, dass sie gemeinsam stärker sind als jedes Land für sich allein.
Ja, aber wo ist denn dann das Problem? Nun, wie in jedem Verein gibt es auch in der EU immer mal wieder Streit. Und im Moment gibt es besonders heftigen Streit, weil sich einige Länder, Griechenland zum Beispiel, nicht an die gemeinsamen Regeln gehalten haben. Schuld daran sind weniger die Menschen in Griechenland, als vielmehr die früheren Regierungen. Einige sagen nun, dass es besser gewesen wäre, Griechenland gar nicht in den Verein aufzunehmen. Andere finden, dass der Verein ohnehin viel zu groß geworden sei.
Natürlich ist es schwieriger, wenn sich heute 27 Länder verständigen müssen als früher nur sechs. Richtig ist es auch, dass Mitglieder, die sich nicht an die Regeln halten, dafür bestraft werden. Deswegen denken die Politiker nun über noch strengere Regeln für die EU nach. Oder wäre es am Ende sogar besser, den Verein wieder aufzulösen?
Außerhalb von Europa verstehen die Menschen diese Frage gar nicht. »Euch geht es doch gut!«, sagen sie. »Wie gut, dass ihr euch zusammengetan habt.«