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Power-Schneeball!

 

Foto: Christopher Furlong/Getty Images

In Kanada finden gerade die Olympischen Winterspiele statt. Wer darf mitmachen? Wie wird eine Sportart olympisch? Und: Hätte Schneeballwerfen eine Chance?

Von Katrin Hörnlein

Sie sind die Neuen bei den Olympischen Spielen in Vancouver, und einige sagen, sie seien ganz schöne Rowdys: die Ski Crosser. Die Sportler rasen Hänge hinunter, springen über Schneebuckel und drängeln ordentlich. Vier Fahrer sind gleichzeitig auf der Piste – und jeder will der Erste im Ziel sein. Ski Crosser werden bis zu 100 Kilometer in der Stunde schnell (so ein Tempo haben Autos auf Landstraßen!). 2006 wurde entschieden, dass Ski Cross olympische Disziplin wird. Ein Platz im olympischen Programm ist sehr begehrt. Viele Sportarten versuchen jahrelang vergebens, bei den Spielen antreten zu dürfen. Wie also schafft es ein Sport, olympisch zu werden?
Über neue Sportarten entscheidet das Internationale Olympische Komitee, kurz sagt man IOC. Das ist eine Art Verein, der sich nur mit Olympia beschäftigt. Die Mitglieder des Vereins kommen aus vielen Ländern und treffen sich regelmäßig. Diese Versammlungen nennt man Sessionen. Dort wird darüber abgestimmt, in welchen Städten die Spiele stattfinden und welche Sportarten dabei sein dürfen. Viele Jahre lang sind die olympischen Spiele stetig gewachsen, weil immer neue Disziplinen dazukamen. »Stop! Wir werden zu groß!«, sagten irgendwann die Chefs des IOC und legten fest, wie viele Sportarten, Athleten und Wettkämpfe in eine Ausgabe der Spiele passen.
Nun kann aber nicht einfach Jana aus Frankfurt oder Peter aus Washington beim IOC anrufen und sagen: »Hey, wir haben eine tolle neue Sportart erfunden. Wir wollen bei Olympischen Spielen antreten.« Dafür ist das IOC zu groß, es braucht einen entsprechend großen Gesprächspartner, der für alle spricht, die die neue Sportart unterstützen wollen. Außerdem muss der neue Sport einige Vorgaben erfüllen, um überhaupt interessant zu sein. Zum Beispiel sollen ihn viele Menschen in der ganzen Welt ausüben, am besten Mädchen und Jungen. Und nicht nur Erwachsene, auch Kinder und Jugendliche sollen davon begeistert sein.
Ein Beispiel: Stellt Euch vor, Ihr wollt »Schneeballschlacht« als Sportart olympisch machen. (Wer jetzt denkt: »So ein Quatsch!«, dem sei gesagt, dass auch Tauziehen mal olympisch war. Wirklich!) Aber zurück zur Schneeballschlacht: Viele Menschen auf der Welt veranstalten Schneeballschlachten, und zwar Männer und Frauen, junge und alte Leute. Das passt schon mal zum olympischen Profil. Also weiter: Zunächst ist es wichtig, dass der Sport einheitliche Regeln bekommt. Einfach nur auf dem Schulhof Schneebälle hin- und herzuschleudern reicht nicht. Ihr müsst festlegen, wie viele Werfer in jeder Mannschaft sind, ob es ein festgelegtes Spielfeld gibt, wie lange ein Spiel dauert und wofür man Punkte bekommt.
Wenn diese einheitlichen Regeln stehen, müsst Ihr dafür sorgen, dass sie nicht nur auf Eurem Schulhof, sondern in ganz Deutschland und der Welt bekannt gemacht und befolgt werden – zum Beispiel, indem Ihr sie auf einer Internetseite erklärt. Dann sollten sich Vereine bilden, in denen man Schneeballschlachten als Wettkämpfe austrägt. Wenn es gut geht, schließen sich irgendwann alle deutschen Vereine im deutschen Schneeballschlachtverband zusammen. Und der kann mit den Schneeballschlachtverbänden anderer Länder den Weltschneeballschlachtverband bilden.
So ein Weltverband ist dann groß und wichtig genug, um mit dem IOC zu sprechen und zu sagen: »Hey, IOC, wir haben eine tolle neue Sportart erfunden. Wir wollen bei olympischen Spielen antreten.« Na ja, so ähnlich jedenfalls. Der Weltschneeballschlachtverband stellt einen Antrag und bewirbt sich damit beim IOC. Das muss sieben Jahre vor der ersten möglichen Teilnahme bei Olympischen Spielen geschehen. Die nächste Möglichkeit, mit der Sportart Schneeballschlacht dabei zu sein, wären also die Winterspiele 2018. Bewerben müsst Ihr Euch spätestens im nächsten Jahr.
Da es aber immer ziemlich viele Sportarten und Verbände gibt, die olympisch werden oder bleiben wollen, müsst Ihr ordentlich Werbung machen. Momentan sind in Vancouver viele IOC-Mitglieder, Sportler, Sportverbände und Journalisten. Das wäre ein perfekter Zeitpunkt, um Schneeballschlachten als Mannschaftssport bekannt zu machen. All die Fachleute müsst Ihr von Eurem Sport begeistern, etwa indem Ihr Wettkämpfe veranstaltet und dazu wichtige Gäste einladet.
Doch das IOC verlangt noch mehr: Es muss Weltmeisterschaften in der Sportart gegeben haben und zusätzlich eine Weltserie (also Wettkämpfe an verschiedenen Orten, deren Ergebnisse zusammengezählt werden), sonst wird es nichts mit Olympia. Das solltet Ihr möglichst noch in diesem Winter, also zum Beispiel im November oder Dezember 2010 auf die Beine stellen – bevor Ihr Euch 2011 bewerbt.
Dann heißt es warten, warten und weiter schön Werbung machen, bis das IOC abstimmt. Die Mitglieder überlegen genau, was für Eure Sportart spricht. Wichtig ist etwa, ob ein Sport bei jungen Leuten beliebt ist. Der Olympia-Verein will schließlich nicht, dass die Spiele aussterben. Deshalb müssen sie sich um Nachwuchs kümmern. Interessant ist auch, ob ein Sport schon bekannte Athleten hat. Starsportler sorgen nämlich dafür, dass es Fans gibt und viele den Sport toll finden – und ihn gern im Fernsehen sehen wollen. Die Medien und besonders das Fernsehen sind nämlich wichtige Punkte. Das IOC verdient sehr viel Geld damit, dass die Spiele im Fernsehen übertragen werden. Und die Fernsehanstalten zahlen besser, wenn sie wissen, dass sie mit bestimmten Sportarten viele Zuschauer anlocken. Weil zum Beispiel Ski Cross so viel Action verspricht, waren sich die Fachleute ziemlich sicher, dass viele Zuschauer die Rennen im Fernsehen verfolgen.
Stimmt das IOC tatsächlich für Schneeballschlachten als olympische Disziplin, dann dürft Ihr jubeln – und müsst gleichzeitig bangen. Denn alle vier Jahre wird das Programm der Spiele geprüft, und vielleicht fliegt Ihr nach alldem Aufwand direkt wieder raus. Möglicherweise solltet Ihr Euch die ganze Arbeit sparen, die Schneeballschlachten weiterhin auf dem Schulhof stattfinden lassen – und Euch nur einen netten Sponsor suchen, der Euch hinterher mit heißem Kakao versorgt.