Zwei Betten, zwei Kinderzimmer, zwei Zuhause: Wenn die Eltern sich scheiden lassen, fällt die Familie auseinander. Wie geht es Euch Kindern dabei, und was dürft Ihr entscheiden?
Von Katrin Brinkmann
Jana erinnert sich noch genau an den Tag, als ihr Vater von zu Hause auszog: Sie steht neben ihm, als er wütend Schränke und Schubladen im Schlafzimmer aufreißt und seine Wäsche in zwei große Taschen stopft. Sie läuft hinter ihm her, als er damit die Treppe hinunterhastet. Und als er mit dem Auto losfahren will, steigt sie mit ein. »Papa zieht für eine Weile zur Oma«, erklärt ihr die Mutter. »Ich will mitfahren!«, sagt Jana und bleibt einfach sitzen. Damals ist sie fünf Jahre alt, und sie und ihre beiden jüngeren Schwestern verstehen nicht, was los ist.
Heute ist Jana 14 Jahre alt und lebt bei ihrem Vater. Der hat neu geheiratet, und Jana hat inzwischen noch zwei kleine Halbschwestern. Halb, weil Jana und sie zwar denselben Vater haben, aber nicht dieselbe Mutter. Ihre Mutter und die beiden »ganzen« Schwestern besucht Jana oft – sie wohnen mit dem neuen Freund der Mutter nur eine Viertelstunde mit dem Auto entfernt. Klingt kompliziert, für Jana aber ist es mittlerweile ganz normal. Denn ihre Eltern sind schon lange kein Ehepaar mehr: Sie sind geschieden – so wie jedes dritte Paar in Deutschland, das einmal verheiratet war.
Als Janas Eltern sich vor neun Jahren scheiden lassen wollen, weiß Jana gar nicht, was das heißt: Scheidung. Sie merkt nur, dass zwischen ihren Eltern etwas nicht mehr stimmt. Nachts wacht sie von Stimmengemurmel aus dem Wohnzimmer auf. Schließlich schreien sich die Eltern sogar an. Weil es einfach nicht besser wird, beschließen beide damals gemeinsam: Wir lassen uns scheiden!
Das geht aber nicht von heute auf morgen. Wer verheiratet ist, muss einen Scheidungsantrag bei einem Familiengericht stellen. Bei der Hochzeit unterschreibt man in Deutschland nämlich eine Art Vertrag. In dem steht, dass die Ehepartner füreinander und für ihre gemeinsamen Kinder sorgen wollen. Bei einer Scheidung wird dieser Vertrag aufgelöst – und das kann nur ein Richter tun. Vorher muss das Ehepaar normalerweise ein Jahr lang voneinander getrennt wohnen. Wäre einer von beiden gegen die Scheidung, würde es sogar noch länger dauern. »Im ersten Jahr nachdem Papa ausgezogen war, habe ich immer noch gehofft, dass er wiederkommt«, sagt Jana heute. »Doch dann hat Mama gesagt, dass sie sich einfach nicht mehr so lieb haben wie früher.«
Mit dem Auszug eines Elternteils ist es nicht getan. Bei einer Scheidung müssen viele wichtige Dinge geklärt werden. Zum Beispiel wie die Sachen, die der Familie gehören, aufgeteilt werden. Wer bekommt das Haus? Wer das Auto? Und wem gehört das Geld auf dem Sparbuch? Außerdem müssen die Erwachsenen ausmachen, bei wem die Kinder künftig leben sollen und wie oft sie der andere Elternteil sehen darf. Gibt es darüber Streit, bestimmt der Richter, wie es gemacht wird – nachdem er mit allen, also auch mit den Kindern, gesprochen hat. Wenn man 14 Jahre alt ist, darf man sogar selbst bestimmen, ob man lieber bei Mama oder Papa leben möchte. Wenn damit aber ein Elternteil nicht einverstanden ist, muss das wieder beim Gericht geklärt werden.
Jana und ihre Schwestern sind damals zu klein, deshalb entscheiden die Eltern für sie. Und obwohl sie sich vor der Scheidung viel gezankt haben, finden sie eine gute Lösung. Sie einigen sich auf ein gemeinsames Sorgerecht. Das bedeutet, dass beide weiterhin für die Kinder sorgen. Wohnen werden Jana und ihre zwei Schwestern erst einmal bei der Mutter.
In der Zeit kurz nach der Scheidung weint Jana oft: »Ich habe Papa so sehr vermisst.« Umso glücklicher ist sie, wenn sie ihren Vater an jedem zweiten Wochenende sehen darf. Papa-Wochenende! Zusammen mit den zwei Schwestern übt sie dann Saltos auf dem riesigen Trampolin im Garten seines neuen Zuhauses. Das Trampolin hat der Vater extra für seine Töchter gekauft. Doch am Ende der Papa-Tage folgt immer die traurige Verabschiedung. Kaum zu Hause, fragt dann die Mama: »Und, wie war’s?« Jana will gern vom tollen Wochenende schwärmen. Doch sie weiß: Wenn sie das tut, wird ihre Muter traurig. »Da hab ich mich gefühlt, als würde ich zwischen den beiden stehen«, sagt Jana.
So geht es vielen Scheidungskindern, weiß Melanie Franke. Sie ist Familienrechtsanwältin und hat schon viele Scheidungen miterlebt. Sie vertritt dann vor Gericht einen der beiden Elternteile. »Viele Kinder fühlen sich wie ein Spielball, der zwischen den Eltern hin- und hergeworfen wird«, sagt sie. »Oft sagen die Kinder dem Richter, dass sie eigentlich bei beiden Elternteilen bleiben möchten – nur um keinen traurig zu machen.« In solchen Fällen gibt es Psychologen, die mit den Kindern und den Eltern sprechen und versuchen herauszufinden, was die beste Lösung ist. Aber auch nach der Scheidung höre das Gezerre manchmal nicht auf. »Manche Eltern reden vor den Kindern schlecht über den anderen«, sagt die Anwältin. Für diesen Fall hat sie einen Tipp, wie Kinder sich verhalten sollten: »Sagt euren Eltern am besten: Macht das nicht, das tut mir weh! Ich brauche euch beide!«
Janas Eltern verstehen sich inzwischen wieder ganz gut. Beide haben sich neu verliebt und sind jetzt glücklich. Jana auch, denn sie mochte die neuen Partner ihrer Eltern zum Glück gleich. Das ist nicht überall so, weiß sie von Freunden, deren Eltern auch geschieden sind. Als Jana vor zwei Jahren entschied, dass sie nun, nach der langen Zeit bei Mama, zu ihrem Papa ziehen will, war das auch kein Problem. »Inzwischen finde ich es ganz gut, zwei Zuhause zu haben«, sagt sie. »Ich habe jetzt zwei Papas, zwei Mamas und noch zwei kleine Schwestern mehr.« Auch wenn sie sich früher insgeheim gewünscht hat, dass Papas neue Freundin und Mamas neuer Freund ein Paar werden, damit ihre Eltern wieder zusammenkommen. »Heute bin ich froh, dass alles so ist, wie es ist, ich möchte nicht mehr tauschen!«