Zehntausend Euro für eine Kinderzeichnung, Millionen für alte Ölgemälde: Kunstwerke sind manchmal unfassbar teuer. Wer legt eigentlich die Preise fest?
Von Katrin Hörnlein
Ein Schiff dümpelt im Wasser, Menschen sitzen am Meer, ein Fluss schlängelt sich sanft durch eine Wiese. »Laaaangweilig!«, könnte man bei diesen Motiven denken. Doch mit solchen Bildern sorgt ein Maler in Großbritannien gerade für großes Aufsehen. Kunstfans zahlen 10000 Euro und mehr für Werke von Kieron Williamson. Zu einer Versteigerung seiner Bilder reisten kürzlich Menschen aus der ganzen Welt an. Und kaum war die Auktion eröffnet, hieß es: ausverkauft. Wer kein Bild abbekommen hatte, ließ sich auf eine Warteliste setzen. Nun gibt es um Kunst häufig Rummel, für ein altes Ölgemälde, aber auch für einen diamantenbesetzten Totenschädel werden manchmal Millionen gezahlt. Außergewöhnlich ist in Kierons Fall vor allem sein Alter: Er ist acht!
Mancher Kunstkenner fühlt sich an den berühmten Pablo Picasso erinnert. Auch der malte schon als Kind bemerkenswerte Bilder. »Picasso, den mag ich nicht«, sagte Kieron in einem Interview, »ich wäre lieber wie Claude Monet.« So kam er wohl auch zu seinem Spitznamen: »Mini-Monet«. Ob die Bilder von Kieron nun schön oder bedeutungsvoll sind oder nicht, darüber darf man streiten wie bei jedem Kunstwerk. Ob der Achtjährige schon jetzt ein herausragender Maler ist, da sind sich selbst Experten nicht einig. Wieso aber zahlen Menschen dann für seine Bilder so viel Geld? Anders gefragt: Wann ist ein Werk 20 Euro wert, wann 20000 oder gar 20 Millionen?
Den Wert von Kunst festzulegen, dafür gibt es keine verbindlichen Regeln. Da jedes Kunstwerk einzigartig ist und damit auch unvergleichbar, muss eigentlich auch für jedes aufs Neue über den Wert gestritten werden. Trotzdem kann man aus Erfahrung etwas lernen; und je mehr man über Kunst weiß, desto sicherer kann man ihren Wert einschätzen. Beteiligt sind am Geschäft mit der Kunst meist vier Parteien: Da sind natürlich die Künstler selbst. Sie schaffen die Werke, mit denen sie sich ausdrücken, ihrem Publikum etwas sagen wollen. Damit die Künstler Geld verdienen oder gar berühmt werden, gibt es Menschen, die sich um den Verkauf der Werke kümmern – die Galeristen und Agenten. Sie stellen die Bilder aus, versuchen, ihre Schützlinge bekannt zu machen, und sie legen (anfangs) die Preise fest. Ungeheuer einflussreich sind auch die großen Auktionshäuser, die Kunst zum Verkauf anbieten. Sie haben ihre eigenen Experten, die Werke beurteilen. Schließlich sind da noch die Käufer von Kunst. Museen gehören dazu, denn in ihnen werden Kunstwerke vielen Menschen gezeigt. Daneben gibt es Sammler: Das sind Menschen, die Kunst lieben, oft reich sind und deshalb viele Werke kaufen können. Weil diese Sammler es nicht so toll fänden, wenn Besucherhorden durch ihre Wohnzimmer trampelten, um die Bilder berühmter Maler anzusehen, verleihen sie ihren Besitz immer wieder einmal an Museen oder suchen sich eigene Ausstellungsräume. Schließlich gibt es jene Käufer, die Kunst als eine Geldanlage sehen, eine Art Sparbuch in hübscher Gestalt.
Viele Sammler reisen um die Welt, von Messe zu Galerie zu Auktion, und kaufen ein. Eine Art Wettstreit dabei ist es, nicht nur möglichst tolle Bilder von berühmten Künstlern zu ergattern, sondern auch neue Künstler zu entdecken. Später, wenn diese ihrerseits berühmt werden, können die Sammler sich dann mit ihrem guten Riecher brüsten: »Das wusste ich schon lange, ich habe eins seiner ersten Werke.« Das ist sicherlich ein Grund dafür, warum derzeit Menschen aus aller Welt die Bilder eines britischen Jungen kaufen. Sie wollen dabei sein und an seinem Erfolg – wenn er denn kommt – Anteil haben.
Ein Künstler, dessen Werke sehr schnell sehr teuer geworden sind, ist der Brite Damien Hirst. Vor rund 20 Jahren legte Hirst einen Hai in eine Chemikalie ein – das war seine Art, sich auszudrücken. Ein Sammler bezahlte für den Fisch mehrere Zehntausend Euro. Einige Jahre später wurde der Hai für geschätzte neun Millionen Euro weiterverkauft. Denn Hirst war inzwischen zum Star geworden.
Um junge und neue Künstler kann solch ein »Hype« entstehen, doch auch für »alte« Kunst werden sehr hohe Summen gezahlt. Immer wieder gab es in den vergangenen Jahrhunderten Künstler, die etwas ganz Besonderes schufen: eine neue Malweise, ungewohnte Formen, überraschende Motive. Unter Fachleuten ist man sich einig darüber, dass ein Picasso, ein Rembrandt oder ein Monet Großes geleistet haben, weil sie die Kunst und damit die Art, wie wir die Welt sehen, veränderten. Weil diese Künstler inzwischen tot sind, sie also keine neuen Bilder mehr malen können, müssen sich alle um die streiten, die es gibt. Und die stehen nicht oft zum Verkauf, denn wer so einen Schatz besitzt, gibt ihn nicht gern her.
Verrückt wird es, wenn bisher unbekannte alte Bilder entdeckt werden. Im vergangenen Jahr tauchte zum Beispiel eine Zeichnung auf, die von dem Maler Leonardo da Vinci stammen soll (er malte auch die weltbekannte Mona Lisa). Nun ist da Vinci schon fast 500 Jahre tot – woher sollte da ein neues Bild kommen? Es existierte natürlich schon die ganze Zeit über, aber niemand hatte gewusst, dass es ein da Vinci sein könnte. Fachleute sagen, dass es ihm erst jetzt »zugeschrieben« werden konnte. Und plötzlich war diese Zeichnung nicht mehr einige Tausend Euro wert, sondern Millionen.
Wie viel für Kunst bezahlt wird, hängt also von vielen Dingen ab, die nicht alle mit dem Werk selbst zu tun haben. Ob Sammler für die Bilder des britischen Jungen wohl genauso viel zahlen würden, wenn er schon 18 Jahre alt wäre? Ob Zeitungen auch über Kieron berichtet hätten, ohne die Geschichte eines Wunderkindes erzählen zu können? Gut, dass er selbst den Rummel um sich gelassen betrachtet. Kieron hat mit seinen Landschaften zwar schon ordentlich Geld verdient, aber vielleicht möchter er später doch lieber Profifußballer oder Formel-1-Fahrer werden.