© Edith Wagner und Hannah Schuh
Als Hobbydetektive aus Rocky Beach lösen sie die kniffligsten Fälle. Wie die bekannten Hörspielgeschichten entstehen – dieses Geheimnis haben wir gelüftet
Von Katrin Hörnlein
Drei Männer sitzen an einem Tisch und wedeln mit ihren Armen und Händen. Manchmal springt einer auf – und die ganze Zeit reden sie dabei in Mikrofone. Hier entsteht gerade ein neuer Fall der berühmten Detektivreihe Die drei ???. Die Männer sind Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews.
Na ja, eigentlich sind sie die Stimmen aus der Hörspielreihe. In Wirklichkeit heißen sie Oliver Rohrbeck, Jens Wawrczeck und Andreas Fröhlich. Und sie sind auch keine Jugendlichen wie in den Geschichten. Alle drei sind über 40 Jahre alt. Als sie anfingen, waren sie wirklich noch Nachwuchsdetektive. Im Herbst feiern die drei ein Jubiläum: Seit 30 Jahren sind sie die Stimmen der drei ???. »Es ist schon ungewöhnlich, mit 43 Jahren einen 17-Jährigen zu sprechen«, erzählt Andreas Fröhlich, die Stimme von Bob Andrews. »Aber wenn man im Studio sitzt, mit seinem Text und auf seinem festen Platz – ich sitze immer neben Jens, also Peter –, entsteht automatisch die Welt der drei Detektive.«
Die Handlung der einzelnen Folgen stammt aus den gleichnamigen Büchern. Verschiedene Autoren denken sich die Fälle aus. Doch ein Buch kann man nicht einfach vorlesen und hat dann schon ein Hörspiel. Deshalb muss zunächst André Minniger ran. »Ich kürze vor allem ganz viel. Es bleibt eigentlich nur noch ein Skelett von jeder Geschichte«, erzählt er. Beschatten Justus, Peter und Bob im Buch einen Verdächtigen dreimal, tun sie es im Hörspiel vielleicht nur einmal. Oft streicht Minniger auch unwichtige Personen, weil zu viele Stimmen die Zuhörer verwirren würden. Vor allem verfasst er viele Dialoge, also Gespräche. Der Großteil einer Geschichte wird über solche Unterhaltungen erzählt. Dabei dürfen auch die drei Detektivsprecher mitreden. »Wir sagen zum Beispiel, das würde Peter nie sprechen. Oder Justus muss noch viel gestelzter reden«, erzählt Oliver Rohrbeck, die Stimme von Justus Jonas.
Alle paar Monate nehmen die Sprecher neue Folgen auf, meist mehrere hintereinander. Sechs bis acht Fälle erscheinen jedes Jahr. Die entstehen in der Villa von Heikedine Körting in Hamburg. Sie ist die Regisseurin der Hörspiele – ebenfalls seit 30 Jahren – und hat in ihrem Haus ein Tonstudio. Wenn man in der Villa nach oben steigt, quietschen die Dielen ein bisschen wie in einem Gespensterschloss aus einer Die drei ???-Folge. Im Studio unterm Dach hockt Corinna Wodrich auf dem Teppichboden. Sie ist die Produktmanagerin der Hörspiele und dafür zuständig, dass zum richtigen Zeitpunkt alles klappt: dass die Texte und die Sprecher da sind und dass am Ende alles auf Kassetten und CDs landet. Über 35 Millionen Mal haben die sich verkauft.
Gerade entsteht Folge 130, Der Fluch des Drachen (erscheint am 15. Mai). »Das ist unvermeidlich!«, sagt Oliver Rohrbeck und unterbricht sich selbst: »Das mach ich noch mal. Es muss unvermeidlich heißen.« Die Sprecher bewegen sich viel, greifen mal nach einer Vase oder heben den Hörer eines großen schwarzen Telefons ab. »Es ist ganz wichtig, dass man sich vorstellt, wie das ganze Drumherum aussieht«, erklärt Rohrbeck. »Wenn wir die Texte lesen, entstehen Bilder im Kopf, und nur wenn wir diese Bilder während der Aufnahme präsent haben, können wir das so spielen, dass man beim Hören später auch Bilder im Kopf hat.« Andreas Fröhlich erklärt: »Man spricht anders, wenn man sich nach unten beugt. Das muss man mitspielen. So können die Hörer die Geschichte besser verfolgen.«
Hör dir an, wie sich die Stimme von Andreas Fröhlich verändert, wenn er sich bewegt und weiter redet und wie Heikedine Körting als Rabe Blacky krächzt
Die Sprecher sitzen auf der einen Seite einer großen Glasscheibe vor den Mikrofonen. Auf der anderen Seite schiebt Heikedine Körting am Tonpult Regler herauf und herunter und bedient eine Tonbandmaschine. »Jetzt die Autoszene«, sagt sie, und die drei Sprecher schnappen sich Ledertaschen, die sie sich in den Rücken stopfen. Was soll denn das? »Na ja«, erklärt Jens Wawrczeck, »ich fahre als Peter doch ein altes Auto, und da quietschen die Sitze ein bisschen. Wenn wir uns anlehnen, machen die Taschen Geräusche, als säßen wir im Auto.« Zu einem Hörspiel gehören eben nicht nur gesprochene Texte, sondern auch passende Geräusche.
Viele Hörspiele entstehen heutzutage am Computer. Doch bei Heikedine Körting geht es noch zu wie bei den ersten Die drei ???-Folgen vor 30 Jahren. Statt Flachbildschirmen und Speicherplatten hat sie ein großes Mischpult und eine Maschine, auf der Spulen mit Tonbändern laufen. Als Regisseurin baut Heikedine Körting aus Sprecherteilen, Geräuschen und Musik das Hörspiel zusammen. Sie lässt die Musik zum Beispiel leiser werden, wenn die Stimmen einsetzen. Oder setzt zusätzliche Geräusche an die richtigen Stellen. Viele davon hat Heikedine Körting selbst aufgenommen: »Ich krabbele überall mit meinem Aufnahmegerät herum und sammle Geräusche.«
Manchmal spricht sie auch selbst mit, allerdings kaum erkennbar – denn Heikedine Körting brüllt gern die Ungeheuer oder Monster. »Die Schauspieler würden dabei ihre Stimme verlieren«, sagt sie und lacht. »Der schreiende Wecker aus Folge 12, das bin zum Beispiel ich. Aber danach war ich 14 Tage heiser.« Heikedine Körting ist auch der Rabe Blacky, der in vielen Folgen in der Zentrale der drei Detektive krächzt. Das Geräusch hat sie früher manchmal benutzt, um Fehler der damals noch jungen Sprecher zu verdecken.
Hör dir an, wie Heikedine Körting als Rabe Blacky krächzt Klicke hier!
Heute sind Oliver Rohrbeck, Jens Wawrczeck und Andreas Fröhlich ein eingespieltes Team, und Blacky muss keine Versprecher mehr vertuschen. Manchmal erfinden die Sprecher im Studio sogar kleine Szenen, die gar nicht im Text stehen. Dann sind die drei ganz und gar Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews. Und für die nächsten Jahre wollen sie das auch noch bleiben. Jens Wawrczeck, der Peter Shaw, sagt allerdings: »Also, ich finde, mit 70 Jahren ist Schluss!«