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Better News from Congo

 

„Better News statt Bad News“ – so nennt Winfried Nachtwei, sicherheitspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, seinen Rundbrief über das, was in Afghanistan außer Selbstmordanschlägen und Gefechten mit den Taliban passiert. Das ist eine ganze Menge: unter die Rubrik „Bessere Nachrichten“ fallen die beste Getreideernte seit 30 Jahren, ein rückläufiger Mohnanbau, ein Innenminister, der es offensichtlich ernst meint mit dem Kampf gegen Korruption und Drogenschmuggel, und deutsche Entwicklungsexperten vor Ort, die trotz kritischer Sicherheitslage nicht weniger sondern mehr Aufbauprojekte fordern. Mit Schönfärberei haben Nachtweis „Better News“ nichts zu tun. Er kennt Afghanistan so gut wie kaum ein anderer Politiker. Die Entwicklung dort beschreibt er als „komplex und uneindeutig“ – und es fuchst ihn, dass Journalisten dank ihrer Obsession mit Militär, Bomben und Krieg dieses Land zum „hoffnungslosen Fall“ erklärt haben. Wer sich also ein genaueres Bild von der Lage zwischen Kunduz und Kandahar machen will, wird diese Lektüre schätzen – und sehr bedauern, dass Nachtwei nach 15 Jahren aus dem Parlament ausscheidet.

„Better News“ oder: „Uneindeutig und komplex“ – diese Rubrik gibt es ab sofort auch aus dem Kongo. Die Berichterstattung über dieses Land fällt zwar sehr viel spärlicher als über Afghanistan. Aber auch im Fall Kongo hat sich die mediale Wahrnehmung auf einige wenige Aussagen reduziert: es ist heiß, es gibt viele Rebellen und viele vergewaltigte Frauen. Alles richtig, und in seiner Ausschließlichkeit doch völlig falsch.
Deshalb also – frei nach Erich Kästner – nicht die Frage: Wo bleibt das Positive? Sondern: Wo bleibt das  Komplexe?
Fangen wir im Ostkongo an. Über die Militärkampagne gegen die Hutu-Rebellen der FDLR (Forces démocratiques de libération du Rwanda) mit ihren verheerenden Folgen für die Zivilbevölkerung wurde in den vergangenen Wochen einiges berichtet.
Dagegen liest und hört man fast nichts über das politische Tauwetter zwischen dem Kongo und Ruanda, das auf die gesamte Region der Großen Seen ausstrahlen kann. Nicht nur auf nationaler, auch auf Provinzebene läuft die Zusammenarbeit zwischen dem Kongo, Ruanda, Burundi und Uganda inzwischen deutlich besser. In der ehemals schlimmsten Kriegsregion seit 1945 lebt langsam der alte Traum von einer Handelszone ohne Schlagbäume, Zölle und Steuerschranken wieder auf. Handel statt Schmuggel, freier Grenzverkehr statt latentem Kriegszustand.
Und was passiert „ganz unten“ in den Städten und Dörfern? Kamituga, die völlig auf den Hund gekommene Bergwerksstadt in Süd-Kivu, war 2006 fast völlig vom Straßenverkehr in die Provinzhauptstadt Bukavu abgeschnitten. Sämtliche Waren mussten mit altersschwachen Antonows für teures Geld eingeflogen werden. Ins örtliche Krankenhaus gingen die Leute höchstens noch zum Sterben, und wer nach der Behandlung doch wieder nach Hause wollte, den sperrten die Ärzte ein, bis die Rechnung bezahlt war.
Drei Jahre später ist die Stadt ist immer noch mehr Krisengebiet als Lebensraum. Aber inzwischen gibt es wieder eine Straße nach Bukavu, und ein Team von Cap Anamur baut in mühseliger Kleinarbeit das Krankenhaus wieder auf. Wie das aussieht, hat der Fotograf Jürgen Escher eindrucksvoll dokumentiert. Ebenfalls empfehlenswert die Erfahrungsberichte der Ärzte auf der Website von Cap Anamur.
Die behandeln zusammen mit ihren kongolesischen Kollegen nicht nur Kranke, sondern schulen auch einheimisches Personal. Techniker renovieren die maroden Gebäude. Demnächst sollen ein Röntgengerät und eine neue OP-Ausstattung eintreffen (so es der kongolesische Zoll denn zulässt).
Wie so häufig schafft Erfolg gleich neue Probleme. Das Krankenhaus von Kamituga ist jetzt chronisch überbelegt. Es hat sich schnell herum gesprochen, dass man dort tatsächlich gesund werden kann. Außerdem ist aufgrund der Militärkampagne gegen die Hutu-Milizen der FDLR die Zahl der Flüchtlinge in der Stadt gestiegen.
Soviel für heute aus der Rubrik „Uneindeutig und komplex“.